Full text: St. Ingberter Anzeiger

Leten werden jou. So wird auch aus Bern ielegtaphenn, vaßg 
in der am 28. d. zur Berathung der gegen den Bifjchosf Lachat 
zu ergreifenden Maßregel in Solothurn zusammengetretene Dioce⸗ 
sanconferenz des Bisthums Basel es zwar noch zu keiner definitiven 
Beschlußfassung gekommen, jedoch ein vollständiges Einvernehmen 
unter den Ständen von Bern, Aargau, Solothurn, Thurgau und 
Baselland über die zu treffenden Maßnahmen ezielt sei. Es han⸗ 
delt sich jetzt nur noch um definitive Redaction der im Sinne 
der bereits bekannten Anträge zu fassenden Beschlüsse. 
Was das Treiben der Bonapartistischen Pariei betrifft, so 
wird heute aus London telegraphirt, daß die von einigen Blättern 
behouptete vollständige Eintracht der Napoleoniden, der „Morning 
post“ zufolge nicht vorhanden sei. Die Partei dielmehr 
in zwei Theile gespalten, von denen die eine sich um die ver⸗ 
wittwete Kaiserin, die andrre um den Prinzen Napoleon 
schaare. Nach der „Morningpost“ würde der Letztere sich genau 
innerhalb der kürzlich gemeldeten Linie halten und nichts weiter 
beanspruchen, als die Anerkennung und Ausübung seines franzo⸗ 
sischen Bürgerrechts; in Folge dessen wäre aber auch jede Verstän⸗ 
digung zwischen ihm und der Kaiserin Eugenie und deren poli⸗ 
tischen Freunde unmöglich. — Prinz Napoleon durfte dabei im 
Auge haben, im geeigneten Augenblick zur Stelle zu sein, abgesehen 
davon, daß seine Anwesenheit in Frankreich überhaupt die Agi 
sation für das Bonapartistenthum aufrecht erhält. Thiers sieht 
zie Gefahr denn auch ein und sucht sich so gut, wie es angeht, 
dagegen zu schützen. Schwerlich dürfte er aber die richtigen Mittel 
doazu wählen. 
Frankreich 
Thiers wird wegen des Todes von Napoleon LI. 
Trauer anlegen müssen. Der Exkaiser war nämlich Ritter der 
zoldenen Vließes, und da die Statuten besagen daß für jedes 
derstorbene Mitglied Trauer anzulegen ist, so wird Thiers, wenn 
er Ritter des goldenen Vließes bleiben will, dieser Bestimmung 
Folge leisten müssen. 
Unter der Ueberschrift „Eine historische Parallele mit Monte 
Christo“ verdffentlichen die „Times“ aus der Feder eines verur 
theilten Communisten eine abenteuerliche Erzählung, wie sechs 
rommunistische Gefangene aus der Festung Port Louis au der 
seüste der Bretagne entwichen. Die Gefangenen brachten es durch 
unaufhörliche Arbeit während dreier Monate fertig, einen dreizebn 
Fuß tiefen Schacht auszutiesen, und dann einen Tunnel zu graben, 
durch welchen sie, nachdem sie die Zeit der Fluth ermittelt, wäh⸗ 
rend der Ebbe nach den nahe gelegenen Felsen krochen, und von 
dort entkamen sie glüdlich nach England. Dreihundert Gefangene 
hefanden sich in der Festurg und alle wußten was vorging, aber 
keiner verrieth das Geheimniß. — Die Schildwachen, welche die 
Flucht der drei Communisten aus dem Versailler Gefängniß er⸗ 
leichtert haben, sind verhaftet worden und kommen vor das 
riegsgerich. 
Die „unglüdlchen“ Elsässer und Loihringer bilden bekanntlich 
rine stehende Rubrik in den Pariser Blattern und der wahnwitzigste 
Blödfinn sindet ohne jede Controle Aufnahme, wenn es sich um 
eine Schandthat der „Prussiens“ handelt. Um dies in ein grelle? 
Licht zu stellen, hat ein Spaßbogel in den heutigen „Figaro“ 
das folgende Telegramm eingeschmuggelt: Frankfurt, 25 
Januar. „Heute Morgen gegen 11 Uhr hat einer der 22 el— 
jässischen Recruten, welche in das 81. Regiment gesteckt sind, seinen 
Sergeanten, Namens Linlsum, welcher ihn gepeinigt hatte, getddtet 
Als der Hauptmann, Baron v. Geilerbod,“ ihn verhaften wollte, 
hat der Recrut Rindvich aus der Umgegend von Hagenau, ihm 
jein Bajonett in den Leib gestoßen. Man fürchtet sehr für das 
Leben des Barons. Ja der Stadt unterhält man sich nur von 
dieser Affaite.“ 
Es ist fur Deutschland don einigem Interesse, zu 
wissen, daß die bei weitem groͤßte Zahl der ausgetriebenen Jesuiten 
sich hier in Frankreich niedergelassen hat; einstweilen in der Nähe 
der Grenze, aber nicht ohne das Bewußisein, hier eine dauernde 
Mission zu haben. Und da Thiers allem Anscheine nach die 
„Versoöhnung“ um jeden Preis erstrebt, da ferner seine ‚liberalen 
Ideen“ sich nur auf die aäußere Form und den Titel Republik 
deziehen, in Fragen der innern Politik aber mit den Wünschen 
der Reaction sich nur zu leicht begegnen und vertragen, so wird 
das Land wohl einer Periode des clericalen Despotismus eut⸗ 
gegen gehen. 
SEpanien. 
Madrid, 27. Jan. General Gomzales hat die Bande 
des Pfarrers von Veracruz vollstandig geschlagen, wobei 35 Todie 
und viele Verwundete auf dem Platze blieben und 20 Gefangene 
gemacht wurden. 
Amerika. 
New-⸗Yorl, 20. Januar. Ueber dis fremde Element 
in der Bevolkeruag der Vereinigten Staaten gibt die letzte Volks 
zählung einige interessante Daten. Von den 88,500 000 Be— 
wohner der Bereiniglen Staaten von Nordamerika sind 5, 500, O0 
im Auslande geboren oder gerade einer unter sieben. Von den in 
Amerika Geborenen sind Vater und Mutter von 9,734,845 Kin⸗ 
der Ausländer; 10,521,238 haben einen Ausländer zum Vater 
und eine Amerikanerin zur Muiter und 10,105,626 haben eine 
nusländische Mutter und einen amerikanischen Vater. Nur 8,000,0 00 
Amerikaner gibt es, deren beide Eltern ebenfalls in Amerika ge— 
boren woren sind. Die Einwanderer gruppiren sich in den gro— 
hßen Handelsplätzen, den Fabrik⸗ und Bergwerksbezirken im Osien, 
jolgen den Haupteisenbahnlinien durch die Binnenstaaten und ver 
breiten sich ziemlich gleichmäßig über die dichtbedöllerten Theile 
des Westens, lieben jedoch augenscheinlich die Nähe großer Seen 
oder Flüsse. Sie lieben es nicht, sich in Gebirgsgegenden anzu⸗ 
siedeln und ziehen Wälder den Prairien dor. Nach den Irländern 
die 1,858.827 Mann in den Vereinigten Siaaten ftark sind, 
haben die Deutschen unter den fremden Nationen in Amerika 
die größ:e Anzahl, nämlich 1690.410 Seelen. Sie sind haupt- 
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leren New⸗e Yerseh zu finden und haden in ganz auffallender Weise 
die neuenglischen Staaten mit Ausnahme des westlichen Connec⸗ 
licuts vermieden. Die Haupiniederlafsungen der Deutschen befindet 
sich zwischen dem Delaware und Susquehana in Pensylvannien 
auf beiden Seiten des Ohio um Cincinnati herum, den Michigan- 
jee entlang, auf dem westlichen Ufer des Mississippi in der Rahe 
von Dubuque; rings um St. Louis und Mifsouri. Die Eng⸗ 
lander, 550 204 Mann stark, und die 74,533 Walliser, wohnen 
Rößtentheils in New-Yort, Boston, Philadelphia und in den 
ztroßen Eisen- und Kohlendistrikten. 
A — — 
Die beiden Edenkobener Lateinschüler, welche vor wenigen 
Tagen verschwunden find, wurden auf der Reise nach Nordamerika 
in Cassel angehalten und ihren Eltern zurückgeschickt. 
f Von der Donnersberger Bahn. Das Schienen⸗ 
zeleise iß bereits gelegt von Langmeil bis Dreisen. Wenn bei 
m Bahn bau keine Störung vorkommt, wird hoffentlich bis Mai 
die Strecte Langmeil ⸗Marnheim dem Verkehr übergeben werden 
lönnen. — Jedoch bietet die Strecke Marnheim ˖Kirchheim des 
dettenbodens sowie der Brücke über das Pfrimmthal halber wmehyr 
Schwierigkeiten, und es koͤnnen wohl noch zwei Jahre vergehen, 
zis der Bau der Donnersberger Bihn als vollstandiz beendigt 
betrachtet werden kann. 
FHeidelberg, 28. Jan. Bei der geftern deraustalteten 
Fahrt einiger Mitglieder des Corps Vandalia nach Necarsteinach 
ereignete sich auf dem Rückweg bei der Ueberfahrt über den Neckat 
bei Neckargemünd ein beklagenswerthes Unglück. Als die Fähre, 
auf welcher sich 5 Droschken befanden, am diesfeitigen Ufer lan⸗ 
dete, erhielt die leßte einen derartigen Stoß, daß dieselbe mit ihren 
‚wei Insassen in den Fluß stürzte. Den beiden Studenten gelang 
es, sich durch Schwimmen an das Ufer zu retten. Der Kuischer 
Beorg Schmitt von Wiesenbach, und ein Pferd ertranken. Kutscher 
Wolf, der Eigenthüumer des Fuhrwerks, erleidet einen Schaden 
von mindestens 800 fl.. 
* Die Aktien der Heidelberg⸗Speierer Eisenbahn ˖ Gesellschaft 
m Betrage von 750. 000 Thlre., in Stücken zu 100 Thlr., sollen 
am 4. und 5. Februar zur Emission kommen. Der Egisffionspreis 
ist 1002 Proz., die Stüde sind vorerst mit 40 Proz. eingezahlt. 
Den Betrieb der Bahn hat die Direktion der badischen Staats⸗ 
ahnen übernommen und berechnet dafür nur ihre eigenen Aus⸗ 
lagen. Hingegen partizipirt der Staat mit der Hälfte an dem 5 
Proz. übersleigenden Rheingewinn. Wahrend der Bauzeit werden 
zie Altien mit 4 Proz. derzinst. Nach 10 Jahren ist der Staat 
berechtigt, die Bahn gegen eine zwanzigfache Abloͤsungssumme bes 
Ergelnisses de lezten funf Jahre — jedoh, üht un ter Pari — 
anzukaufen. 
Frankfurt a. M., 26. Jan. Der Consum don 
Pferdefleisch nimmi auch in unserer Stadt mehr und mehr zi. 
Es wurden seit dem kurzen Bestehen der zwei hiesigen J Pferdeschläch⸗ 
tereien in denselben 1621 Pferde geschlachtet. Da alle übrigen 
Fleischsorten fortwahrend im Preise steigen und das Pferdefleisch 
noch immer nur 6 kr. per Pfund kostet, so deht wohl ein nod 
zroßerer Consum in Aussicht. 
f In Koln find in wenigen Tagen sechs Mordanfäll J vorge 
kommen, die theilweise tödlich endeten. Auf dem Ehrenfeld fand man 
jüngst einen Arbeiter erwordet im einem Graben liegen. Der Ma⸗ 
schinenmeister einer dortigen Fabrik wurde von 3 Arbeitern am 
hellen Tage angefallen und mißhandelt und rettete sein Leben nur 
durch Gebrauch feines Revolvers. Der Wirth der vor dem E hren⸗ 
thor gelegenen ,Villa Streifler“ iß von einigen Kürassieren in 
einer Weise m ßhandelt worden, die seinen baldigen Tod zur Fol⸗ 
ge hatte, und zwei andere auf den Ehrenfeld wohnende Personen 
ind mit Messerstichen Ud l zugerichtet worden. 
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