Full text: St. Ingberter Anzeiger

politischen Eide aufhob und hier in Metz auch publizirt worden ist, 
haben die Witglieder des hiesigen Kreistages den von ihnen ver— 
langten Eid auf den Kaiser und die Geseße abzulegen verweigert. 
Die Sizung wurde hierauf sofort geschlossen. Man ist gelpannt, 
wie sich das Reichslanzleramt dierzu verhalten wird, Der Schritt 
ist vm so wunderbarer, da die dem Kreis/ age amgehörenden Bürger⸗ 
meister sammtlich schon seit langer Zeit vereidigt sind. Der dem 
Kreise durch dieses Verhalten seiner Vertreter eiwa erwachsende 
Schaden wird schwerlich von diesen Herren getragen werden. Vor⸗ 
eilig ist es jedoch, dem am Ende dieses Monats zusammentretenden 
Bezixkstage (sür ganz Lnthringen) ein gleich schnelles Ende prophe⸗ 
ien zu wollen. Aus unferer Kenntniß der größeren Mehrheit 
* Bezirlsvertreter glauben wir vielmehr der Hoffnung Raum 
geben zu dürfen, daß der Bezirkstag zum Wohle Lothringens eined 
ruhigen und glücklichen Verlauf nehmen wird. (Pf. K.) 
Straßburg, 21. Aug. In Colmar haben von den 0 
stereistagsm tgliedern nachträglich 6 den vorgeschriebenen Eid ge ˖ 
leistet, und ist dadurch die volle Beschlußfähigleit des Kreistage⸗ 
erreicht. 
Baer lbin, 18. Aug. Bei dem Bau der Faortifikatione 
von Metz sind augenblidlich etbva 8000 Arbeiter beschäftigt 
aus allen Weltgegenden durch die hohen Arbeitslöhne angelodt. 
Die Vollendung des Forts St. Quentin steht schon für dieses 
Jahr in Aussicht. Vor diesem Hauptford der Westfront, welches 
von den Franzosen in zu kleinem Umfange angelegt war und 
deßhalb bedeutend erweitert werden mußte, wird ein detachirtes 
Werl zur Bestreichung der Schlucht von Gravelotte, welche der 
Vtont St. Quentin nicht mehr beherrscht, angelegt. Ebenso werden 
auf der Ostfront zwei neue Außenwerke errichtet und im Süder 
besonders die Schanze von St. Privat als widerstandstüchtiges For! 
ausgebaut. 
— Der Direktor der gl. Schießschule in Spandau. Oberf 
». Kalinowsly, hatte sich vor karzem in die k. bayerische Gewehr 
jabril nach Auberg zu einer Uatersuchung darüber begeben, ol 
auch das Werdergewehr zu einer Aptirung für die Patroue des 
Mausergewehrs geeignet sei, in welchem Falle die Herstellung einen 
Finheitspatrone für das deutsche Heer erheblich beschleunigi wer 
den könnte. Die Prüfung hat ein günstiges Resultat ergeben und 
eß wird deßhalb für sämmtliche drei in der deutschen Armee dem⸗ 
naͤchst vertretenen Gewehrshsteme (Mauser · Werder⸗Chaffepotgewehr 
die gleiche Patrone angefertigt werden. 
— Im Falle Fürst Bismarck, wie nicht umwaährscheinlich, 
noch vor Beendigung der Kur des deutschen Kaifers nach Gastein 
sommt, wird wie neuerdings verlautet, auch Graf Andrassy sich 
dorthin begeben. Der Zweck, der ihn zu dieser Reife v.ranlasser 
sonnte, dürfte mit Beschlüssen zusammenhängen, die Seitens der 
Maͤchte in Bezug auf die spanischen Verhältnissen zu faffen sind. 
Berlin. Sammtlichen hoöͤheren Offizieren von der Otku 
patisnsarmee bis zu den Regimentskommandeuren abwärts sind 
vpom Kaifer bei der Rücklehr ins Vaterland Delorationen verliehen 
worden. · 
Berlhin. Dem Handelsministerinn sind von derschiedenen 
Seiten Beschwerden über die Behandlung dentscher, nach Frank 
reich eingeführtee Waoren durch die franzöfische Jollabfertigunc 
jugegangen. Das rüchsichtslose Verfahren der franzbsischen Zoll⸗ 
behörden hat schon seit längerer Zeit auch englische und belgische 
— zu Klagen veranlaßt; diesen ist aber durch besondert 
ebereinkuaft jetzt abgeholfen worden. Es stehen nach dieser Rich⸗ 
tung auch von hier aus Schritte in naher Aussicht. 
Zunm Schutze der Auswanderer wird jetzt in Bremen eine 
aeue Vestimmung getroffen, deren Wüuschenswürdigkeit sich heraus 
gestellt hat. Wenn nämlich die angeordnete ärztliche Untersuchung 
in Bremerhafen ergibt, daß eine Familie zurüdbleiben muß. oder 
wenn derselben plößlich der Ernährer stirbt, so läßt die Fassung 
des Art. 668 des Allg. D. Handelsgesetzb. Zweifel zu, ob fie 
as Ueberfahrtsgeld zurückerhalten soll oder nicht. Zur Beseili⸗ 
zung dieser Zweifel wird nun beftimmt, daß als Ort des An⸗ 
riuts der Reije der Hafen, von welchem das Scheff abgeht, und 
als Zeitpunft, des Antritts der Reise erst der Abgang des Schiffe! 
— bis dahin also der Rücdtritt vom Ueber⸗ 
ahrt⸗vertrage qus so jzwingenden Gründen immer noch offen bleibt 
Am Freitag fand in Potsdam eine Forisetzung des Vergleichs 
chiehens zwischen dem Mausergewehr und dem aptirten Zuͤndna⸗ 
delgewehr, und zwar diesmal auf eine Distanz von 1000 Metern 
stati⸗ Es ergab sich dabei die doppelte Prozentzahl Treffer für 
das Mausergewehr, dessen Ueberlegenheit über das Zündnadelge⸗ 
wehr auf weitere Entfernungen konstatirt wurde. 
Hauburq. Um 17. und 18. d. hielt dier der 8. deuische 
Journalistentag fejne Sitzungen. Aus den Verhandlungen ist her⸗ 
aee es als Ehrenpflicht der periodischen Presse aner⸗ 
lannt wurde, offenbar schwindlerischen oder unfsittlichen Anzeigen 
hie Aufnabme zu versagen. Fin anderes aber nicht zum Ab- 
schluß gebrachtes Thema war das von der Ausbeutung des Publ 
ums und der Zeitungs verleger durch die Annoncenbureauꝝ; in de 
dlagen war man einig, aber wie helfen ? Die beste Hilfe id⸗ 
in den Handen des Publilums, wenn dieses nicht gar jo bequu 
wäre. Auch bezüglich der Ausbeutung der Zeitungsverleger dure 
die telegraphische Corr spondenzbureenz kam man, wie im dvorige 
Jahre, nicht über die Klagen hinaus. 
Frankreich. 
A 
dem deutschen Geschäftstrager eine Depesche erhalten, in welqa 
derselbe Namens seiner Regierung wegen der vor kurzer Zeit 
Pont a⸗Mousson gegen friedliche deutsche Unterthanen derübte 
Thatlichleiten rellamirt. 
Paris, 20. Aug. Der Herzogz von Broglie bat von den 
deutschen Geschäftsträger eine Depesche erhalten, in welcher derselh 
Namens seiner Regierung wegen der vor kurzer Zeit in Pont 
Mousson gegen friedliche deutsche Unterthanen verübten Thällich 
leiten Beschwerde erhebt. 
— Die Beeichte, welche dim „Temps“ aus Betfort, Muh— 
hausen u. s. w. zugehen, schildern die Reise des Herrn Thien 
als einen wahren Triumphzug. Er hatte am 16. um sieben Uh 
Morgens in Begleitung seiner beiden Damen und der Frau Koöchl 
Belfort verlassen, wo ihm 5—26000 Personen das Geleit dis q 
den Bahnhof gegeben hatten. Eiun Eisenbahn⸗Inspektot erbot fi⸗ 
freiwillig, ihn nach Mühlhausen zu begleiten, damit er fich g 
der Douane nicht um sein Gepäck zu kümmern hätte. In Mon 
treur waren die preußischen Grenzbeamten auf die Kunde, wer sit 
in dem Zuge befände, auf dem Eisenbahnperron aufgestellt un 
zrüßten militärisch. In Alikirch empfingen mehrere hundert Per— 
onen Herrn Thiers mit ihrem Zurufse. In Illfurth erschien ein 
zunges Mädchen am Wagenfenster und Überteichte einen Blumer 
drauß mit den Worten: „Nehmen Sie, mein Herr, diefen Streu 
von unserem unglücklichen Elsaß!“ In Mählhaufen endlich hout 
sich an tausend Personen auf dem Perron aufgefunden. ESo 
zald der Zug hielt, brachen Alle in die Nufe aus: G 
lebe der Vejreier unseres theueren Frankreichs! Wir wer 
den Franzosen bleiben !“ Alle Hände strecten sich ihm entgegen 
Jeder wollie ihn sehen, ihn berühren; junge Mädchen brachten ihn 
Blumensträuße dar; er selbst war so gerührt, daß er kein Wor 
„ervorbringen konnte. Thränen rannen langsam über jeine Wange 
inunter und er verbarg sich in scinem Wagen, um es nicht sehet 
u lassen. — Die regierungsfreundliche Prefse ist mit diesen Vor 
gängen naturlich sehr nnzuftieden und will es nicht glauben, deh 
der Aufenthalt des Ex⸗Präsidenten in Belfort ein improd sirte 
und nothgedrungener gewesen sei. Die Wahrheit ist, daß ma 
chon jetzt ankundigt, Herr Thiers werde sich auf dem Kückweg 
in Nanch aufhalten, wo dann die Demonstrationen ohne Zwcis 
einen aoch bedeutenderen Unfang »nnehmen dürften. 
J ESchweiz. 
Baseel, 20. Aug. Den „Basler Nachrichten“ zufolge fim 
don der Hinterlassenschaft des Herzogs von Braunschweig auf der 
Benfer Handelsbauk 830 Millionen Franken vorgefunden worden 
Das liquidirte Vermögen ohne die Besißungen in Deutschland wirb 
auf 50 Millionen Franken geschätzt. Außerdem gehören zu den 
Pachlaß 3 Hotels in Paris und Immobilien in Amerika. Di— 
Bevoͤlkerung von Genf ift höchlichst erfreuut. 
Dem Frankfurter Journal berichtet man aus der Schwei 
pom 14. Aug.:: „Am 8. September werden die Herren Rolin 
G. Moynier aus Genf, Pofessor Lieb r aus Newyork, Geheim— 
rath Bluntschli aus Heidelberg ꝛc. in Genf zusammenkommen, um 
einen auf einen enger gewählten Kreis beschränkten Verein zur 
Begruͤndung eines neuen Vollerrechts zu gründen.“ 
J Spanien. 
Madrid, 20. Aug. Die Verbindungen von Barcelone 
mit dem übrigen Spauien find unterbrochen, da die Schienenweht 
ibgeschnitten fiid. 
WMadriüdh, 20. Aug. Wenn die Session der Cortes fus 
)endirt sein wird, will Casselat nach London, Berlin, Wien und 
ßKom reisen, um Verhandlungen wegen Anerkennung der spanischen 
Republik anzulnüpfen. — Eine Carlistendande hat eine Truppt 
»on 100 Republikanera dei Villala, Provinz C:udad Real, übet 
umpelt und gefangen geuommen. 
Perpihgnan, 19. August. 2400 Carlisten unter Füb⸗ 
zung von Don Alphons, Saballs und Tristany haben 3 Colonnen 
Regierungstruppen zwischen Caserras und Berga in die Fluch 
zeschlagen. Die Republikaner verloren 200 Mann und eint 
Lanone. 
— rm p— 
kZweibruden, 20. Aug. Geftern Vormittag umn 1 
Uhde wurde beim Bachreinigen im Hallbach nahe dem Schlachthau 
die Leiche eines Kindes gefunden, welches dem Setnonergebnih 
zufolge bald nach seiner Geburt dor ungefabr 2 Monaten iebend 
m'ig Wasser geworfen wurde