Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberker Anzeiger. 
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M 49. Donnerstag, den 29. Mazz 1377. 
— 
Deutsches Reich. 
München, 83. März. De Absicht unserer Stauts- 
cegierung, die erledigten Bischofssitze von Würzburg und Sp yer 
»is auf Weiteres nicht zu besetzen, nachdem die von S. M. dem 
dönig für beide Diöcesen ernannten B schöfe in Rom bekanntlich 
heanstauder wurden, hat, wie man hier vernimmt, im Valican 
irnste Beforgnisse erregt. Es wurde denn auch der Nuntius dahier 
heauftragt, Schritte zu thun, daß die bayerische Staatsregierung zu 
anderer Ansicht gelangt und neue Bischofskandidaten aufstelle — 
allein der Herr Nuntius konnte bisher nicht den geringsten Ecfolg 
erzielen, und so werden voraussichtlich die beiden Diocesen jeden⸗ 
jalls noch für längere Zeit „verwaist“ bleiben. 
Die „Frankfurter Zeitung“ Nr. 82 berichtet in einem Leit⸗ 
artikel die finanziellen Verhältnisse des deutschen Reiches unter 
Berücksichtizdzung der Etatsvorlage pro 1877,/78 und sagt zum 
Schlusse: „Vorerst sehen wir unz mit einem eigeren Einnahme⸗ 
Etat von 328,2. Millionen einem Bedürfnißstande von 542,9 
Millionen gegenüber. Diese beredten Zeiffern geben uns Anhal⸗ 
„ankie dafür, wie sich in künftigen Jahren unser Etat etwa gestalten 
wird. Mag es auch gelingen, einen Theil der außerordentlichen 
Ausgaben in Wegfall zu bringen, sehr groß wird die Ersparniß 
)aum wohl sein. Zwischen Ausgaben und Einnahmnen fehen wir 
hier einen Unlerschied von 214,6 Millionen, während wir im 
Jahre 1876 nur 71,6 Millionen mittelst Matrikularumlagen auf⸗ 
zebracht haben: Gelingt es daher nicht, die Ausgaben sehr be⸗ 
deutend herabzumindery, oder namhafte weitere eigene Reichsein⸗ 
nahmen zu schaffen, so werden wir bald noch ganz andere Summen 
mittelst der so wenig beliebten Mattikularumlagen aufbringen 
müssen, als diejenigen, welche das gegenwärtig dem Reschstage 
ooxliegende Budget den einzelnen Staaten ansinnt. Wie so kommt 
es nun, daß in der anfangs so günstigen Finanzlage des Reichs 
im Verlaufe weniger Johre ein so wenig erfreulicher Umschwung 
ringetreten ist? Die Erträgnisse indirelter Steuern sind bis Ende 
1876 nicht zurückzegangen; sie sind seit 1872 sohar noch aprsehnlich 
gestiegen. Die Ueberschüsse der Eisenbahnen, des Post; und Tele⸗ 
graphenwesens haben sich gehoben, der Antheil am Gewinn der 
Reichsbant ist neu hinzugetreten. Die Autgaben in der allgemeinen 
Reich sverwaltung haben sich nur wenig vermehrt. Es sind zwar 
einige neue Reichssämter errichtet worden, aber die Erhfordernisse 
derselben kommen bis jetzzt nur wenig in Betracht. Der ganze 
Unterschied liegt in den enorm gestiegenen Bedürfnissen der Militär⸗ 
derwaltung. Gehen wir nur auf das Jahr 1874 zurück. Das 
Ordinarium des Militäretals betrug in diesem Jahre 267,1 Piil- 
lionen, 1875: 312,9 Mill., 1876: 316,2 Mill. 1877: 325,4 
Millionen. Seil vier Jahren hat demnach das Ordinarium sich 
erhößt um 58,8 Millionen!; Gleichzeitig finden wir in demselben 
Zeitabschnitt folgende Exiraordinarien: 1874: 80,8 Mill., 1875: 
465 Mill. 1876: 85,9 Mill. 1877: 52 Millionen. Also wiederum 
eine Zunahme von 21,2 Millionen gegen 1874. Ordinarium und 
Frtraordinar um haben sich zusammen in vier Jahren um 79,5 
Millionen erhöht. Nehmen wir die gesammten Ausgaben für 
Militar, Marine, Militär- und Invalidenpension zusammen, so 
lommen wir unter Ausscheidung von 21,8 Milltonen, welche 1877 
als nachträgl'che Kriezskosten berechnet sind, zu folgendem Ergebnisse: 
1874: 410,6 Mill., 1875: 489,9 Mill., 1876: 430,1 Mill., 
1877: 479,8 Mill onen. Nur das Jaht 1876 wesst in Folge 
der Abstriche am Marineetat einen kleinen Rückgang auf. Im 
Ganzen haben sich seit 1874 die Ausgaben für Militär und Marine 
um 68,7 Millionen vermehrt. Diesen 479,8 Millionen Ausgaben 
stehen nur eigene Einnahmen von 338,5 Mill. und außerordntliche 
Zuschüsse aus früheren Specsalcrediten im Betrage von 58 Mill. 
gegenüber. Die Ausgaben der Mil'täre und Marineverwaltung 
allein sind daher im laufenden Jahre um 82,8 Mill. größer als 
ie sämmtlichen Reichseinnahmen. Wen wundert es hinrnach, daß 
s im Reiche an Mitteln fehlt zu produktiven Leistungen, zu Zwecken 
er Kunst und Wissenschaft! Der! von Jahr zu Jahr wachsende 
Militäretat hat jetzt schon unser Reichsbudget zu einer Versuchs⸗ 
tat on für die finanziellen Heilkünftler gemacht. Trotz aller Wunder⸗ 
uteun wird es denselben, wie die vorstehenden sehr einfachen Ziffern 
eigen, von Jahr zu Jahr schwieriger wecden, das Gleichgewicht 
jerzustellen. Das deutsche Volk wird sich entweder entschließen 
nüssen, noch bedeutend größere Summen als jezt alljährlich für die 
Armee mittelst Steuern aufzubringen, oder man wird sich endlich 
zur Umkehr, d. h. zu einer bedeutenden Reduktion der Dienstzeit 
und des Präsenzstandes entschließen müssen. —— 
Ausland. 
Wien, 27. März. General Ignalieff wurde heute Mittag 
1. Udr vom Kaisrr in besonderer Audienz empfangen. Nach der 
Audienz, die etwa eine halbe Stunde währte, besuchte Ignatieff den 
Brafen Andrassy und verweilte längere Zeit bei demselben. 
Petersburg, 27. März. Londoner Meldungen zufolge 
soll morgen dort Ministerrath statifinden, welcher von durchschla⸗ 
zender Bedeutung für die Protolollsrage sein dürfitie. — Aus Kon⸗ 
dantinopel wird gemeldet, daß die Friedensunterhandlungen mit 
Montenegro nicht abgebrochen, sondern nur unterbrochen seien. 
Das hauptsächliche Hinderniß bilde noch immer die Forderung der 
Äbtretung von Niksic an Montenegro. 
Sermischte. 
F Aus Neustadi, 26. März meldet d'e „N. Z.*:-Gestern 
Abend zwischen 7 —8 Uhr fiel der Fahrmann J. B. Pfaff in der 
Nähe des Rittergartens in den hochangeschwollenen Speyerbach und 
vurde schon in der Nähe der Keller'schen Mühle als Leiche heraus⸗ 
Jjezogen. Ein Schlagfluß scheint seinem Leben ein schnelles Ende 
gemacht zu haben. Derselbe hinterläßt eine Frau mit sechs un⸗ 
rzogenen Kindernn 
4Zur Warnung für Eliern theilen wir mit, daß am ver⸗ 
jangenen Freitag das einzige 222 Jahre alte Kind eines Herrn 
doffmann in Ludwigshafen rückwärts mit dem Kopf in das siedende 
SZodawasser fiel, welches die Magd zum Waschen hergerichtet hatte, 
ind sich so sehr verletzte, daß es nach anderthalbstündigen schreck⸗ 
ichen Schmerzen verschied. Die Mutter, welche ganz in der Nähe 
var, eilte zur Rettung des Kindes herbei, wurde aver hierber von 
iner Ohnmacht befallen, fo daß ihr die Rettung anmözlich warde. 
fAuf dem Bodensee weht seit 25. de. heftiger Föhn. 
kin auf dee Fahrt von Hard nach Rorschach befindliches Segel⸗ 
iff scheiterte. Die Scheffsleute konnten eine Anzahl Bretter 
usammenbinden und sich so lange über Wasser halten, bis sie 
hurch ein auf der Fahrt von Romanshora nach Lindau begriffenes 
hayherisches Dampfboot aufgenommen wurden. 
F In Mainz setzte es an Kaisers Geburistag bei einer 
Tanzmusik eine großartige Schlägerei zwischen hessischer Infanterie 
ind preußischer Kavall rie und Ariillerie, bei welcher viele und 
hwere Verwundungen vorkannen. Dem „Irf. Journ.“ wird über 
»en Vorfall berichtet: Offiziere und Patrouillen waren machtlos; 
eẽrstere wurden sogar verboͤhnt. Verwundungen gab's in Menge; 
n's Lazareth wurden über 30 Mann aufzenommen, wovon einet 
von der 12. RKompagnie des 117. Regiments) bereits seinen 
Wunden erlag. Die Exzesse gegen Offiziere, namentlich auch zwei 
dauptleute, die thätlich mißhandelt wurden, haben zahlreiche Ver⸗ 
jaftungen nach sich gezogen. Die drei betroffenen Truppentheile, 
17. Regiment, Fuß Artillerie und Husaren, sind auf undestimmte 
Zeit von 7 Uhr Abends in den Casernen consignirt. Das Gou⸗ 
)etnement geht mit äußerster Strenge vor, und bereits sind gegen 
30 kriegsgerichtlihe Verhandlungen eingeleitet. 
. Der „Wiener Spaziergaͤnger“ in der „Neuen freien Peesse“ 
chließt einen Artikel über die Auffüͤhrung von Wagners „Walküre“ 
a der Wiener Oper folgendermaßen: „De Wagnerianer waren 
janz weg vor Entzücken, und ich war auch ganz ent ückt, als ich 
veg war.“ 
f Dreiunddreißig Jahre im Keller. Das Joarnal „Nuovo 
Friuli“ erzählt folgende Geschichte: „In Udine unterhielt im