Full text: St. Ingberter Anzeiger

Hl. Ingberler Anzeiger. 
Det St. Ingadberter Anze Ig er lund das mit dem Hauptblatte verbundene unterhaltungsdlatt, mit der Diendtagb⸗ Donnerztags⸗ und Sonnta 
ꝑummer) erscheinl wochentlich viermnal: Dienztag, Donners tag, Samstag und Sonntag. Abonnementspreis vierteljahrig 42 Arzt. oden 
12 Silbergr. Anzeigen werden mit 4 Arzgr. die dreispaltige Zeile Blattichrift oder deren Raum berechnet. 
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Samstag, den A. Januar 1873 
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F Deutsches Neich. 
Mänchen, 30. Dec. Daß man in Folge des feindlichen 
Gebahrens des Papstes gegenüber dem denischen Reiche und dem 
deutschen Kaiser in Berlin nicht den müßigen Zuschauer machen 
wird, darf als sicher angenommeu werden. Bereits hat, wie wir 
bestimmt erfahren, der deutsche Geschäststräger beim Papste Befeh! 
— —— Ürlaub zu verlassen, so daß die diploma⸗ 
ische Vertretung des Reiches beim Papste jedenfalls bereits sistir 
ist. Weiteres wird sicher nicht lange auf sich warten lassen. 
Der Landtagsabgeordnete Graf Fugse rBlumenthal 
erläßt im „Bayherischen Kurier“ folgende gegen das „Bayerische 
Vale: land“ gerichtete Erllärung: „Qkt nehmend von der wohl be⸗ 
gründeten Entrüstung des Reichslagsabgeordneten Grafen von 
Hreysing gegen die Gesammthaltung des Dr. Sigl'schen Vater⸗ 
andes,“ erllaͤre auch ich, daß ich dieses Organ für eine Calamität 
der katholischen Sache halte. Es ist hohe Zeit, unser braves Volk 
bor solchen Auswüchsen der sogenannten klerikalen Presse zu 
warnen. Wenn Religion, Sittuchkeit und Recht die idealen 
Pfeiler unserer bürgerl. Ordnung sind, und wenn die kath. Presse 
ziese Pfeilerr zu schützen und zu festigen hat, so ist Sigl's „Vater⸗ 
land“ nicht die Bolksstimme, die so hohem Berufe zu dienen 
bermag. Dr. jur. Sigl, dieser unreife gährende Journalist, schädigt 
die Rcligion durch ebenso böse als sinnlose Angriffe ihrer ver⸗ 
die atesten Träger, Sigl schädigt die Moral durch Vorkommnisse 
und Erinnerungen, die er selbst vergeblich mit den „K abenhöschen“ 
zu verdecken sucht, er schädiget unsere bayerischen Rechtszustände, 
dem er das Ansehen der Krone durch feine demokratischen 
Auslossimgen in dedenklicher Weise erschüttert. Solchem Gebahren 
mit Entschiedenheit und ehrlichem Manneswort entgegenzutreten, 
cheint mir heute eine Gewissenspflicht zu sein, die ich hiermit an 
unserm katholischen Volk erfuͤlle, das in der Sigl'schen Spitzederei 
aur ein leises Vo.spiel ungleich schwererer Verluste beklagen 
dürfte.“ 
Straßburg, 29. Dez. Den sämmtlichen Bürgermeistern 
von Elsaß⸗Lothringen ist der Auftrag ertheilt worden, die Wahl⸗ 
listen vorzunehmen, und zwar schon im ersten Drittel des nächsten 
Monats. Bis Ende März müssen die Feststellungen beendet und 
die Lisien geschlossen sein, worauf dann die Wahlen der General⸗ 
räthe oder sonstigen Corporaltionen nachdenselben vorzunehmen 
sind. Die „Voltsztg.“ beklagt, daß bei einem so enischieden frei⸗ 
innigen Wahlrecht der falale Umstand für die eingewanderten 
Deuijchen eintrete, daß sie gegen die annectirten Elsoß⸗Lolhringer 
zu Staatsbürgern und selbsi Gemeindegenossen zweter Klasse ge 
macht werden. Nach den noch immer geltenden Gesetzen vom 3. 
Dez. 1849 und 29. Juni 1867 können nur Großiährige und 
zwar nach einem dreijaährigen Aufenthalt im Lande und durch 
Natu ralisation vom Slaalsoberhaupte die vollen politischen Rechte 
erlan gen. Das berliner fortschrittliche Blatt hofft, es werde solchen 
Ungerechtigkeit durch Einführung des Gesetzes über die Bundes 
und Slaaisangehörigteit vom 1. Juni 1870 gesteuert werden, 
um dem deuischen Elemenie die ihm gebührende und in politischer 
die communaler Beziehung durchaus nothwendige Gleichberechtig⸗ 
ung zu verschaffen. — Der Krieg hat die Schuidenlast der Ge⸗ 
neände Minhausen um 1242 Mill. Fr. vermehrt. Wie man der 
Schweiz. Gr.P.“ schreist, hat nun der neue Gemeinderath an⸗ 
säßlich der Aufstellung des Budgets pro 1873 die Tilgung der 
aufgelausenen Schulden in's Auge gefaßt und beschlossen, die 
bisherigen O.troigebühren zu erhöhen und auf jeden Franken der 
directen Steuer 24 Ct. zuzu chlagen. Dieser Beschluß bedars 
natuͤrlich der Bestätigung der Regierung. Unter den Kregskosten 
figurirt eine Summe von 80,000 Fr., welche die Stadt afs Strafe 
dafür bezahlen mußte, daß die deutschen Truppen bei ihrem ersten 
Abzuge von Mülhausen, als die Bevölkerung wähnte, nun wären 
die französischen Waffen siegreich geworden, von alten und jungen 
Zassenbuben mit Steinen beworfen und sonst insultirt worden 
waten. Die deutschen Behörden maren nach erfolgier Annexion 
des Elsasses auf dem Punkte, diese Contribution zurückzuerstatten. 
als die aus Mülhausen in sehr demonstratlver Weise reichl ich ge⸗ 
flossenen Beitrage an die französische National⸗Subsc ription für 
Befreiung des Territoriums jene generdse Regung wieder erstickte. 
wWieer ist eine der größten Fabriken Mülhausens, die der 
Firma Steinbach Köchlin (Spinnerei uno Druckerei), durch Kaus 
suür die Summe von J Millionen Fres. in die Hände einer Ge⸗ 
sellschaft übergegangen, welche dieselbe vom 1. Januar 1873 unter 
noch 8jähriger Leitung des Hrn. Eteinbach üb ernehmen wird. 
Wiesbaden, 830. Dec. -Zchon in den letzten Tagen 
war der Andrang zu den Spieltischen im Aursaal ein starker; 
aus allen Richtuugen der Windrose sind Fremde herbeigeeilt, theils 
um noch einmal Fortunas Gunst zu erproben, theils um dem 
erregten. Treil en und dem letzten Messieurs faitez votre jeu!“ 
als kuhig beobachtende Zuschauer anzuwohnen. Seit heute aber, 
wo Wiesbaden nach dem Schlusse der Spielbank in Homburg allein 
noch ein derartiges Etablissement aufzuweisen hat, ist der Andrang 
ein wahrhaft massenhafter, so daß die Administration nicht mehr 
in der Lage ist, Eintrittskarten auszugeben. (Kh. K.) 
Berlin, 30. Dec. Der denische Hilfsverein für den 
Nothstand an den Ofsseeküsten wird in dieser Woche sein erstes 
Babenverzeichniß veröffentlichen. Seit der kurzen Zeit seines Be⸗ 
sfehens sind dem Berein bereits 334,000 Thaler zugegangen und 
um großen Theil von demselben sofort ahgeführt worden. — In 
Sůd⸗Julland, hart an der deutschen Srenze, ist die Rinderpest 
ausgebrochen. Auffallend dabei ist der Rebenumstand, daß die 
anische Regierung auf diesseits von der schleswigschen Regierung 
owohl als später vom schleswig⸗holsteinschen Oberpräsidium er⸗ 
assene telegraphische Anfragen kaine Antwort ertheint hat, weshaib 
die genannie Regierung genöthigt worden ist, durch das Reichs- 
kanzieramt in Berlin auf diplomatischem Wege über die Richtigleit 
der betreffenden Nachricht und die näheren Umstände Auskunft 
zu erbitten. 
Der Weihnachts-Postverkehr in Berlin hat auch in diesem 
Jahr, wie zu erwarten war, große Dimensionen angenommen. 
Zomn 18. bis 25. December sind an Adressaten in Berlin einge- 
gangen 111,866 Stück (13,0580 mehr als im Vorjahr); in Ber⸗ 
sin aufgeliefert sind 128,967 Stück (8060 mehr als im Vorjahr); 
durch Berlin transirt 105,3559 Stück (6466 mehr als im Vorjahr). 
An jedem Tage der Weihnachtswoche haben mithin im Durchschnitt 
uber 40, 000 VPakete in Berlin von der Post behandelt werden 
müssen. Die Auflieferung ersolgte bei dem Hofpostamte und bei 
46Zweigpostanstalten in der Stadt und deren Umgebung. Um 
zie Vewaltigung der angekommenen Pakete, welche sonst von einer 
Tentralstelle (in der Oranienburgerstraße) ans geschah, zu erleich⸗ 
ern, war diesmal noch eine Stelle errichiet, und zu diesem Zwecke 
ein Holzgebaude in großen Dimensionen (250 Fuß lang, 60 Fuß 
hreit) am niederschlesischen Bahnhof in 14 Tagen mit einem Kosten⸗ 
aufwand von ca. 8000 Thalern errichtet. Alle Pakete, welche auf 
deim niederschlesischen Bahnhofe, sowie auf den benachbarten Bahn⸗ 
höfen (Ostbahn nnd Gorliher) ankamen, d. i. über ein Drittel des 
Vesommt⸗Weihnachtsverkehrs, brauchten in Folge. dieser Decentra⸗ 
lisation nicht erst in das Eentrum der Stadt geschafft werden, 
ondern wurden unmittelbar von der neu errichteten Stelle abge- 
ertigt, zu welchem Behuf die erforderliche Anzahl von Wagen und 
Bespannen in der Nähe stationirt waren. Täglich gingen 129 
Wagen von der alten Stelle in der Oranienburger Straße und 
70 Wagen von der neuen Stelle am niederschlesischen Bahnbofe ab. 
Berlhin, 31. Dec. Hr. v. Roon, der einstweilen den 
Vorsitz im Ministerium gehabt, ist endgiltig zum Minister⸗VPräsi⸗ 
denten ernannt worden. 
B'erlin, 2. Jan. Der Kaiser gab dringender Geschafte 
wegen seine projectirte Fahrt nach Potsdam zur Sterbegedächtniß— 
seier Friedrich xWilhelm's IV. auf, arbeilete mit dem zum General— 
Feldmarschall ernannten Grafen Roon, dem General Lieufenant 
Zamecke und dem Obersten Albedyll. 
Berlin, 2. Jan. Die heutige Provinzialcorrespondenz 
hringt die Mittheilung, daß der Kaifer bem Empfange des Staats—