Hl. Ingberler Anzeiger.
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der St. Naabiriiet Anzeiget (und daß mit dem Hauptblalld berbundene Unterhaltungsblatt, mit der Dienstaas- ODonnerstags⸗ und Sonntagr
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* 3 J t *
R 53. Samstag, der 14373.
Das Schicksal der Tabakssteuer.
Mit dem Propheieihen ist es eine mißlichezSache, und be—
ouders dann, wenn die künftige Entscheidung von einer großen
elinischen Versammlung mit bunt gewischten Interessen und wech⸗
Anden Ansichten aller Art abbängt. Auf der anderen Seite ist es
jon so großer Wichtigkeit, sobald als möglich eine feste Ueber—
eugung von dem zu erwarkenden Ausspruch der Reichsvertretung
n der Tabakssteuerfrage zu gewinnen, daß die verschwindende Ge⸗
aht eines möglichen Irrthums uns von dem Bekanntgeben der
igenen Meinung nicht zurückhalten darf.
Demgemäß glauben wir ein für die deutschen Tabaksinteressen
villlommenes Urtheil dahin abgeben zu können, daß nach dem
uisherigen Stand der Verhandlungen eine Einigung der gesetz⸗
jebenden Faktoren über eine Erhöhung und veränderte Erhebungs⸗
tt der Tabaksteuer nicht zu erwarten ist. Mögen die hohen Ein⸗
jahmen, welche andere Staaten aus der Bestenerung des Tabalks
tzielen, für den Finanzmann noch so verlockend sein, der Umstand,
a sich unser Volk an den billigen Genuß desselben seit so langer
Zauͤt gewöhnt hat, sowie unsere entwidelte Tabakekultur, welche
it dem wirthschaftlichen Wohlergehen ganzer Gegenden unzertrenn-
ich verbunden ist, nicht minder auch der eigenthümliche, ins Klein⸗
jewerbe hinüberspielende Charakter der deuischen Tabaksfabrikation
nachen es volkswirthschaftlich unmöglich, ohne eine formliche Um⸗
väljung aller bisherigen Verhältnisse aus der finanziellen Ver⸗
verihung dieses Artikels auch nur annähernd ähnliche Betrage für
„n Staatsaufwand zu erhalten. Zu diesen volkswirthschaftlichen
iUgemeinen Gründen kommt noch die jeden Tag deutlicher hervor⸗
reiende Schwierigkeit, zwischen den Einzelinterefsen einen annehm⸗
zaten Ausgleich zu finden, und das Resuttat der Berathungen in
der Fachlommission des Bundesraths, wo man sich über gar keinen
Zteuersatz für den inlandischen Tabak zu einer Mehrheit zu ver⸗
inigen vermochte, ist sehr bezeichnend für den ganzen Stand der
Frage. Die allerntueste Thatsache, daß sich die Mehrheit der ver⸗
einigten Ausschüsse prinzipiell gegen das ganze neue Tabaksteuer⸗
projett ausgesprochen hat, beweist zwar noch nicht, daß im vollen
Zundesrath der Ausgang der Abstimmung der gliiche sein nird,
ber für den Reichstag darf man dies mit großer Zuversicht be⸗
XE
Abgesehen von den vollswirthschaftlichen Erwägungen wird
un Schooße der Volksvertretung auch der allgemein politische
Ztandpuntt Berücksichtigurg verlangen und finden. Unter diesem
ann aber ein, den inländischen Tabalsbau erheblich beschwerender,
has allgemeine Genußmiltel der Masse der Bevölkerung gegen den
isherigen Preis shwer belastende Steuerzusaz zur Zeit — und
le dergleichen Entscheiduagen können nur für eine bestimmte Zeit
ind Sochlage erwogen und gefaßt werden — nur als völlig un⸗
mnehmbar bezeichnet werden. Es handelt sich nicht darum, in
iner Finanzkalamität des Reiches durch neue Steuern unabweis⸗
ihe Ausgaben zu decken — im Gegentheil ist der Zustand unserex
Reichsfinanzen sehr befriedigend. Den Anlaß zur Tabaksteuerreform
at punächst das Verlangen nach Beseitigung der Salzsteuer gegeben,
velches aus dem Schooße der Vollksvertretungen selber hervorge—
zangen ist. In dem Kreise der ensschiedensten Gegner der Salz-
euer ist es aber mit jedem Tage mehr zweifelhaft geworden, ob
in Ersatz der letzteren durch erhöhte Tabaksbesteuerung bei den
igenthümlichen Verhältnissen der Tabalsproduktion und Industrie
mn Deutschland auch nur vollswirthschaftlich zu empfehlen ist. Da⸗
über, daß der jetzt in Vorschlag gebrachte Besseuerungsmodus nicht den
borzug vor der allerdings verwerflichen Salzbesteuerung verdient,
ann man kaum einen Zweifel hegen, wie denn auch nicht zu leug⸗
ien ist, daß die nöthigen Vorarbeiten, z. B. Kenntniß des wirt⸗
ichen Standes der Täbaksprodultion in Deutschland noch sehr
ücenhaft sind.
z Unserer Ueberzeugung nach wird der Reichslag nur seine
bu ihun, wenn er den jetzt in der Schwebe befindlichen Ta⸗
dseuerentwurf ongebrachter Maaßen zurückweist; die volkswirth-
tlicken und politischen Grürde dafüt find so çewichtig, daß
wir auch eine andere Entscheidung nicht erwarten. Einer gründ-
ichen Reform unseres Reichs- und Landessteuerwesens bedürfen
vir allerdings, aber mit verein zelten Anläufen und überstürzten
Blänen ist es dabei nicht gethan. Gerade auf dem Gebiet staat⸗
icher Finanzwissenschaft und Kunst ist das berühmte Wort der
lugarn: „Wir können warten“ oft die Parole des wahren Fort-
hritts. (W. d. d. F.)
Deutsches Reich.
Der „D. R.C.“ wird aus Mürnch e n'geschrieben: „Die
Reise S. M. des Körigs von Bayern nach Wien zum Besuche
ꝛer kaiserlichen Familie während der Weltausstellung im Juni
'der Juli ist nun, wie versicher werden kann, definitiv beschlossen.
Der König erwidert mit diesem Besuche, mit welchem die Besich—
igung der Ausstellung verbunden ist, widerholte Besuche, die ihm
on seinem österreichischen Verwandten seit 1864 abgestattet wurden.
Wiederholt besuchten der Kaiser und die Kaiserin von Oesterreich
den König in Schloß Berg und waren dessen Gäste auf der Ro⸗
eninsel. Es wird dies der vierte Besuch sein, welchen der König von
Bayern an auswärtigen Höfen macht. Der König besuchte bisher
den württembergischen Hof in Stuttgart, den Großherzog von
dessen in Darmstadt, den Kaiser Napoleon in Paris, während der
Weltausstellung im Jahre 1867. Ferner traf der König mit
dem Kaiserpaar von Oesterreich, mit dem russischen Kaiser und der
Taiferin zusammen und erhielt wiederholte Besuche des Königs
jon Preußen resp. deutschen Kaisers in Hohenschwangau (1866
ind 1871), sowie des Kronprinzen von Preußen in München,
beils auf der Durchreise nach Italien (1868), theils vor und
nach dem Kriege (1870 und 1871). Auch ein beabsichtigter Be⸗
uch des Prinzen Napoleon (1869) wäre zu verzeichnen, dessen
Empfang jedoch vom König Ludwig, sowie vom bayerischen Hofe
n einer an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassenden Form
abgelehnt wurde.“ — So viel wir uns erinnern, ist König Lud⸗
wig bei der Pariser Ausstellung 1867 nicht gewesen.
München, 2. April. Der bayerische Gesandte beim Papste,
Graf v. Tauffkirchen, wird bis Ende nächster Woche hier eintreffen.
Es hat derselbe zwar vorerst nur einen Urlaub auf 3 Monate
erhalten. allein es kann mit Bestimmtheit versichert werden, daß
Braf v. Tauffkirchen nicht mehr nach Rom zurückkehrt, und wird
Bayera bei der Kurie jedenfalls längere Zeit durch den Legations⸗
ekretär Frhr. v. Cetto vertreten.
Der „S. Rchs.P.“ wird ausMünchen geschrieben: Die
Reichstagsabgeordneten der Fortschrittspartei aus Bayern scheinen
den Kampf gegen den Kultusminister aus der bayerischen Abge⸗
»rdnetenkammer in den deutschen Reichstag zu verlegen und den—
elben mit einer Reihe kirchenpolitischer Interpellationen beginnen
u wollen. Darunter sollen sich namentlich solche befinden, welche
ich auf den Vollzug des Jesuitengesetzes in Bayern, so z. B. auf
die Jesuiten in Regensburg, die Redemptoristen in Altötting und
»ie an mehreren Orten bestehenden, Marianischen Congregationen
u. s. w. beziehen.
Aus Schwaben, 80. März. Man fragt sich erstaunt,
bie es kam, daß unfere so friedliche Hauptstadt mehrere Tage
jindurch der Schauplatz so wüster Scenen sein konnte.*Die
rächste Antwort hierauf liegt wohl in dem rapiden Wachsthum
»er Stadt während des letzten Jahrzehnts, wodurch wie Überall
n allen größeren Städten eine Menge zweifeltafter
kxistenzen auch hier sich zusammengefunden haben, Leute, denen
»er Scandal an sich eine Lust ist unb die jederzeit bereit sind, ihm
hre Lungen und ihre Arme zu leihen. Mit diesem Auwachsen der
Bevölkerung scheinen die Einrichtungen der städtischen Polizei nicht
zleichen Schritt gehalten zu haben. Es ist nur eine Stimme dar—
iber, daß diese ihrem Amte nicht gewachsen war und daß über-
saupt von Seite der Behörden kein sonderliches Geschick an den
Tag gelegt wurde. So war auch dies ein Weiißgriff, daß in der
Iroclamation, die am Tage nach den eisten Exzessen erschien, der
Igrfall, welcher den nächsten Anlaß dazu gab, in einer Weise dar⸗