Full text: St. Ingberter Anzeiger

ndem er schrelbt Hätte Herr Froud mir seine Gesecschaft auf 
inen halben Tag angeboten, ich hätte ihm ein Elend, eine ver⸗ 
ommene Armuth zeigen wollen, wie sie keine europäische Großstadt, 
elbst London und Paris nicht aufzuweisen vermag. Seit dem 1. 
ipril bis zum 1. Juli d. J. sind durch die Sanitäts⸗Commission 
175 Wohnungen. als für menschliche Mesen untauglich und ge⸗ 
indheitsgesaͤhrlich durch die Polizei gewaltsam geräumt und die 
gewohner mit ihrer nackten Habe auf die nackte Straße gesetzt 
‚orden. Die Szenen, die Beschreibung. die über die Lage dieser 
inglücklichen in die Oeffentlichkeit dringt, sind haarsträubend und 
zntsetzen erregend. In einem Keller von 12 Fuß Weite und 25 
juß Länge fand die Kommission einige dreßig Personen halb nockt 
iad gänzkich verwahrlost am Boden umherliegen. Rechnen wir 
uuch nur 15 Personen im Durchschnitt auf jede dieser Hoͤhlen, so 
tgibt das 7500, und hat' die Commission ihr Werk erst begonnen 
id nur wenige der verrufensten Straßen besucht. Man wird nicht 
u hoch greifen, wenn man die Armen, das Diebesgesindel und 
daster aller Art, das in unterirdischen Löochern sein Dasein fristet, 
af 60,000 Seelen für die Stadt Neywork abucein veranschlagt. 
das Verfahren, dus die Sanitäts-Commission bei dieser Act ein⸗ 
tlägt, in wenigstens rationell, aber nichts weniger als menschlich. 
dan untersucht die betreffende Wohnung und findet man dieselbe 
jundheitsgefähtlich, so wird den Bewohnern angesagt, bis zum 1. 
mmenden Monats zu täumen. Die Polizei des betreffenden Di ˖ 
rilis erhält Ordre, auf die Ausführung des Gebotes zu achlen. 
jst nun, was in der Regel der Fall, die Räumung nicht erfolgt, 
osetzt die Polizeibehörde die Bewohner mit ihrer Habe auf die 
ztraße, vernagelt die Thüre und überläßt die Unglüdlichen ihrem 
zcicksale, diese warten ruhig die Nacht ab, erbrechen die Thüren 
ad ziehen wieder ein, dis sie aufs Neue hinausgeworsen werden. 
der Newyork Herald“ hat einen Specialkortespondenten nach 
gziledelphia gesandt und dieser beschreibt gerade in diesen Tagen 
a langen Artikela die Wohnungen der Armuth und des Lasters 
einer Weise, welche die Schilderungen des Elends in Paris von 
cugen Sue, „Mystères de Paris“ und von Victor Hugo in den 
ANiserables* weit üdbertreffen. In der Qudler⸗Ciye der Stadt 
er Bruderliebe, in Philadelphia, gibt es ganze 833 in welchen 
lausende von menschlichen Wesen ein tief unter dem Thiere ste⸗ 
endet Dasein fristen. Bettel, Raub und Diebslahl aller Art ist 
jt Gewerbe, ihre Erholung Trunkenheit und Prostiuiion. In 
jegleitung don vier Polizifien besuchte der Korrespondent über 
undert solcher Diebeshöhlen in genannter Stadt, in einzelne dieser 
ocher mußten fie sich an einem Seile unter das Straßenpflaster 
nablafsen; eine Leiter war der regulaire Eingang. Weiße und 
warze Wänner und Frauen. Mädchen im zurten Alter und Kinder 
igen halb oder ganz nadt durcheinander. Die Sonne scheint nit 
diese von Ungeziefer wimmeinden Höhlen, die Luft war vere 
eset umd anstedende Krankheiten war die Folge. Die meisten 
ieser Baraden sind von Holz erbaut und so morsch und hinfällig, 
aß das Material, aus dem Ne erbaut, in einer Auktion keine 10 
dollars bringen wurde. Und doch werden, nach dem Berichte, 
us einer solchen Hütte von der Armuth und dem Laster jährlich 
o0 bis 800 Dollar an Miethspreis herausgepteßt. Die Behoͤrde 
at iinmal 800 Injassen dieses Quartiers des Elends gewalisam 
nfernt und in Ärbeus. und Strafanstalten untergebracht, aber 
ie geräumten Nester waren, als ob handernde Vogel auf ihre 
Lesehzung gewarter hätten, gleich wieder überfüllt. Und jo glaub 
nan si machtlos dem Uebel zu steuern. Wenn aber. wie jetzt, 
e Sonne sengend vom Himmel brennt und das Thermometer 28 
t. Réaumur im Schatten zeitt und ansteckende seranlheiten allent 
Uben auftauchen, belommt der reiche Mann, für den allein es in 
usem Lande Recht und Gesetze gibt, Angst, und man rüttelt das 
ebel von Neuem auf. Ganj im Verhältniß zu dem geschilderten 
lende fleht hiet daz Verbrechen, Raub, Vtord und Todischlag 
ler Art. Jeden Morgen witd mir der Kaffee vergällt, denn 
bald man eine Tageszeitung jur Hand nimmu, fallen einem die 
sohen Ueberschriften in die Auger Mord — Mord. Raub-Mord, 
odtschlag u. j. w. In keinem Lande der Welt ist Leben und 
enthum mehr gefährdet als in Amerika. Und das Gesetz, das 
eht, die Justiz z Ia wohl, Geseß und Recht exifliren hier zu 
ande, die Moͤrder werden gehängt. — Erstens wenn man sie 
at. wie et die Narnberger halen. — Zweitens, und was die 
auptsache ist, wenn sie lein Geid oder einflußreiche Freunde haben. 
s dies lehtere der Fall, so hat e8 mit dein Hängen oder auch 
ur mit dem Verurtheilen lange Wege, einige Thatsachen aus den 
snasten Tagen moͤgen dies am besten illustriren. — Dr. West aus 
soder Delaware mordele im April d. J. einen Diener, einen 
aeger. in seiner Office. zog ihm die Hau ab, hieb ihm die Hände 
id die Fuͤße, den Kopf ab, stedte dann das Haus in Brand und 
niob, um den Glauben zu erweden, er sei in seinem Haufe 
wbiannt. Er wurde vor tinem Monat eingefangen und sein 
aei, in dem er freigesprochen wurde, ergab folgende Thatsachen 
Dr. West war 38 Jahre alt, von jeher ein excentrischer Mensch 
ind stets um Geld zu machen, in Schwindeleien verwickelt, hatte 
chließlich unter falschen Vorspiegelungen die Tochter eines immens 
eichen Grund besitzers geheirgthet, doch wollte sein Schwiegervater 
achdem er seinen wohren“: Charakter kennen gelernt, von dem 
Zchwindler-Eidam nichts wissen und verschloß ihm sein Haus und 
eine Geldkiste. Jetzt zog der Doktor nach Dover, geririe sich als 
in reicher Mann und versicherte sein Leben sür 30,000 Dollars, 
ann bemühte er sich lange vergebens, einen Deutschen, der ihm 
zis auf's Haar ähnlich sein soll, in seinen Dienst zu belommen; 
iahm schließlich den fraglichen Reger, erschlug ihn in der Absicht, 
ie Versicherungsgesellschaft zu berauben, entfloh nach Florida, wohin 
ym seine Frau mit den 80,000 Doll. Versicherungsgeld folgen 
ollte. Da diese dem Doltor zu lange ausblieb, so lkehrte er 
perlleidel und zu einem alten Manne entstellt zurück, wurde erlannt 
und verhaftet. Jetzt behauptete er, er habe den Reger aus Noth⸗ 
wehr erschlagen, während die ärztliche Untersuchung erwies, daß 
der Unglückliche sich in kniender Stellung befunden habe, während 
him von hinten mit einem Beile der Schadel eingeschlagen wurde. 
Und was geschah dem Dr. West für sein dreifaches Verbrchen: 
Abfichtlicher Mord, Brandstiftung und versuchter Betrug ? Das 
hericht sprach ihn frei! Warum ẽ fragte die Prefse, und antwor⸗ 
ete dann: Erstens hatte Dr. West reiche Verwandte, die sich zu⸗ 
etzt seiner annahmen, zweitens war er ein sehr eifriger Methodiß 
und Kirchengänger, Sund drittens konnte man einen solchen Mann 
voch unmöglich blos deshalb hängen, weil er, um sich zu bereichern, 
inen Neger erschlagen hatte. — Stockes, der den James Fisl am 
3. Januar 1872 mit ruhigster Ueberlegung aufsuchte und dann 
erschoß. lebt wie ein Gentlemana im Gefängn sse und erwartet 
einen dritten Prozeß. — Frank Walmorth, ein junger Mann, der 
die Rechte bereits studirt hat, erschoß vor 4 Wochen seinen leib⸗ 
ichen Vater, der ein geachteter Mann und in weitesten Kreisen be⸗ 
annter Schriftsteller war, aber mit seiner Frau, der Mutter des 
Moͤrders in Unfrieden und deßhalb von ihr getrennt lebte. Der 
Mörder lam von Saratoga, 200 Meilen weit nach Newyork, den 
zeladenen Revolver in der Tasche, bezog ein Holel und bestellte 
seinen Vater zu sich. Arglos und wehrloß folgte dieser der Ein⸗ 
adung, als er aber das Zimmer seines Sohnes betrat, schoß ihm 
ieser 8 Kugeln in die Brust, moch eine vierte durch? den Kopf, 
ils der Arme schon sterbend am Boden lag. Run, dieser aristo⸗ 
ratische Morder, aus einer der geachteisten Familie des Lundes 
pird doch wohl gehängt, sagte man sich. Doch nein. Der Richter 
erurtheilte ihn zu lebenslanglicher Zwangsarbei;? mit dem aus⸗ 
rücktichen Bemerlen, daß er auf seine Freilassung im Wege der 
Bnade zu hoffen habe. — So sehr nun der allgemeine Unwille 
jegen den Vatermoͤrder rege ist, so gewiß ist man Überzeugt, daß 
r in einigen Jahren wieder auf freien Füßen sein wird. Seine 
Jwangsarbeit bestht darin, daß et in Sing-Sing, wohin er vor 
3 Tagen gebracht wurde, gleich als Schreiber angestellt wurde. 
Ind zwar sicher nur durch Protektion. — Zwei arme Shlucker, 
zie in der Trunkenheit, im Streite ihre Gegner erschossen und gleich⸗ 
zeitig in der vorigen Woche mit diesem Gentlemen prozessirt wur⸗ 
zen, sind verurtheilt im nächsten August gehängt zu werden. Zwei 
indere arme Teufel sind ihnen vor einigen Wochen voraugegangen. 
das nennt man Gleichheit vor dem Giseke! 
nachrichten. 
Der Hauptlehrer F. Schwaab an der Praparandenschule in Blieslastel 
vurde auf 6 Monate in den Ruhestand versetzt, der Verweser Auq. Konrad 
in der Privatschule vom Schmalfelderhof zum Verweser an der protestantischen 
—Schule zu Steinbach, der Schuldiensterspectant F. W. Keßler von Erlenbach 
um Schulverweser an der protestant. Vorbereitungsschule zu Kandel, der 
dehrer FF, Schalda von Schweix zum Lehrer an der kathol. Schule zu Reis— 
irchen, der Lehrer K. Mathis von Neu ⸗Altheim zum Lehrer an der kateol. 
SƷchul⸗ wu Nir⸗ moke ernan 
—au wirthyrchaftliches. 
Mitgetheilt von der hoͤheren landwirthschastlichen Lehranstalt in Worms) 
Erdstren und Laubstren. Die hoöͤhere landwirthschaftliche Lehran⸗ 
lalt in Worms empfing von dem Gutsbesißer Johann Ting aus Ratheweiler 
oigenden hoͤchst interessantrn Bericht über Erdftreu und Laubftreu. Herr 
ting präparirte im Winter 1871 auf 72 zwei Duüngerhaufen und zwar in 
er Art, daß er dei gleichbleibender Futterung seinem Vieh 11 Tage lang 
rodene Erde und weitere 14 Tage lang Laub einftreute und abwechselnd 
och 3 mal denselben Versuch fortführte. Der jeweils gewonnene Mist wurde 
eder für sich allein gelegt und zur versuchsweisen Dungung eines Landes 
on vollig gleicher Vodenbeschaffenheit verwendet, das dann mit Kartoffeln 
ur Einpflanzung kam. Dag Stud des Feldet, welches den mit Erdeinstreu 
ewonnenen Misi erhalten hatte, lieferte im vorigen Jahre, berechnet auf 
inen Morgen, L1 Zentner Kartoffeln mehr, als das Stüch welches den doch 
vohl gleiche Wengen von festen Auswurfsftoffen enthaltenen Laubdünger ei⸗ 
„sangen hatte. Im vorigen Herbste wurde daßs Feld gleichmähig mit Korn 
ingesamt und der nunmehr erfolgte Ansdrusch des Korns weist für die mit 
irdeinfiren gedungte Parzelle einen Mehrertrag von 3 Itr. und 67 Pfpo. 
soggen nach. Recht viele derartiger vergleichender Verfuche durften wohl am 
hesien dahin fuhren, der den Nationalwoblstand schaͤdigenden Laubstreuwirth⸗ 
daft den Baraus zu machen. 
F. TAi verantworilichet Redacteut.