Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Oresden, 7. Nov. Der König hat nachstehenden Tages 
befehl an die Armee erlassen: „Dresden, 5. Nov. 1878. Sol- 
daten! Durch Gottes unerforschlichen Rathschluß ist das Land 
seines Koͤnigs, seid ihr eures Kriegsherrn beraubi! In aufrichtiger 
Trauer. meines Herzens, in der ich mich mit meinem Lande und 
der Armee vereinigt weiß, ist es mir ein Bedücfniß, euch, die ihr 
in ernsten wie in guten Tagen in alter Sachsentteue ju meinein 
in Gott ruhenden Vater standet,. heute meinen königlichen Dant 
für euer disheriges Berhalten,“ gleichzeitig abet auch die feste 
Zubersicht auszusprechen, daß ihr die hingebende Treue und auft 
opfernde Thärigkeit, die ich während meiner langjährigen Kom— 
mandoführung als euer Führer zu aller Zeit, besonders auch in 
aroßen und gefahrbollen Zeiten stets an euch bewährt befunden, 
unwandelbar auch mir und dem koniglichen Hause erhalten werdel 
zu euerer Ebre, zu unseres theueren Vaterlandes Wohl. Das walte 
Gott! Albert.“ — 
Frankreich. 
Paris, 11. Nob. Der Ober⸗Kriegsrath hat die Errichtung 
dreier be verschanzten Laget zu Verdun, Belfort und Besangon 
αjen. 
Paris, 11. Rov. Die Fünfzehnerkommission der National⸗ 
perfammlung hat mit 8 gegen 7 Slimmen einen Antrag Casime 
Poriers angenommen, welchem zufolge die Abstimmung über di. 
Betlangerung von Mac Mahons Gewalt an die Vorrung der 
lonstitutionellen Gesete (der Gesetze, welche die Staatsversassun⸗ 
fesistellen, insbesondere die Zusammensetzung der Volksvertretung 
die Wahl derselben und des Präsidenten rormiren sollen) gelunden 
sein soll. die Abstimmung über die letzteren aber für bie erst 
Hälfte des Januar sicher gestellt werde. (Das ist's nun gerade 
was die Rechte und Mac Mahon nicht woden: diesen ist es le 
diglich um die Berlängerung der Gewalt Mac Mahons zu thun 
nicht aber um eine endgiltige Verfassung für Frankreich, da sie Ja 
die Republik nicht mögen und die Monarchie im Augenblick nich 
haben koͤnnen. Es lommt nun darauf an, ob die schwache Mehr. 
heit in der Commission auch im Plenum der Nationalversammlung 
die Mehrheit findet, (Pf. K. 
Versailies, 12. Novb. In dor Fünfzehner⸗Kommission 
modifizirte Casimier Perier seinen Antrag, die Abstimmung über 
die Verlängerung der Gewalten Mac Mahon's betr., dahin, daß 
ex die Verlängerung der Gewalten auf 5 Jahre nach dem nächsten 
Zusammentritl der Nationalversammlung deantragte. Die Rechte 
hielt ihren Antrag betreffs Verlängerung der Gewalien auf ic 
Jahre aufrecht. Bei der Abstimmung wurde der Antrag Verier'⸗ 
mit 8 gegen 7 Stimmen angenommen. — 
..Paxit, 13. Nor. Das Zuqhtpolizeigericht von Versailles 
hat den Obersten Stoffel wegen veleidigung des Generals Riviere 
in der Sitzung des Kriegsgerichts vom 4. ds. zu drei Monaten: 
Gefängniß und Tragung der Kosten verurtheilt. 
—. Der Moniteur universel“ wil wissen, man sei einer 
demagotischen Liga auf die Spur gelommen, welche von Genf aue 
eine Revolution in Südfrankreich anzustiften versucht hätte und der 
mehrere südwestliche Gemeindeverwaliungen Geldmittel aus ihren 
Bemeindefonds zur Verfügung gestellt hätten. Positive Beweis⸗ 
für diese Angabe werden abzuwarien sein. 
Verfsailles, 11. Noo. In der Nationaldersammlung 
brachte Pascal Duprat, von der Linlen, ein Amendement ein:: ei 
verlangt Prollamitung der Nepublik und deren Ratification durch 
eine Vollsabstimmung. 
.. Grozeß Bazaine.) Versaillet, 7. Nov. Der 
heutigen Sitzung sah man mit Spannung entgegen. Es handel 
fich näamlich um die Depesche, welche Huime, ein sehr geachteler 
und musterhaft patriotischer Spinnereibesitzer von Sedan, nuch 
Raucourt gebracht und dem Marschall Vac Mahon Ubergeben 
haben will. Diese Depesshe lautete, wie Hulme vor dem Bericht- 
erstatter ausgesagt, ungefähr folgendermaßen: „Wir sind nur schwach 
umgeben; wir lonnen durchbrechen, wann wir wollen, und wir 
erwarten Sie.“ Diese Depesche will Mac Mahon nicht empfangen 
haben; auch Bazaine hal keine Kenntniß von derselben. Sie wurd 
bon Thionville durch den Proturator der Republit (damals den 
Kaiserreichs) von Saargemünd, Lallemant, der vor den Deuischen 
die Flucht ergriffen hatte, nach Sedan and von dort durch Hulme 
⁊d Raucourt gebracht. 
Hulme wird aufgerufen. (Allgemeine Erregung.) Der Zeuge 
hat ein sehr offenes Mussehen und spricht mit äußerster Klarhei 
und Bestimmtheit. Er ist sehr einfach gelleidet und macht alige⸗ 
mein einen guten Eindruck. Es war am 29. Auguft 1870, Mor. 
gens 8 Uhr, alst man ihn nach der Citadelle kommen ließ. Er 
erstatiet genauen Vericht über seine Reise. Unterwegs in Mouzon 
jand er nicht die Pferde, welche er beftellt hatte; er wandie fich 
4aher an einen General, der ihm durch die Vermituung des 
jan zu geeinet Zen mu dem Raiser ein. Mus juu Pac Mahon 
war noch nicht angelommen. Er ließ fich zum Kaiser führen, der 
ihm sagte, er möchte die Depesche zu Mac Mahon bringen, und 
degab sich dann zum Marschall, der inzwischen angekommen war 
Der Marschall, der die Depesche las und sie ihm dann zurückgab 
schien nicht betroffen zu sein und fragte ihn über die Wege nach 
Montmedy aus. Der Marschall brauftragte ihn, Lebensmitiel 
nach Mouzon zu schaffen. Die Depesche, die er behalten, derbr annte 
er am 3. aus Vorsicht, als die Preußen am 31. in Mouzon ein 
marschirten. Er sah am 29. den Marschall im Ganzen dreimal 
das erste Mal, als er ihm die Depesche überbrachte, das zweite 
Mal, als er mit ihm von den Lebensmitteln sprach, hund a?] daß 
Mal, als et ein Pferd von ihm verlangte, um nach Sedan zurück 
zufahren. Den Kaiser sah er auch zwei Mal. Gegen 5 Uhe 
berließ er Raucourt auf einem Bauernwagen, den er aus Vorficht 
requirirt hatte. Am nächsten Tage hatte er eine große Menge 
von Lebensmitteln zusammengebracht, wie ihm der Marschall be 
fohlen. 
Praͤs.: Sie kamen am 29. eiwas nach 12 Uhr in Raucour 
an. — Hulme: Ja! Ich sah sofort den Kaiser und dann dem 
Rarschall. Präs.? Sie behielten die Depesche? — Hulme: Ja! 
Der Marschall gab sie mir zurück. Praͤs.: Wissen Sie, ob di⸗ 
Depesche datizt war ? — Hulme: Sie war niqht datirt; fie trug 
die Unterschrift des Obersten Tuenier (von Diedenhofen). Praß. 
Zennen Sie den Inhalt der Depesche? — Hulme:Nticht meht 
Jenau. Er wiederholt die Depesche, wie oben angegeben. Reg.Kom 
Sprach Ihnen der Marschall oon Montmedy — Hulme: Ja. 
Reg. Komm.: Wer gab Ihnen den Befehl. Lebensmittel nach 
Montmedy zu schaffen? — Hulme: Der Marschall. Wir drächten 
Asles nach Moutmedy. Verth.: War Laposse bei dem Marfchall 
als Sie bei demselben waren? — Hulme': Ja! Aber nur erß 
als ich ihn das zweite Mal sah. Verth. verlangt, daß man die 
Aussagen des Marschalls vortrage. Präs.: Ich wollte dies soeben 
anordnen. Die Aussagen, welche der Marschall vor dem Unter 
juchungsrichter machte, werden nun von dem Gerichtsschreiber vor 
zelesen. Aus denselben geht hervor, daß der Marschall fich nicht 
erinnert, die in Rede siehende Depesche empfangen zu haben und 
Hulme zu kennen, den man ihm gegenüberstellt. (Große Erregunt 
im Saale. Daß Bazaine sich an Manches nicht erinnert, gilü 
als Kapitalverbrechen von ihm; bei Mac Mahon ist Das eiwas 
Anderes.)... Potier, Handlanger, sah Huline Lam 30. in 
Mouzon, wie er mit mehreren Generaͤlen, darunter Mac Mahon, 
sprach. Der Landwirth Sternaux bestätigte diese Angaben. Mac 
Mahon kam am 30. in Mounzon an, und er sah, wie dieser — 
e standen auf einer kleinen Anhöhe — mit Zulme sprach. (Große 
krregung.) Der Zeuge Hulme wird nuu wieder vorgerufen. Praäß. 
Sahen Sie den Marschall Mac Mahon am 30. — Hulme: Jal 
ich sprach mit ihm; er befand sich auf einer kleinen Anhöhe und 
war von mehreren Generälen umgeben. General Lallemand einet 
der Richter und Neffe von Thiers); Wie irugen Sie damals Ihret 
Dart ? — Hulme: Wie jetzt. GHulme hat nur einen Schnurrbari) 
Chabaud Latour: Sie hatten damals nicht ihren ganzen Bart! 
— Hulme: Nein, ich wug nur einen Schnurtbart. Späater ließ 
ich meinen ganzen Bart wachsen. Ich ließ ihn gestern abrasiren, 
damit ich heute sei, wie am 29. (Große Erregung in der Versamm⸗ 
lung.) Der Präsident hebt hierauf die Sitzung auf 20 Minulen 
auf. Alle Welt beschäftigt sich mit den Aussagen Hulme's die 
in jo grellen Widerspruch mit denen siehen, welche Marschall Mat 
Mahon vor dem Untersuchungsrichter abgab. 
In der Nachmittagssitzunug vom 7. Nov. wurde mit dem 
Verhoͤr der 4. Zeugenkategorte (Operationen vor Metz bis 1. 
September) begonnen. Zunächst wurde General de Cofftniéͤres, 
der Gouberneut von Metz wahrend des Krieges, vernommen. Die 
Koͤln. Zig.“ berichtet über dessen Aussagen: Er erklärte, daß 
ihm zufolge die Rolle der Armee darin hätte bestehen müfsen, vor 
Meß zu bleiben, um die Verdindungen des Feindes mit Deunschland 
ju bedrohen. Man haätte nur entschlossener handeln müssen, als 
nan gethan hat. Der Marschall Bazaine hat ihm nur von den 
Depeschen des Marschalls Mae Mahon geiprochen. Er proiestiꝛt 
dagegen. daß er gesagt, daß Met ohne die Arme keine 14 Tage 
sich halten könne. Darum befragi, ob der Marschall im Kriegt⸗ 
rath dom 26. August von der Edalonfer Armee gesprochen, ant⸗ 
wortete der General, doß von dieser keire Rede gewesen sei. — 
Nachdem der Grefffier hierauf die Aussage des Genera's Soleille, 
der dbelantlich krank ist, vorgelesen, wird der Oberft Vasse St. 
Duen, dessen Generalstabschef. vorgerufen. Derselde konflatirt, 
daß die Armer nach dem 22 mit Munitions⸗Vorräthen versehen 
worden sei, daß, wenn sie sich auch nicht in so gutem Zu—⸗ 
dande befunden habr wie am 14., ihre Vage doch keine 
ne gewesen sei. Dir Kommandant Sers konstatirt Aehn⸗ 
iches.