Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Anzeiger. 
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M 191. — Samstag, den 6. Dezember . J 1873 
Deutsches Reich. 
Mäünchen, 1. Dez. Das kol. Staatsministerium des kgl. 
hauses und des A⸗ußern, dann der Finanzen haben 1) einen Ge⸗ 
etzentwurf „betreffend die Einrichtungen der im Betrieb besindlichen 
zayerischen Staatseisenbahnen“ und 2) einen Gesetzentwurfe,be⸗ 
reffende die Vervollständigung und Erweiterung des Telegraphen- 
Petzes nebst Motiven bei der Kammer der Abgeordneten in 
Vorlage gebracht. 
Mänchen. Das Ministerium des Inneren hat berühlich 
er Reichstagswahl verfügt, daß die Wählerlisten am 11. Dehbr. 
rufzulegen sind. 
Mänchen, 1. Dez. Von der Sitzung der Kammer der 
Abgeordneten vom 26. Nov., in welcher der Antrag der Abg. 
Dr. Gerstner und Herz in Bezug auf die Reichstags Diätn Frage 
jur Berathung und Beschlußfossung gelangte, sind nach Ausweis 
des stenographischen Berichtes shne Entschuldigung weggeblieben 
die Abgeordneten Aschenauer, v. Hörmann, Jos. Ant. NKasiner, 
inateder, Lugscheider Oertel, Prestele und Richter. Der Adge⸗ 
exdnete Neuper war zwar in der Sitzung erschienen, entfernte sich 
aber, ohne die Anst'mmung abzuwarten, aus dem Saale. Es 
erscheint uns als eine Pflicht der Presse, die Wähler über solche 
Borfommnisse zu unterrichten, damit sie erfahren, wie ihre In— 
eressen durch die Männer, denen sie ihr Vertrauen geschenkt haben. 
pertreten werden. 
Berlin, 2. Dez. Die „Kreuzzig.“ bringt ebenfalls die hiesigen 
Blättern entnommene Erzählung eines angeblich zwischen den 
hentralen von Manteuffel u. v. d. Groeben am Sonnabend sia tg⸗ 
undenen Duells, fügt dann aber hinzu: „Wir unsererseits bemer⸗ 
sen zu dieser Erzählung, daß di selbe jedes thatsächlichen Anhalts- 
punktes enthehrt. Zwischen den beiden genannten Generalen hal— 
kein Duell stattgefunden. Vielmehr sind, wie man hört, die zwischen 
Beiden vorhenden gewesenen Differenzen vollständig ausgeglichen 
vorden und zwar in einer Weise, die ein sehr anerkennenswerthes 
kntgegenkommen des Generals v. Manteuffel bekundet hat.“ 
Berhin, 8 Dez. Abgeordnetenhaus. Bei Berathung des 
Anttages des Abg. Bernardt auf Aufhebung der Kalender und 
eituugsstempelsteuer erllärt der Finanzminisser daß die Regierung 
ei dem Reiche die Aufhebung der Kalender und Zeitungsstener 
ꝛantragt und Fürsorge getroffen habe, daß inzwischen in keinem 
anderen deutschen Staate die Zeitungssteuer wieder eingeführt oder 
die. Inseratensteuer aufgenommen werde. Eine gründliche Erledi⸗ 
ung der, Augelegenheit sei nur durch den Reichstag möglich. 
detreffs der Repressibmaßregeln gegen die Presse möge man br— 
denken, daß eine zügellose Presse Gefahren bringe, denen entgegen⸗ 
utreten sei. — Nachdem Virchorv, obschon er für den Antrag ist, 
achgewiesen, daß die vom Centrum gemeinte Preßfreiheit auf die 
Jensur hinauslaufe, wird die Debatte geschlossen und der Ankrag 
—XRVV 
Berlienn. Die „Prov. Corr.“ sagt, der Reichstag werde 
nahrscheinlich im Februar zusammentreten. 
I Frankreich. 
Paris, 1. Dez. Der Minisserraih beschloß in Gemäß- 
eit des Armeegesetz s den zweiten Theil des Kontingentes, mit 
ussen späterer Einberusung sich der Kriegsminister im Hinblick 
nif die finanziellen Schwierigkeiten einverstauden erklärt halle, ein⸗ 
uzehen. 
Paris, 2. Dez. Mac Mahon hat dem Kaiser von Oester⸗ 
ich zu dessen 25jährigen Regierungsjubiläum ein Glückwunsch⸗ 
hreiben geschickt. — Dem „Jourual de Paris“ zufolge wird der 
zherige Gesandte in Washington. Marquis de Noailles, wahr⸗ 
heinlich durch den ersten Selretär bei der Botschaft in Peters⸗ 
urg, Bartholdy, ersetzt und die Botschaft in London dem Grafen 
jarnac angeboten werden, wenn Larochesoucauld bei seiner Wei— 
jerung sie anzunehmen beharren sollte. (T. R.) 
Paris, 4. Dez. Den gestrigen Tag ging das Gerüchte 
Narschall Basaine hälle die Flucht ergriffen. Diese Ente hatte 
tbue Konsistenz gewonnen. daß dieselße bon mehbreren Rläuern 
mitgetheill wurde. Es ist unndihig, duf die Absurdilät derselben 
hinzuweisen. 
— Die elsaßlothringische Gesellschaft wird auch heuer einen 
großen Chriftbaum in ihrem Vereinslokale aufstellen und ist ein 
Aufruf an edle Menschenfreunde zur Beisteuer ergangen. Im 
llebrigen ist es noch lange nicht gelungen, alle Emigramten zu 
placiren und sind dieselben gezwimgen, 35 an die össentliche Mild⸗ 
hätigkeit zu wenden. — Herr von B..n, der im ganzen Mo⸗ 
elthal für seine Wohlthätigkeit bekannt ist, hat in letzter Zelt nicht 
veniger als 232,000 Fr. vertheitt. Em solcher Aki ist um so 
nehr zu loben, da die Güter dieses Herrn, die groͤßtentheils bei 
Metz gelegen sind, lange nicht mehr das einbringen, wie es vor 
em Kriege der Fall rar. Seine Frau wird von den Loihringern 
Votre dame de Bon Secours geheißen und ist seine Wohnung 
zestaändig von seinen ausgewanderten Landsleuten heimgesucht. 
Trianon. Sitzung vom 3. Dezember. Ein großes Audi⸗ 
orium wohnt der Sißung vei. Das Requisitorium des Regie⸗ 
ungscommissärs, General Pourcet, hat begonnen. Es heißt darin, 
ine genaue und gewissenhafte Untersuchung habe ergeben, daß alle 
AInklagepunkte gerechtfertigt seien. Hierauf wird zu allgemeinen 
Betrachtungen übergegangen und eine Parallele zwischen Mac 
Mahon und dem Angeklagten gezogen. Ersterem wird ein über⸗ 
chwängliches Lob gespendet und Letzterer für Alles verantworklich 
zemacht. In allen Gesetzgebungen seien die Capitulationen auf's 
Unbarmherzigste bestraft, das übrigens als Princip geltende Gisetz, 
yas hierduf hinzeige, müsse hier in Anwendung gebracht werden. 
Das Requisitorlum versteigt sich alsdann in die römische, mittel⸗ 
Aterliche und moderne Geschichte und verirrt sich manchmal in ora⸗ 
sorische Effekte, die sehr wenig mit dem Kern der Sache zu thun 
haben. Da die Stimme des Commissars durchaus nicht für eine 
solche Rede geeignet ist, so machen manchmal gewisse Passagen 
des Requisitoriums einen ganz besonderen Eindruck auf das Au⸗ 
ditorium. Im Uebrigen folgt dosselbe dem Rapport Schritt für 
Schritt und glauben wir unsere Leser auf denselden hinweisen zu 
müssen. Der Redner ist so ermüdet, daß die Sitzung zweimal 
unterbrochen werden mußte. 
Versail les, 80. Noeb. Morgen werden die letzten 
Zeugen im Prozeß Bazaine vernommen. Uebermorgen wird keine 
Sitzung stattfinden, um dem speziellen Regierungskommissär, General 
Pourcet, die Zeit zu gestatten, an sein Requisitorium die letzte 
)and anzulegen. Es soll 520 Seiten lang sein. Ter Vortrag 
dieses Altenstücles wird wahrscheinlich zwei Tage in Anspruch 
nehmen, so daß Lachaud Freitag das Wort erhallen wird. Der— 
selbe wird wahrscheinlich drei Tage, nämlich Freitag, Samstag 
und Sonntag (das Kriegsgericht wird von Mittwoch an jeden 
Tag Sitzung halten) nöthig haben, so daß das Urtheil Montag 
oder Dienstag gefällt werden wird. Der Vertheidiger des Mar— 
schalls, Advolat Lachaud, erhielt ein Exewmplar des Buches, welches 
in Berlin über die Operationen der Armee des Prinzen Friedrich 
Zarl erschienen ist. Dieses Exemplar ist mit Randbemerkungen 
bersehen. Ein ähnliches Exemplar erhielt Herzog von Aumale, 
der Präsident des Kriegegerichts. Wie es scheint, weiß man nicht, 
wer die Exemplare zugesendet hat. Wie das Urtheil gegen den 
Marschall ausfallen wird, läßt sich bis jetzt noch nicht sagen. 
(Koͤln. Zig.) 
Versailles, 3. Dez. In der Nauonalrersammlung 
sragt Limperani, an die Nachricht von dem Untergaͤnge des 
Dampfers „Ville du Havre“ anknüpfend, den Marineminister, ob 
das geltende Schifffahrts Reglement zur Verhütung von ESchiffs- 
unglücken genügend sei, oder ob es sich nicht empfehlen würd⸗, 
zine internationale Vereinbarung in diesem Betreff zu erstreben. 
Der Marineminister antwortet, die Wissenschaft sei noch wicht im 
Stande, allen Unglüchen vorzubeugen. Die „Ville du Havre“ 
jabe alle Vorschristen de obachtet. Et stehe übrigers mit England 
in steter Verbindung, um Mittel zur Verhümung von Zusammen- 
ißsßen ausfindig uu wachen. Faures verlangt di. GFinsekung ⸗ein⸗