Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Anzeiger. 
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der St. Fnaberter UÄnzeiger (und dat wit dem Haupiblatte verbundene Unterhaltungsblatt, mit der Dienstags- Donnerttags- und Sonntag. 
Ranmer ericheint wochentlich vi erm alz Dien ztaez. Donnerstag, Samstag und Sonntag. Adonnemenisdreis vierteliahrig 42 Krit. oder 
12 Silbergr. Anzeigen werden mit 4 Krir. die dreispaltige Zeile Blattschrift oder deren Raum verechnet. I 
Auli —AR —— —B 1873 
Deutsches Neich. 
Friedrich Hecker ist am 4. Juli zum ersten Male auf 
deutschem Boden wieder öffentlich aufgetresen;“ bei der vom Ame— 
ifaner⸗Klub in Stuttgart veranstalteten Feier des 97. Jahrestages 
xer Unabhäugigkeit Serllärung der Ver. Staaten hielt er die Fest⸗ 
ebe. Man war allenthalben gespannt, wie sich der alte Feeiheits 
ampfer über unsere deuischen Zustände Außern werde und er⸗ 
vartete, er werde dies bei dieser Gelegenheit thun. Ect hat es aber 
ermieden, sich klar und unumwunden auszusprechen, wenn auch 
nus seiner Rede hervorgehe, daß er für das neue Deutschland 
icht gerade schwärmt. Nach einem Berichte des, Schwäb. Merk.“ 
agie Hecker ungefähr Folgendes: „Er sei hierher gekommen, als 
Nitbarger zu Mitbürgern, zu einem Festtage der Freien und 
Hleichen. Er wisse wohl, daß man überall degierig sei, sein jetzi- 
ez Glaubensbekenntnißz zu wissen. Er bekenne sich als Sohn 
jer freien Erde allein, als Amerikaner, als Sohn des Landes, 
esen Ideen und Gesetze der ganzen Welt zum Vorbild dienen 
ollen. Wie der Moslim nach Melka, so schaue der Bürger der 
Union nach Westen, nach der Lust der Freiheit, der Foöderation, 
er Einheit; nach dem Lande. wo das Leben und Weben der 
zoitheit durch alle Adern des Lebens pulsire. Es werde erme Zeit 
ommen, wo die Streifen und Sterne des amerikanischen Banners 
iber alle Weit hinwehen.“ Nachdem im Weiteren der Redner in 
ildreicher Sprache die kleinen Anfänge der Union und deren 
Vachstthum vorgeführt, kam er auf die jüngst erleblen Jahre zu 
prechen. „Drei große Probleme, angestaunt von aller Welt, habe 
die Union gelöst und siegreich und stolz durchzeführt. Erstlich seien 
ie 4 Millionen Sklaven, bis daher nicht besser als das Vieh, 
rei und gleich allen anderen Menschen geworden, durch jene groß 
tttige Protlamation Lincolns, und sie seien dies jetzt in der That. 
Jum Zweiten habe die Welt das große Schaufpiel gesehen, daß 
üine Million in Waffen stand, einen blutigen Krieg siegreich durch- 
ühtle, und alsbald nach gethaner Pflicht auf Geheiß des Staates 
ach Hause ging, jeder an seinen bürgerlichen Beruf. Sie seien 
eingegangen, der General an seinen Pflug und sein Major hat 
xi ihm wieder Dienst genommen. Zum Dritten: Das ganze 
seer don Streitern habe der Staat nach Hause geschickt ohne alle 
dotation, ohne alle Dekoration. Jeder hat in seiner Brust die 
ihtung vor dem Gesetze und das Bewußtsein erfüllter Pflicht ge⸗ 
tagen. Für die Verwundeten fretlich und die Hinterbliebenen 
et Gefallenen habe der Staat glänzend gesorgt. Aber da sei auch 
vt Privatmann in den Ver. Staaten auf dem Platze, der in 
iuropa so verachtlich genannte .Dollarmann“. Er habe auf 
ainer jüngsten Reise nach Europa nirgends gefunden, daß in der 
ilter Welt der Dollar weniger beliebt, weniger gesucht sei, als in 
t ueuen. In ganz Europa finden sich kene Beispiele, daß solche 
dollarmenschen Millionen wegschenken zu Instituten der Humani— 
ͤt jeder Art, wie ein Peabody, ein Hoptins u. A. Und wenn 
als zweiter Diogenes mit drei Lichtern in der Laterne umher- 
xwandelt wäre, er hätte in der alten Welt nichts gefunden, was 
olten grotßzartigen Schenkungen an die Seite zu sehen sei. Bruder 
Pyathan habe gar Manches schon hinter sich. was in Europa 
i beginne, 3. B. der Gründungsschwindel. Noch kam der Redner 
uf das Preßgeseß zu sprechen. Ein solches sei in Amerika ein 
lnding: Jeder wehre sich dort seiner Haut, die Wahrheit komme 
mam Ende zu Tage. irotz aller Preßeinschtänkungen. Das Emi—- 
rantenwesen sei ein deutlicher Fingerzeig dafür, daß ein gewisse: 
ug der Freiheit, eine Ahnung, daß man drüben seine Ellbogen 
vre loͤnne, die Leute nach Westen drängen, von denen nur ein 
—— von Polint verstehe. „Die Union, schloß de 
Vee ist ein Riesenbaum mit weil binaus reichenden Aesten 
Schatien verbreitend, unter dessen Schutz Mendschenrech 
Neenane gedeiht. Dem Principe der Einheit und Frei— 
auf Erden, den Sternen und Streifen, dem Symbol 
in nichheit det Menschen ein dreifach Hurtah!“ — Die ganze 
* wie man sicht, weiler nichts, als eine begeisterte Lobrede 
ie Ver. Staaten, eine glänzende farbenreiche Zuammenstellung 
aller Lichtseiten des staatlichen Lebens in Amerika und enthusiastifche 
Bemüther könnten wohl auf Hecker's Nede hin Lust bekommen, 
ihren Bündel zu schnüren und dahin zu ziehen, wo dieser glück⸗ 
liche Zustand⸗ herrscht. Wir aber, die wir etwas nüchterner find, 
inden es in Deutschland doch noch einigermaßen erträglich; es fehlt 
uns freilich noch an Freiheit, wir verbieten aber wenigstens keinem 
Thristenmenschen, des Sonntags ein Glas Bier oder Wein zu 
trinken und seine Erholung zu suchen, wo es ihm am besten dünkt; 
auch mit der Gleichheit ist's bei uns noch schlecht bestellt, doch 
schließen wir Niemanden um seines Glaubens willen von Staaue— 
imtern aus und wenn es einmal einigen Hunderten Chinesen 
einfallen würde, bei uns ihr Brod verdienen zu wallen, so würden 
wir ihnen nicht im Namen des Gesetzes die Zöpfe abschneiden und 
ihnen nicht wehren sich in ihrer Heimath begraben zu lassen; end⸗ 
lich⸗ wenn einmal in deutschen Landen 60 Schufte sich zusammen 
thun würden, um Bauernhöfe auszurauben und einzuäschern und 
friedliche Leute niederzumetzeln, so würde unsere Regierung mit 
dieser Bande nicht monatelang aus Schwäche wie mit einer krieg⸗ 
fübrenden Macht paktisiren und unterhandein, sondern sie würde 
ihr einfach eine Brigade Gendarmerie auf den Hals schicken und 
binnen acht Tagen märe der Spaß zu Ende. Wir haben also 
doch einiges Wenige in Deutschland, um das uns die Amerikaner 
beneiden dürflen. 
Frankreich. 
Paris, 7. Juli. Gestern um 7 Uhr Abends gingen 35 
Millionen in Gold und Silber für die Kriegsentschädigung von 
jier nach Köln. 
Der Sdhah von Persien hat gestern über den ibm zu Theil 
gewordenen Empfang seine lebhafte Befriedigung und über die 
Pracht von Paris seine Bewunderung mit den“ Worten ausge⸗ 
drückt: „Ich finde hier die Sonne wieder; dies erinmnert mich an 
Perfien!“ 
Vermischtes. 
fF Das Hagelwetter vom 6. ds. scheint nach den Zeitungs⸗ 
derichten furchtbar gewüthet und in vielen Gemeinden groͤßeren 
Schaden verursacht zu haben, als man Anfangs vermuthete; das⸗ 
elbe soll in Horubach und Großsteinhausen so bedeutend gewesen 
ein, daß man sich eines ähnlichen seit 20 Jahren nicht mehr er 
nnern tann. In Hornbach führte es Hagel mit üich, der oft die 
Bröde von einem Hühnerej hatte, und Fenserscheiben und Dach⸗ 
gegeln in Masse zerschlug. Die Bewohner der Häuser flüchteten 
sich in das Innere der Zimmer, um nicht von den durch die 
Fensterscheiben hineinfallenden Eisstücken oder durch Slassplitter 
oeiletzt zu werden. Einer Frau wurde durch ein Hagelkorn ein 
Loch in den Kopf geschlagen, ein Junge mußte nach Hause ge⸗ 
tragen werden, eine Magd, welche die Fenster zumachen wolite, 
icaf ein Hagelkorn derart, daß sie opnmächtig wurde. In Groß— 
steinhausen, wo der Hagel mit orkanartigem Sturme verbunden 
war, sind die Hoffnungen auf eine gesegnete Ernte total vernichtei. 
Auch mehrere Personen, Erwachsene und Kinder, erletten an Kopf 
und Handen Verwundungen, und vieles Federvieh ging zu Grunde; 
die meisten Fenster wurden zertrümmertz am prot. Pfarrhaus allein 
50 Stüchk. Baume sind entwurzelt, und an manchen Stellen lag 
der Hagel halb Fuß hoch. — dasselbe wird aus Gersbach, 
Kanton Pirmasens, berichtet, wo Alles dom Hagel und Sturme 
vie zusammengewalzt darniederliegt. — Auch in Glau-Münchweiler, 
Quirnbach, Haschdach Matzenbach, Eisenbach, Gimsbach, Reichen- 
zach und Rehweiler hat das Gewitter großen Shaden gethan. 
Lcider sind verhältnißmäßig wenig der Betrofsenen versicher und 
nöchte diese schlimme Fügung unsere Landleute daran erinnern, sich 
durch die geringe Versicherungspraͤmie für die Zukunft wenigens 
vor materiellem Schaden zu sichern. J 
tLudwigshafen, 9. Juli. Der auf den 11. und 
12. ds. Mis. bierher anberaumt gewesene Verbandstag der Er— 
werosgenosseuschaften dann eingetretener Hindernisje halber nicht 
an diesen Tagen, sondern erst etwas spätet abgehalten werden 
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