Full text: St. Ingberter Anzeiger

ehlgeschlagen. Die nahe bei Karß belegene Redoute Emiroglu wird 
pon 30,000 Ruffen belagert. 
ndon, 23. Mai. Die Times erfährt, daß die serbische 
Regierung den Beweis erhielt, daß ein russich österreichisches Ueber⸗ 
nsommen bestehe, durch welches sich Rußland verpflichtet, in 
Serbien zu Zwecken der Kriegsführung nicht einzurücken. 
Butarest, 28. Mai. Der fürkische Gouverneur von Tuli⸗ 
scha hat angeordnet, daß die Stadt im Fall eines russischen Ein⸗ 
narsches gänzlich eingeäschert werde. Die bulgarischen Einwohner 
vurden landeinwärts getrieben, um zu verhindern, daß sie sich den 
Russen auschließen. 
In Oltenittza sind am 20. Mai die ersten rufssischen 
Truppen Morgens einger ückt und übernahmen die von den Rumänen 
zrrichleten Batterien. Die Türken haben, obwohl sie von ihrem 
dager und ihren Baͤtterien Oltenitza dominiren, weder von Turtukaj 
mus noch durch die anwesendeun 3 Monitors den Einmarsch behelligt. 
Der rumänische Divisionsgeneral Manu ritt mit seinen Ojfizieren 
den russischen Colonnen entgegen. Nachdem die Russen alle Posi⸗ 
lionen beseßt hatten, maischirte um fünf Uhr früh die Division 
Manu ab. 
Dem „Daily welegraph“ wird aus Batum gemeldet, daß die 
sur Recht und Humanität kämpfenden Russen — nicht die Turken 
ringsum furchibar wüthen, alle Doͤrfer niederbrennen, Greise, 
Weiber und Kinder hinschlachten. 
Eine Belanntmachung Osmann Pascha's befiehlt fämmtlichen 
Einwohnern von Widdin, welche sich nicht für längere Zeit ver⸗ 
proviantiren können, binnen 8 Tagen die Stadt zu verlassen. 
Konstantinopel, 23. Mai. Aus Anlaß der Ginnahme 
bon Suchum ⸗Kale hat der Sultan eine Anzahl Strafgefangener, 
welche zwei Drittel ihrer Straf,eit überstanden hatten, begnadigt; 
die Mehrzahl derselben tritt nun in die Armee ein. 
O'defsa, 22. Mai. Man erwartet in den nächsten 
Tagen wiͤchtige RMachrichten von der 2. Armee 
unter Befedl des General Semeka, dessen Hauptquartier Odessa 
ind uner dessen Konmando das 7. und 10. Arme⸗torps seht in 
Silarte von enwa 65,000 Mann. Dieser Gencral hat die ebenso 
ehrenvolle als schwierige Aufgabe, ähnlich der des General Fallen⸗ 
in im Kriege 1870, die Küsten des schwatzen Meeres zu schühen. 
gemberg, 28. Mai. Am 1. Jini wird, aller Personen⸗ 
und Güter⸗Bahnenverkehr in Rumänien auf eine Weise suspendirt 
werden, um den Rest des Belagerungsgeschützes an de Donau zu 
affen. VVV— 
ig —XE „ 20. Mai. Der Kaiser reist am 21. d. zuc 
Donau⸗Armee ab und temmt am 26. oder 26. Mai daselbst an. 
Der Großfuͤrst⸗Thronfosger und Großfürst Sergej beglelen den 
Zaiser. 
Pederzburg, 21. Mai. Zwei Telezramme des Ober⸗ 
ommandirenden der aukasusarmee vom 19. und 20. ds. be⸗ 
tätigen, daß die Küstenpunkie des rusfischen Kaubkasien von den 
Türken bombardirt werden, und melden ferner, daß die Türken an 
einzelnen saustenpunkten ehemalige Auswanderer aus dem Kaukasus 
sanden ließen, um die Bebolterung Abchasiens aufzuwieg ln. Es 
purden russische Truppen dahin abgesandi. Unter den bei Aida⸗ 
han Gefangenen befindet sich ein Pascha. 
Petersburg, 21. Mai. Der Kaiser von Rußland wird 
waͤhrend des ganzen Arieges in Rumaänien oder Südrußland bleiben. 
Der Uebergang über die Dondu wird in Gegenwart des Kaisers statt⸗ 
nden. Außer den bercits offiziell genannten Personen, welche den 
taiser begleiten, wird denselben noch eine Stobswache ungeben 
ganz in der Weise unseres Kaisers 1866 und 1870), welche ge⸗ 
Ilden wird aus 100 Mann, unter dem Kommando von 3 Oifi⸗ 
zieten und aus den aus jedem Garderegiment ausgewählten Mann⸗ 
schaften. Aller Wahrscheinlichkeit nach reisen die Kacserin und die 
Bemahlin des Großfursien Thronfolger mit dem Kaiser ab und 
begeben sich nach Livad'a. Daß der preuß sche Militärbevollmächtigte 
Benerallieutenant von Werder (1866 Oberst des Garde⸗ Füsilier— 
Regiments) nach Plojesti mitgeht, ist bestimmt, höchst wahrscheinlich 
verden aber auch die Botschafter sich dahin begeben. 
Aus Petersburg, 23. Mai, wird solgende offiziöse 
scotiz kelegraphisch verdreitel? „Hier liegen bis jett le ne bestimmten 
Mildeilungen vor, daß Serdien seinerseits zum Kriege schreiten 
dolle. Rußland hat es an dem Rathe, vom Kriege fern zu bleben, 
nicht fehlen lassen. Zu eiuem Zwange hat es keine Veranlassung. 
Sein Abrathen war klac und bestimmt, denn es liegt nicht im 
Interesse Rußlands, an seiner Seile sich ein revolutionaäres, pan 
labistisches Freischaarenthum etabliten zu sehen, dem Vorschub zu 
leisten man in Vetersburg sicher nirgends gewillt ist.“ 
Vermischtes. 
p Aus einem Bierleller in Speiet wurde in der Nacht voa 
Sonniag auf Monntag 5 gefüuͤllte Bierfäßchen, Käase, Wurst und 
Zrod gestohlen. Auf den Tisch hatte einer der Diebe geschrieben: 
ESEriemer Kinner haben Durst. 
⸗»Muünchen, Mitte Mai. Endlich scheint so eine Art 
ʒommer eintreten zu wollen. In dieser Jahreszeit wachsen aber 
zetanntlich nicht nut Kräuter und Kartoffel, jondern auch Congrefse, 
VBersammlungen, „Tage? und Zusammenkünfte aller Art. Daß da 
die Sozialdemokraten nicht zu Hause bleiben lönnen, verstehl sich 
bon selost. Sie treten aber diesmal nicht als Partei auf, sondern 
lediglich als Unterdrückte. Wo irgend eine Anzahl solcher Unglück⸗ 
licher ein bestimmtes Gesellschaftslolal hate, schicken sie tinen Dele⸗ 
zirten zum Kongriß nach Gotha—⸗ Der jzungenfertige Schrififther 
diefer, präsumtiver Vertreter der Haupt⸗ und Residenzstadt München 
in Berlin, muß sich begnügen, einstweilen als Abgeordneter jler 
den Unterpollinger nach Gotha zu gehen. Ihn mit den geeigneten 
Nufnägen zu verlehen, war neulich sozialistische Abendversammlung. 
Zuvoörderst sol er verlangen, daß jahrlich wenigftens einmal ein 
servorragender Redner, womöalich Reichstagsabgeordneter, nach 
Sbdeuischland reise (also ein Nerddeutscher), um die Principien 
)es Programms zu besprechen. Egentlich nicht schmeichelhaft für 
Irn. Kiefer, der in Programmptinc pienbesprecherei doch selbst 
Hervorragendes leistet. Leßterer außerte auch eirige Zweifel an 
Fer „Rensabilität“ solcher Apostelfohrten, der Antrag wurde abes 
ngenommen. Weiter verlangt der neue „Zeitg ist“⸗Redacteur 
olgende Kleinigkeit: „Aufhebung des Systems der verjinslichen 
SJats und Gemerndeschuiden.“ Aufheben kann man nun ein 
System eigentlich nicht, sondern nur beseitigen. Aber auch die 
teseit gung saäͤmmtlicher Staats- und Geme'ndeschuldien ist, wenn 
Herr Kieser das in Gotha besorgen soll, ein schöͤnes Stück Arbeit. 
H uchlicher Weise will der Zeitgeistumaun nnr, daß der Congreß sich 
zegen das System des Schaldenmachens ausspreche. Die Herren 
aben unter sich wohl wichtigere Dinge auszumachen, denn wegen 
'olcher Resolutionen eigens nach Gotha zu reisen, wäre doch gar 
u großer Luxus. Ja wenn Schulden dadurch, daß man fich 
„gegen sie ousspricht“, auch schon bezahlt wären! Ohne Gemeinde ⸗ 
Hhuiden gäde es wahrscheinlich noch sehr wenig Krankenhäuser, 
Wasserleitungen, Brücken u. dal. Auch hat man es biceher als ein 
Zachen der beginnenden Civilijation betrachtet, wenn China, Japan 
der ein ähnlicher Staat zu einem Culturzweck ein Anlehen zu 
Stande brachte. Vom Unterpollinger aus soll nun aber sozusagen 
das ganze Weltprincip umgelehrt werden, was man diesem Wirths 
Jaus von außen nie zugetraut hätte. Das Bemerkenswerthesie ist 
ie Monvirung des Antrags. „Zeitgeist“ meint nämlich: wenn 
er Slaat „die Erträgnifse der productiven Unterneymungen später 
erechter dertheilt,“ dann werde Jeder seine Arbeit und sein Geld 
invetzinslich hergeben. Ah! Die Volksstaatsschulden würden sich 
iso von den irtzigen nur dadurch unterscheiden, daß man keine 
Zirsen bekommt,, welch' hübsche Idee übrizens die Speniet und 
fürten auch fton cehadt haben. Alte Leute, Wittwen u. dgl. 
erweist der sozialistische Antrag auf — Staatspensionen! Also 
ein Erspartes mehr, über das sich testamentarsch verfügen läßt, 
ein serbststäudigeß Vermögen des Einzelnen, sondern lauter Unter⸗ 
zützung und Almosen. Für die jungen Leute würde der Staat 
zuf diese Art ein Zachthaus, für die alten ein Spital. Wem das 
zefällt, der beauct ja nur dei nächster Gelegenheit sozialistisch zu 
vählen. Er hat dabei noch die Bernhigung, daß das Staals und 
Gemeindeschuldenmochen troßdem ruhig fartgeht. 
FErtangen, 20. Mai. Gestern Abends zwischen 9 und 
10 Uhr entstand auf dem Kirchweihfestplaz ein Tumult, welcher 
Irößere Dimensionen anzunehmen drohte. Arbeiter hatten die an⸗ 
vesenden Studenten insultirt, letztere zozen hierauf ruh'g ab, und 
asi als die Arbeiter diese bis in die Stadi verfolgten und die 
Jusulten fortsetzten erfolgte in der Hauptstraße der Ruf: Burfchen 
Jug! Der bedeutend angewachsene Mens henstrom wälzte sich auf den 
Markplatzund postirte sich vor dem Rathhaus, wo von den Stu⸗ 
enten die Freilassung eines wegen Unfugverübung festgenommenen 
Sludenten derlangt wurde. Der Aufforderung des Herrn Bürger⸗ 
meisters zum Auseinandergehen wurde eist Folge geleistet, nachdem 
zer ärgste Tumultuant aus der Mitte der Studenten weg verhaftet 
vorden. Ein Polizeidiener wurde hiebei so verletzt, daß er vom Platze 
getragen werden mußte. 
Berltir. Zu viel des Gulen! könnte unser Kronprinz 
zusrufen, der bekanntlich vor vier Wochen in Hamburg gewesen 
st und dort die glänzendste Aufnahme gefunden hatte. Damal⸗ 
hat aus einer scherjhafien Unterhaltung des Kronprinzen die Mit⸗ 
heilung gebracht, „daß ihm alles Gute und Schöne in Hambuig 
wiesen, aber kein — Hamburger Rauchfleisch vorgesetzt sei!“ Der 
ronprinzlichen Küche sollen in Folge dieser Notiz nicht weniget 
ia 38 Siũud grobe Rauchfleischsendungen aus Hamburg gemacht 
worden sein. 
Berlin, 21. Mai. Das aus mehreren adeligen Damen 
bestehende Comite, welches zu Beiträgen für russische Verwundete 
nffordert, wird bei der großen Masse der hiesigen Bevblkerung 
venig Glück mit seinen Sammlungen haben. Bei aller Abneiguns 
degen das türkische Regiment herrscht dier im Buͤrgerthum dod so 
ses Mißtrauen gegen Nußland. dessen Rristokratie fast leinen