Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingbetler Anzeig 
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54... Soonutag,- den 8. April 1877. 
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PDeutsches Reichc. 
Berlin, 6. April. Faft mehr noch als bei uns im Reiche 
hat im Auslande der „Jahresurlaub“ Bismarcks Erstaunen, Auf— 
regung und Uedberraschung hervorgerufen. Während in Wien die 
Thatsache bis· jetzt · noch mit großem Zweifel aufgenommen und 
ichier als Unmöglichkeit dehandelt wied, singt man in Paris Hosian⸗ 
aah und vreibt sich in Vondon vergnügt die Hände, indem man den 
Unbruch einer ewigen Friedensaera prophezeii. 
NKussland. 
Wien, 85, April. Die montenegrinische Frage steht hoff⸗ 
nungsloe, da die Pforte allem Anscheine nach schon gar nicht mehr 
Herr ihrer fanatisirten Truppen ift, die Krieg forder. 
Paris, 5. April. Cassagnac, der bekannte bonopart stische 
Agitator und. Abgeordnete, wurde heute vom Zuchtpolizeigericht 
vegen Beleidigung der“ Abgeordnetenkammer zu zweimonatlichem 
Befängniß und 3000 Francs Geldbuße verurtheilltlt. 
London, 5. April. „Morning Post“ will erfahren 
jaben, daß die Pforte ihre Bereitwill gleit bekunden werde, unter 
Belonung der Autorität des Sultans die von den Machten ge⸗ 
wünschten Reformen unket Ausdehnung derselben auf das ganze 
Reich quszuführen zauch werbde “dieselbe eiten Gesandien nach 
Peteraburg senden. behufs Vereinbarung des Modus der gleich⸗ 
zeitigen Abrülstung.“ Die türlische Regieruͤng sei ferner geneigt, den 
Fordernngen Montenegros halbwegs enigegenzukommen. Endlich 
werde don der Pforte die Erwartung dusgesprochen werden daß, 
wenn sie sich auch jetzt der von dek Siluation gebotenen Noth⸗ 
denbigleit füge dakqus nicht der Schluß gezogen werde daß sie 
itgendwelche Ginmischung im Widerspruche mil den Praͤrogativen 
—A— 
8 *tipopel, 8. April. Man versichert Rußland 
stelle folgende Bedingungen: 1) Aunahme dee Prelot⸗is; 5 Ab⸗ 
rüsstung;3) Frieden mit Monkenegrs; 4) Sicherfrelkung Dder Chiisten 
dot Gewaltthaten; 58) Durchführung der Konferenzrefoemen. Darn 
erxst werde Nußland entsprechend der Verwirklichung dieser Punkle 
demobilisirem. ö 
ImiPperersbutgesst eine Deputalion aus Bosnien ein⸗ 
zetroffen, werche eine an die Minister der auswaͤrtigen Angelegen⸗ 
deüen der PariserTrallaimoͤchte gerichtetonn ml zahlreichein Unter⸗ 
srsen, aus dem BVilajet Prisren bedeckte Biltschetit überbringt. 
in derselben heißt ehß . F 
schrecklich imd elend ist unsere Lage. Bedrückungen, Ver⸗ 
solgungen und Qualen find unser Loos seit Jahrhunderten und 
hundertfach sind unsete Leiden seit dm Jahre 1767 gestiegen, wo 
die türtischen Machthaber unser eigenes Patriarchat in Pecsa (Ipoh 
aufgehoben haben. Wir haben seit jener Jeit keine Priefter mehr, 
benn man sendet uns aus Caregrad Gonflantinopel) Phaugarioien, 
die wir nicht verstehen, die uns berauden und bedrüden, aussaugen 
ande verderben. Deren Anforderungen und Gewultthaten brechen 
ansere Kraft, denn wir haben außer ihnen noch Tausende ein 
heimischer und hergelausener Rauber zu ernähren, aln Mudira, 
Muftis, Kadis, Zaptes, Praschalaren, die unser letztes Hab und 
But an sich reißen und davontragen. Unser Boden ist fruchtbar; 
dir haben“ Feloer und Wiesen, Weiden und Wälder; und — 
rotz uuserer schweren Arbeit Hunger, Elend und Noth unser mig 
iches Brod. Unser Leben ist eine Reihe von Unglücksfällen und 
Schrecknissen. Man schlägt uns, macht uns zu Krüppeln, tödtet 
ans; unsere Frauen und Töchter werden geraubt und geschändet. 
Der Türte, der ein serbisches Mädchen stiehlt, wird frei vom 
Militardienst. Effade Beg Deralowitsch aus Chletow, ein Verwandter 
don Akif; Vascha, that 102 serbischen Mädchen Gewalte auz sie 
werden alle als seine Frauen gerechneß und: keine wagt es zu hei⸗ 
athen. Jahr aus Jahr ein ücghen Hunderte unserer Bruder für 
zichts und wieder nichts. Uasere Klagen und Zeugenausagen 
laben beim Gericht keine Geluung. Im der Stabt tönnen wir une 
efahrlot nicht zeigen, denn Steinwurfe begrüden unser Erscheinen. 
Die Priester verlassen am Tage nicht ihre Wohnungen, denn sie 
riskiren ihr Leben. In die Kirche gehen wir nur des Nachis und 
»egraben unsere Todten im Dunkeln; die Leichenzüge werden über— 
allen, der Sarg umgeworfen, die, Leiche in den Koth geschleudert. 
ẽ.ne Reihe von Mariern und Qualen ist unser Leben von der Wiege 
bis zum Grabe. Wir gehen schlafen mit der Furcht, den andern 
Tag nicht zu erleben. Die Tyrannei, Vergewaltigung und Rohheit 
jaben bereits alle Grenzen überschritten. Auf Befehl Derwisch⸗ 
Bascha's, der aus Asien und Europa in Mittowicza Baschi⸗Bozuks 
usammengezogen, wurden unsere Ansiedelungen in Kossowo Polje 
perbrannt, beraubt und vernichtet: 121 Dörfer gingen in Flammen 
zuf, 19 Kirchen wurden verwüstet, an 8300 Axsiedelungen wurden 
zeplündert und mehe als 2000 Menschen wurden entweber getodtet 
oder in die Sklaverei geschleppt.““ 
Wenn nur die Halfte von dem wahr ist, was in dieser Peti⸗ 
sion mit so eindringlichen Worten erzählt wird, so genügt es; rum 
die türlische Wirthschaft zu kennzeichnen, die fortdaͤuert und fort⸗ 
Zauern wird trotz den englischen Entrüstungsmeetings und trotz der 
platonischen Wünsche, denen die Großmächte in Form von Proto⸗ 
tollen Ausdruck zu geben für ersprießlich halten. 
yerntischte. I 
tZweibrucken; 423 üpril. Durch Fahrlässigkeit in 
VBerwahrung geladener Schicßwaffen erlitt der hiestge tzgelshe 
Zichendiener Ernst eine schwere Zerwundung., Einige bel ihm 
veilende Knaben spielten mit einen Neyolden Plozlich entlud 
—— wurde von einer Fugel in's Kinn. getroffen 
iad ihm mehrere Zaͤhne J— Die Keseitigung der Kugel 
oll jedoch gelungen sein, fo daß unmilteldate Lebensgefahr nicht 
X 
Mäünqhen. Die Ueberschuldung des Biebrauers Ludwig 
norr heträgt bei einem Werth seines Änwesens von 206,000 fi. 
die Klettigteit von 618 000 f. 7 
f. Mumnchen, 2. Aprii. Das Gerkcht eines gräßlichen 
Berbrechens versetzt seit heute Voxmittag unsere Refidenzstadt in 
ewaltige Aufregung. Wie man sich namlich allgemein erjzählt, 
zielt heute Vormittag die, Polizei in einem Hause gn der Nordend⸗ 
traße Haussuchung und hierbei in einem Kaslen wohl verpadi 
ie bereila fiart. in Verwesung uͤbergegangehe Leiche einer Hlieren 
Frau, die allen Anzeichen nach ermordet wurde. Den garzen Vor—⸗ 
miueg arn standen hunde rie von Pruoierigen die ütjche Solnung 
deule Nachmiltag warde der Sohn det Eemordelen, welcher siqh 
ur Zeit wegen eines Diedstahls in Haft defindet, alz muthmaße 
icher Moͤrder mit der Leiche konfromici. — 
JDiedenbofen; Gothringe? Ani du. März; wurden 
uf Anordnung der hiesigen laiserl. Zollbehörde 1100 Liter mit 
huchsin gefaͤrbler Wein durch Audlaufenlassen vexnichte: (D. 3.) 
7 Beim Eput⸗ und Crediwerein in Oppeuhei m (Rhein⸗ 
ssen) wurde, wie der „M. A,“ schreibt, ein Deficn —X 8 
D. entdedt. Doch hrauchen —weder Mitgliederguihaäben noch Re— 
ervesonds zur Deckung desselben in Anspruͤch geommen zu werden 
»an die Caution und das Bermoͤgen“ des Rechners dazu aus⸗ 
eichen. —0 — J J 
Koln, 5. April. Die Wassermassen unseres Rheinstromes 
aben in den leßten Tagen abermalis in bedenklicher Weise zuge- 
sommen. Steigt der Strom so fort, so wird er auch hier bald 
viederum aus seinen Ufern trelen. Die Keller dieler nahe am 
sthein belegenen Häufer sind nun zum dritten Male mu Wasser 
efüllt. J 
FEin erfrorenes Dorf. Aus der Mosdau wird 
jerichtet, daß in der Mitte vorigen Monats so furchtbare Schnee⸗ 
Nrme wütheten, daß ganze Gegenden von jedem Verkehr abgeschnitten 
vate. Die qus, niedrigen Hütten, bestehenden Doͤrfer waren bei⸗ 
jahe ganz in Schnee begraben, und in xeinigen sah man nur die 
dirchthürte herausragen. Den Schneestürmen folgte sechstägiger 
Froft, der in der Moldau und in der Bukovpina Opfer an Wenschen 
ind Thieren forderte. Die Halfte der Bewohner eines lanen