Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Anzeiger. 
Der St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal woͤchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei 
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M 163. Samstaa, den LA. Oetober 1876. 
Deutsches Reich. 
München, 11. Ott. S. M. der Koͤnig ist gestern Nacht 
um holb 2 Uhr von Sqaloß Berg kommend. in hiesiger Residerz 
eingetroffen und wird heute Nachmittag die Aussiellung besichtigen. 
Die auf vorgestern Abends bereits angesagte Ankunft Sr. Majestäl 
wurde um einen Tag verschoben. 
Der k. preußische Staais⸗ und Handelsminister De. Achenbach 
ist am 11. Oklt. in München angekommen und im ‚Hotel Na— 
tional“ abgestiegen. 
Baden-Baden, 11. Olt. Der Konig von Griechenland 
ist hier eingetroffen und wurde am Bahnhof von dem Kaiser Wil⸗ 
helm und dem Großherzog von Baden empfangen. 
Aussand. 
Paris, II. Ott. Senat und Deputittenkammer sind auf 
den 30. Oltober einberufen. 
Paris, 11. Olt. Die „Agence Havas“ verdffentlicht fol— 
zendes Telegramm aus Konstantinoßel vom 10. OÖktt. Abends: 
In dem heutigen außerordentlichen Ministerrathe machte sich anfangs 
eine lebhäfte Opposition gegen einen Waffenstilltksand geltend. Schließ 
aich erkannie der Ministerrath an, daß ein Waffenstillstand von 6 
Wochen wie er verlangt wird, wegen der kurzen Dauer ernstie 
Zefahren für die Türkei in sihh berge für den, wenu auch unwahr- 
scheinlichen Fall, daß die Verhandungen scheitern sollten. Tie 
Pforte hat auf alle Fülle beschlossen, den Mächten die Bedingungen 
mitzutheilen, unter welchen sie in einen Waffenstillstand von 5 nder 
ʒ Monaten, willigen würde, welcher ihrem Dafürhalten nach einen 
dreifachen Vortheil für sie, die Türlei haben würde. Erstens: die 
Pforte könnte in der Zwischenzeit den lebhaft aufgeregten mosle⸗ 
mitischen Fanatismus beruhigen; zweitens: die Pforte besände sich 
nicht in der Lage, die Feindseligkeiten in einem Augenblick wiedet 
aufzunehmen, wo die Witte ung die Operationen erheblich erschweren 
wird; endlich drittens: diese Frist wuürde rs erleichtern, über die 
Friedent bedingungen und die allgeme'nen, im Reiche einzusührenden 
Reformen zu einer Einigung zu gelangen. — Die Miittheilung 
dieses Beschlusses au die Botschafter wird morgen erfolgen. 
Aus Rom, 10. Ott., wird der „N. Fi. Presse“ gemeldet! 
Die von hiesigen Blältern gebrachten Ausstreuungen über einen 
angeblich gehe men Vertrag zwischen Deutschland und Rußland und 
der augeblich an Italien ergangenen Aufforderung, sich demselben 
anzuschließen, beruen auf Erfindungen; nicht minder die Veldung, 
»oß der russische Gesandte Urxküll eine Unterredung mit Herrji 
Melegari gehabt, in welcher er Letzteren aufgefordert habe, einen 
Fongreß in Vorschlag zu bringen. 
London, 11. Okt. „Reutec's Bureau“ meldet aus Belgrad 
von heute: Der serbische Ministerraih beschloß, eien regelrechten 
Waffennillssand anzunehmen, sobald die Consuin der Mächte e.nen 
ꝛezüglichen Antrag stellen. 
Ragafa, 11. Ott. Derwisch Pascha drang über Sputz in 
Lontenegro ein und bomdadirte Martinici. (Sr. 3.) 
Cettinuje, 11. Oklt. Gestern wurden aus Grahodo 17 
iürkische Gefangene hierhetr gebracht. Von den Truppen des Woy⸗ 
voden Dakfowics wurde nicht blos Ljubinje, sondern auch alle 
ürkischen Dörfer des Ljubinjer Bezirkles niedergebrannt. Dabei sind 
1500 Türken gef len und in ihren Häusern perbrannt. Der Ver— 
ust der Montenezriner beirägt 1830 Pann an Todten und Verwundeten. 
Belgrad, 11. Okt. Die serbische Regierung erklärte durch 
hre Preßleitung, sie werde die sechsmonatliche Wafsentuhe, welche 
)ie Pforte vorschlug, nicht acceptiren. Deun die Türker werde in 
pieser Zwischenzeit alle ihre Streitmassen vereinigen, um Serbien zu 
rdrücken, und letztetes ginge aller C. ancen detlastig, du ihm ein 
Winterfeldzug berspreche. 
Konstantinmopel, 11. Ott. Wie d'ie „Agence Havas“ 
nesdet, sind die Bedengungen des gestern gewährten sechsmongllichen 
VWaffenstillstandes heute den Mächten mitqetheilt worden. 
Peltersburg, 8. Okt. Hier hertscht große Verstimmung 
zegen Deutschland, weil man Gewißhe't erlangte. daß üch dieste in 
der leßten d'plomatischen Phase auf die Seite Oesterreichs gestellt 
hat. Man argumentirt hier, daß diese Parteistellung, sowie die 
Englands von großem Einflusse auf die abiehnenden Entscheidungen 
bezüglich der Sumarokoff'schen Vorschläge gewesen sei. (N. W. T.) 
Ueber die russischen Kri— 64reitungen der— 
lautet Folgende. 
Wie die „Donische Bühne? meldet, maschirte am 28. d. M. 
die 41. Artillerie-Brigade, welche in Zostar am Don in Garnison 
jag, von dort aus iit der Bestimmung nach dem Kaukasus. 
In der Kanonengießerei zu Permsk wird in letzter Zeit mit 
doppelter Energie gearbeitet. Die Garnison von Sebastopol soll 
demnächst bedeutend verstärkt werden' und wird, um geeignete Räum⸗ 
ichkeiten zur Aufnahme der einrückenden neuen Truppen zu gewinnep, 
das Gebäude der dortigen militärisch- technischen Schule geräumi 
verden. ⸗ 
Der Kommunikations. Minister Passet inspizirt gegenwärtig die 
kisenbahnen und wird auch den befestigten Platz Dunaburg be⸗ 
uchen. — Die Festung Kronstadt wird gehörig in Stand gesetzt, 
»esgleichen Pezakow, welches mit Krupp'schem Geschütß größten Ka⸗ 
ibers versehen wurde. 
„Die Pferde:Konfkription findet in allen größeren Städlen und 
wuf dem Lande statt — Die Bevölkerung der an die Tuͤrke gren⸗ 
enden Bezirke wurde bereits theilweise bewaffnet. — Kriegsministec 
Mitjalin und General Fürst Masalsky inspizirien jüngst Sebaftopol. 
Die donischen Kosaten, Offiziere wie Soldaten, mit eigenen 
Voffen und Pferden, melden sich massenhaft bei den betreffenden 
domitees, um als Freiwillige nach Serbien geschidt zu werden. Be⸗ 
zeutende Sendungen von Pelz und sonstigen Winterkleidern werden 
ast täglich aus allen Gegenden Rußlands nach dem Kriegsschauplatze 
xpedirt. Geldsammlungen zu Gunsten der Serben werden jetzt 
ogar in Sibirien unter den dortigen Arrestanten veranstaltet. 
Seit ewa 8 Tagen find auf russischer Seile die nach Königs⸗ 
berg bestimmten Züge bedentend eingeschräukt, indem auf höheren 
Befehl die Wagen zu militärischen Transporten nach dem Innern 
)es Reschs verwendet werden. Den Bahnbeamten in Eydtkuhnen ist 
eindeß mitgetheilt worden, daß diese Aenderung nur vorübergehend 
und auf den Verkehr nicht besonders störend wirken soll. 
Der „Deutschen Ztg.“ schreibt man „von der russisch galizischen 
Brenze“: „Die russischen Truppenbewegungen an der galizischen Grenze 
sind nunmehr eine nicht zu bestreitende Thatsache und treten mit 
sedem Tage offenkundiger auf. Marschbewegungen, deren Ziel Ge— 
zeimniß bleibt. werden fast käglich unternommen, Konzentrirungen 
irden in auffallig planmäßiger W.ise statt, Winterquartiere werden 
jart an der össerreichischen Grenze bezogen. Urlauber und Reservisten 
ücken in alle bedeutenderen Garn'sonsstadte ein. Im Zamoscier 
kreise wurden alle Urlauber und Reservisten für den 4d., nach 
Zamosc beschieden. Kein Wunder, daß angesichts solcher ungewöhn⸗ 
icher Rührigkeit in militär'schen Kreisen überall offen vom baldigen 
Ausbruch des Krieges gesprochen wird. Aus dem Husiatyner Grenz⸗ 
»ezirk laufen täglich beunruhigende Nachrichten ein, von Brody aus 
ignalisirt man fotwährende Militärbewegungen. In Radziwillow, 
Dubus, Olschowczik, Kosminczik und Jatoidince dis hart an die 
»olnisch · galizische Grenze beziehen ansehnliche Truppenmossen ssabile 
Quartiere, Artillerie und Kaballerie rücken in ungewöhnlicher Stärke 
n die Grenzgegenden ein; die kleinen jüdischen Städtchen sind mit 
Militar vougepfropft, Generale und Stabs offiziere logiren in elenden 
Hütten. Am 5. Oktober wurde in die Grenzgegenden das 12. rus— 
ische Dragonerregiment beordert und sind dessen einzelne Eskadronen 
in den fast unmittelbar an Oesterreich, grenzenden Ortschasten ein— 
Juartitt. Reisende aus Kongreßpolen erzählen, es sei in der Pic— 
vinz eine Kavalleriemasse von mehr als 80.000 Maunn stationirt. 
Der Durchzug der Freiwilligen, welche aus Rußland nach Serbien 
ach begeben und Szczakowa berühren, wird mit jedem Tage starker. 
Am 5. Okteber passirte die Grenze eine volle Waggonladung von 
Soldatenmänteln und sonstigen für einen Winterfeldzug berechneten 
quipirungsgegenständen.“