Full text: St. Ingberter Anzeiger

selne Ansichten zur Geltung zu bringen. Eine Auseinanderfe zung 
ist in dieser Hinsicht unvermeidlich ⸗ venn wenn ich auch nicht, wie 
Sie, dem Parlamente gegenüber virantwortlich“ bin, din ich 
ã doch Frankreich gegenüber, mit dessen Geschik ich mich jetzt mehr 
denn je beschäftigen muß.“ In Fdotge dieses Briefes reichte Simon 
in Ennafsungsgesuch ein, welches angenomnen wurde. Dem Bei⸗ 
spiele des Minister⸗Praͤsidenten folgend, verlangte darauf das ganzt 
unifterium seine Enilafsung. Der Herzog d Audiffret⸗Posqu ier 
nd Herr· Duclere Kepubiikaner) hatten heute Nachmittag eine Zu⸗ 
sammentanst mit ·dem Marschall · Praͤsidenten. J 
LSondon, 14. Mai. Scaßkanzler Northcote erklärte im 
Unterhausedaß England den Orientwirren gegenüber fich absolut 
Feurcal verhalten würde, so lange nicht die speziellen Interessen 
kuglonds·, beispielsweise der Weg nach Judien, in Fragt komme. 
Derselbe Minister sagte, daß Rußland berechtigt sei, egyptische Häfen 
mu bloliren, da Esypien ein Theil dea türtischen Reiches sei. 
London, 16. Mai. Zwischen Pforte und England 
chweben Verhandlungen über eine ebentuelle Besezung der Jnsel 
reia durch englische Truppen. Die. Pforte verlangt als Gegen⸗ 
eistung von England betraͤchtlichen Geldvorsa üsse. 
Seit einiger Zeit tauchen in Rom, wie es scheint, wieder 
adenenerliche Geructe über cine angebliche neue Trentins⸗Ugitation 
i Ee wurde allen Ernftes von tinem Circulat Menoiti Garr 
zaidi's gesprochen, welches er angeblich an die höheren und einfluß 
reichsten Mitglieder jeiner Partei gerichtet hätte, um dieselben 
nuzuforderne sich mit ihm zu einem leßzten Versuche zur „Befreiung 
Subiirols“ aufzuraffen. Man sprach von geheimea Anwerbuugen, 
Waffen⸗ und Vunition ⸗Sammlungen und sogar von der Organi⸗ 
irung eines von Mexnotti Garibaldi zu befehligenden Freicoipk. 
in welchem ein Ginfall in Südtirol unternommen u. sa we, mil 
nem⸗ Worte, die Trentino⸗Frage“ auf's Tapet gebracht werden 
soll. Auf Grund verlaßlicher Infsorwationen darf nun versichert 
derden, daß alle Diese Gerüchte auf⸗ geringer · thatsachlicher Grund⸗ 
age beruhen. Ob das erwähnte oder ein ahnliches Circular Menotti 
Iribaldis oder auch sonstiger Fuͤhrer existirt hat, bleibe dahin 
gestelltz aber von geheimen Werbungen und Waffensammlungen war 
noch leine Rede. Kein vernünftiger Iteliener⸗ mag gegenwaärtig an 
die famose Trentino Frage“ oder gar an einen Putschdersuch 
denken, aber freilich die unvernünftigen“ Italiener find nicht alle 
Zeit sehr disciplinirk gewesen, und man ihut in Oesterreich sehr 
vohl daran, die Augen in Wälschtyrol ofsen zu halten. 
Konstantinopel, 15. Mai. Die Corresp. Havas“ meldet: 
Die iurtische Escadre bombarditte den Kriegshafen Suchnm ˖ Kaleh. 
Belandete Türlen schlugen die Russen. Die Türken blieben Herren 
der Position. Die Rachbarbevboölkerung schloß sich den Türken gegen 
die Kussen an. 
Aeber das Capitel von der persoͤnlichen Freiheit in der Tür⸗ 
ei schreibt ein Konstantinopeler Korrespondent des — sonst: sehr 
russisch gesinnten — Pariser „Figaro“ seinen Blatte folgendes: 
Die griecischen und katholischen Kirchen in Konftantinopel sind 
jebffnet, die öffentlichen Ceremonien voll ehen sich ohne die geringsten 
Storungen, die christlichen Priester verlehren in den türkischen 
— V ruhig als ob sie auf dem Boulevard 
MNontmartre, spazierten. Was man vom „iürkischen Fanatismus“ 
und von der Gesahr eines „Wassacre“ schreibt, ist altes Zeug und 
vie ich der Wahrheit gemäß erllaeen muß, durchaus unwahr. Wenn 
die Dinge im Innern des Landtes andert sein sollten, werde ich 
Ihnen das eben so offen berichten, aber ich muß vorläufig gestehen, 
daß ich, der ich England, Belgien und die Schweiz gesehen habe, 
F, die Lander, welche am meisten wegen der Freiheit berühmt 
sind,“ deren sie genießen — daß ich kein Land gesehen habe, wo 
ine mehr obfoluie individuelle Freiheit zu trffen ware als hier.“ 
Rürf'guk, 11. Mai. Der Untergang des türlischen 
Monilors Lufti Djebel war ein rein zufälliges Ereign'tß und wurde 
ineswegs, wie flawische Quellen berichten, durch russische Kugeln 
eranlaßt.“ Es scheint, daß ein Feuerwerler an Bord mit der · Zu⸗ 
dereitung pon Patronen beschaftigt war, als sich eine derselben 
nisud und die entsetzliche Explofion veranlaßte, der das schoͤne, für 
3,200,000 Mark in England gebaute Schuff, der Besehlshaber 
Hasim Bey und die ganze Mannschaft, mit Ausnabme eines Lotsen 
dum Opfer fielen. 
Peterzburg, 15. Mai. Tschernajeff wird ein Commando 
jn der Kaukasus⸗ürmee erhalten; von einer Anstellung desselben 
in der Donau-Armee war nicht die Rede. Fadejeff ist hierher 
zurückgelehrt; über dessen Verwendung ist nichts bestimmt. 
Petersburg, 16. Mai. Fünf türk sche Panzerschiffe haben 
vorgesiern Suchum Kale bombardirt. Die Stadt hat gelitten. 
Fin Landungsversuch der Tuͤrlen wurde durch 3 Compagniten und 
2Geschütze zurückgewiesen. 
Ueber den Aufmarsch der Russen an der Donau schrebt die 
Wiener ,Moniags ˖ Revule“: Derselbe vollzog fich-bisher mit 
Kucksicht auf die Bewegungskraft und Leistungsfaähigkeit der Truppen 
sceend ven aumlichen, klimatischen und —XEXX 
Verhaltnissen im Allgemeinen rasch und grordnet. Der liuke Flügel 
der Sudarinee, welcher aus demt 7. Armeecorps Ganeczly mit dem 
Corpsquartier Kilia und dem 11. Armeecorps Schichaffeky mit 
dem Corpzquartier Galatz gebeldet ist, hält das Donau-Delta vom 
Schwarzen Meer über Kilia, Jemael, Reni, Galaß bis Braila 
einschließlich der Pruthe und Serethmündungen besetzt. Die Reserve 
dieses Flügels — 9. Armeecorps Krüdener — rückt von Leowa 
im Pruihthale abwärts gegen Rent und Galatz und wird theil⸗ 
weise an der Donau schon oangelangt sein. Das Centrum — be⸗ 
dehend aus dem 8. und 12. Armeecorps Radetzly und Wanoffsky 
— welches sich theils mit der Eisenbahn, theils aus der Straße 
bon Jassy über Roman, Fotlschan. Buzen und Urziiceni vorwaͤrts 
zewegie, iagerte vor Kurzen mit der Vorhut⸗Division Dragomiroff 
des 8. Armeeckorps bei Banjasa, nördlich von Bukarest und edürfte 
seßt zwischen Giurgewo⸗Ollenitza an der Dongu und Utzieen 
Banjasa an der Jalomnica und Vumbovica aufgestaffelt sein. Die 
sesetben des Centrums — 18. upd 14. Armeecorps Hahn und 
Zimmermann — hatten vor einigen Tagen Wiscencw erreicht und 
efinden sich jeßt mittelst der Eisenbahn auf, der Fahrt nach der 
Donau; sie dürfien eine Stellung in der Gegend von Bukarest 
Arziceni, zwischen den Flüssen Dumbovica und Jalomnica nehmen. 
Der rechte Fluͤgel des Heeres, aue der rumänischen Armee unter 
dem Oberbesehl des Fürsten Karl gebildet, hat das 1. Armeecorps 
Zes Generals Lupu dei Krajowa und Kalafat. das 2. Armeeconps 
des Generals Radovici bei Bukarest und Giurgewo stehen. Diefe 
wei Armeecorps, welche die Stärle und Zusemmensetzung. der 
uffischen Heecestheile haben, repräsentiren eine Gesammistärke von 
72,000 Mann. Das Haupfquartier des Füriten Karl wurde in 
Butarest, das große Hauptquartier des Greßfürsten Nilolaus in 
Plojeschti etablitrtt. 
Der Stamm der Abchasier (Ostküste d·s schwarzen Meerk) 
eiwa eine Viertelmillion Köpfe zäblend, groͤßtentheils Muhamedaner, 
'osll sich gegen die russische Herrschaft empört haben. Hiemit dürfte 
das Erscheinen türkischer Kriegsschiffe vor Suchumlale und Gudanty 
jusammenhängen. Offenbar sollen diese die an der abchasischen 
zuͤste errichtelen zahlreichen russischen Forts beschießen und so den 
Jusständisches Hilfe leisten. Gewinnt der Aufstand an Kraft und 
Ausdehnung, so kann er für die Verbindung der in Türkisch Ar— 
nenien operirenden rujsischen Armee mit Rußland sehr bedenklich 
derden. Auf der andern Seite des Kaukasus, im Terekgebiet, war 
eulich schon ein Aufstand ausgebrochen. Russische Berichte sagten 
seilich, er sei rasch unterdrüct worden ; indessen kann man den⸗ 
elben nie recht trauen; leicht tkann er, nachdem nun asuch die Ab⸗ 
Hhasier sich erhoben haben. auf's Neue starker emporlodern. 
Vermischtes. 
f—Kaiserzßlautern, 16. Mai. In der heutigen S'tzung 
des Polizeigerichtd wurde das Urtheil gesprochen, in einer Beleidi⸗ 
Jungöklage des Redackeurs der „Pfalz. Post,“ Otto Fleischmann 
Jegen den Redocteur der „Kaisersl. Ztg.“, Hugo Weise. Der 
herklagte wurde der Beleidigung des Klägera durch die Presse 
dater Annahme m'ldernder Umstände für schuldig erklääxt und zu 
iner Ge!dstrafe von 3 M., sowie zu den Kosten verurtheilt. 
Außerdem wurde die Publikation des Tenors des Erkenntnisses in 
er Karsersl. Zig.“ angeordnet. Ale strafmildernd nahm das 
vericht die durch die Fleischmann'schen Schnadahuüͤpfl, welche eine 
gerhoͤhnung der liberalen Reichstags ⸗Abgeordneten enthielten, er⸗ 
'olgie Provocation an, welche den Verklagten zu der incriminirten 
chirfen Erwiderung veranlaßt hatte, und es sprach in der Moti⸗ 
itung des Urtheins ausdrüdlich aus, daß allerdings die Verfer⸗ 
tigung solcher Poesien keine eines Geistlichen würdige Beschäftigung 
seĩ und daß, falls die durch das Schnadahüpfl verhöhnten pfäl⸗ 
ischen Abgeordneten gegen Fleischmann Klage erhoben. hätten. 
icherlich eine gerichtliche Bestralung desselben erfolgt wäre. 
Gaisrsl. 3.) 
pPirmasens, 14. Mai. Vorgestern wurde hier eine 
hochzeiteseier in höchst trauriger Weise gestoͤrt. Die Muiter der 
hraut, Frau N., hatie eben das Glas ergtiffen, um mit den an⸗ 
deren Hochzeitsgästen auf das Wohl der Neuvermählten zu trinken. 
als dasselbe idrer Hand entglitt und sie, vom Schlage gerüͤhrt, 
auf den Stuhl zurücksank. Wie wir hören, ist der Zustand der 
Betroffenen noch sehr besorgnißerregend. (P. A.) 
FEdenkobea, 12. Mai. Einem armen Manne von 
hier wurden vor einigen Tagen in einem tleinen Wingert, wohl 
jeinem einzigen, an ungesähr 250 Stöoden die Reben mit den 
Schenkeln vollständig abgeschnitlen. Der Eigenthlümer hat dem 
Smdeder des Thaäters 100 Miark Belohnung öffentlich versprochen. 
Gheinpf.) 
pPSpeyer, 16. Mai, Geftern Abend kum Prinz Oscar 
von Schweden aus Heidelberg hierher und fuhr nach Besichtigung 
des Domes wieder dahin zurück. — Der qu. Untersuchungsrichter 
Virnhaum ist gestern hier gestorben (VPf. 3.)