Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Znzeiger. 
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6 94. I VE Dienstag⸗ den 19. Juni U 1877. 
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PDeutsches Reih.. 
München, 17. Juni. An die Sielle des zum bayerischen 
yesandien in Berlin bestimmten Regierungspräsidenten Grafen 
uxburg in Würzburg soll der Staatsrath und Regierungspräsident 
Fer Pfalz v. Braun versetzt werden. 
München, 16. Juni. Wie in Geschäftskreisen versichert 
vird, soll bei den Verhandlungen übec die Reform unserer Steuer⸗ 
Jesetze, speziell des Gesetzes über die Kapitalrentensteuer, auch die 
rinführung einer Coupondsteuer in Anregung gebracht worden sein, 
roch ist vorerst nicht bekannt, ob und mit welchem Erfolge dies 
eschehen ist. Soll die nächste Steuer einen erheblicheren Ectrag, 
ils bisher liefern, dann freilich müßte das betreffende Gesetz einer 
unfassenden Umgestaltung unterzogen werden. 
München, 16. Juni. Der Landtags-Abgeordnele Fehr. 
Hafenbrädl hat seinen Austritt aus der ultramontanen Kammer⸗ 
raltion erklärt. Andere Extreme dürften diesem Beispiel noch 
olgen. 
— Berlin, 16. Juni. Wie aus Ems telegraphisch gemeldet 
vird, ist der Kaiser heute Vormittag 91. Uhr bei sehr schönem 
MWetter wohlbehalten daselbst eingetroffen. Derselbe wurde von der 
ahlreich versammelten Einwohnerschaft und von den Kurgästen 
enthusiastifch begrüßt und begab sich im offenen Wagen durch die 
nit Blumen und Flaggen geschmückten Straßen nach dem alten 
duthause, wo Wohnung genommen worden ist. Die Kaiserin traf 
zeute Mittag zu einem kurzen Besuch des Kaiser⸗ ig Ems ein und 
ehrte um2 Uhr nach Koblenz zurück. Auch Prinz Karl von 
Breußen ist im Laufe des Vormittags in Ems eingetroffen. Des— 
leichen der österreichische Botschafter Graf Karolhyi. 
Aussand. 
Paris, 17. Juni. Gambetta wurde gestern, nachdem er 
ztunden lang auf der Tribüne bei furchtbarer H'tze so zu sagen 
Satz für Satz gegen die böswilligen Unterbrechnngen der Rechten 
jelämpft hatte, am Buffet des Abgeordnetenhauses von einer Ohn⸗ 
nacht befallen, welche ihn trotz der Bemühungen der herbeigerufenen 
Uerzte eine gute Viertelstunde lang gefangen hielt. Des Abends 
dar er aber schon volllommen wieder hergestellt und nach Paris 
urückgekehrt, wo er seine Freunde in den Bureaus der ‚Republ'que 
rancaise* empfing. Von der Pöbelhaftigkeit der bonaparristischen 
zlätter mag es einen Begr'ff geben, daß eines derselben, der „Pelit 
Fahoral“, diesen Unfoll auf „einen uamäßigen Genuß gesstiger Ge 
ränke“ zurückführt, den „die hohe Temberatur oder alte Bierstuben⸗ 
dewohnheiten erklären mögen.“ 
Paris, 17. Juni. Von den neun Vureaurx des Senaies 
ind 6 für die Auflösung der Deputirtenkammer; man glaubt, daß 
)er Senal am Mittwoch über die Auflösung beschließen wird. 
In Frankreich sind die Würfel gefallen. Der Min sster 
es Innern, de Fourtou, benachrichtigte die Deputirtenkammer, daß 
zer Präsident der Republik dem Senate seine Absicht, die Kammer 
rufzulösen, mitgetheilt habe. Damit ist die Frage in Fluß 
jebracht. Man hat also nicht einmal die Budgetverweigerung abe 
jewartet. In einer Freitag stattgehabten Vecsammlung der Mit⸗ 
ieder des linken Centrums des Senats wurde einstimmig be— 
hlossen, gegen die Auflösung der Kammer zu stimmen. Das war 
vorauszusehen — allein die Auflösung wird trotzdem bewerkstelligt 
verden. Gleichzeitig gibt sich die Regierung alle Mühe, die bürger⸗ 
ichen Kreise für sich zu gewinnen. In einer durch die Journale 
eröffentlichten amtlichen Note werden die Behauptungen „ütelwol—⸗ 
ender“ Preßorgane, daß durch die Modifikation der Politik vom 
6. v. M. Handel und Industtie eine Störung erfahren bätten, 
urückzewiesen. Zugleich wird unter dem Hinweis auf Einzelheiten 
etdocgehoben, daß die 1876 in Frankreich eingetretene Handels⸗ 
risis eine allgemeine aus ganz Europa ausgedehnte gewesen sei. 
Indeß seien begründete Anzeichen für eine in verschiedenen Handels— 
wesgen eintretende Besserung vorhanden, namenilich auf dem Finanz⸗ 
aarkte, quf dem Gebiele der Bauinduftrie, der Raffintrien, des 
honer Seidenhandels und der Metallindustrie von St. Etienne.“ 
Die Krise scheine demnach in der Abnahme begriffen und es sei 
zestattet, zu hoffen, daß die Befestigung der Ordnung und der 
Friedens ein baldiges Wiederaufblühen der Geschäfte herbeiführen 
verde. Gibt Gott noch eine gute Ernte — so thut er dies sicher 
nur um zu zeigen, daß ihm der Staatsstreich vom 16. Mai an— 
genehm und lieblich däucht. 
London, 16. Juni. „Staadard“ berichtet von der 
vadsenden Kälte der Beziehungen zwischen der Pforte und dem 
nglischen Vo schafter Lahard. Der Großvezier beklagt sich über 
rayards Hochmuth, dieser darüber, daß seine Rathschläge mi ch t 
»Folgt werden, oder daß die Pforte ihre Versprechungen nicht er⸗ 
üllt. Aus Allem geht hervor, daß die Pforte in England nicht 
nehr ihre werthvollste Stütze findet, daß sie vielmehr ihr Augenmerk 
n erster Linie jetzt auf Deutschland gerichtet hält. Wenn die Zeit 
ür Friedensvetmittelungen gekommen sein wird, ist unstreitig Fürft 
Zismatck der Mann, in dessen Händen die meisten Fuden für die 
rutscheidung zusammenlaufen, und diese Vermittelung wird man 
mrufen. Der Verkehr zwischen dem Großvezier und der deutschen 
vesandtschaft ist schon jetzt ein sehr lebhafter. Der Sultan ist in 
gedrüchter Stimmung. 
London, 16. Juni. Nach einer Mittheilung des, Guardian“ 
»erpflichtete sich Rußland, Konstantinopel im Falle siegreichen Vor⸗ 
dringens nicht zu besetzen; die Entscheidung über sein Schicksal 
'oslle eventuell durch ein europäisches Friedensprototoll festgestellt 
verden. —E J J 
Konstantinopel, 16. Juni. D'e Pforte hat sämmt⸗ 
iche Armee⸗Kommandanten angewlesen, das rothe Kreuz der Genfer⸗ 
Sanitäts-Konvention auf das Strengfte zu respektiren. 1F 
Das ‚Neue Wiener Togeblatt“ bringt folgende Meldungen: 
lus Kladow, 16.: Der Bau von Batterien bei Kalafat dauert fort. 
Das Tel⸗graphen und Postbuteau ist nach Galerza verlegt. Nach 
Zetate find 5000 Mann abgegangen. — Aus Krajowa? Gesiern 
ind hier d'e ersten russischen Truppen eingetroffen. Nach der Timok- 
NRündung sind 6000 Mann, nach Turnu-Ptagurelli find 10,000 
bmarschirt. In Turnseverin und Umgebung ist Seilens des Kriegs⸗ 
ninisters die Ankunft von 12,000 Mann angemeldet „für welche 
zie Behörden Vorsorge treffen sollen. — Aus Bukarest, 17., wird 
emeldet: Gestern machten die Türken von At Jalanka aus eine 
zewegung. Sie wurden von den Rumänien in Linperceni bei 
dalafat bemerkt; deren wohlgezieltes Batteriefeuer die Turten zum 
tückzuge zwang. 
Aus Montenegro wird über Ragufa berichtet: Die Festung 
diksift ist gestern durch 8000 'mit Lebensmitteln bepackten 
Iferden verproviantirt worden. Mehemed Pascha ist von den Mon⸗ 
enegrinern bei Rssina⸗Glavitzo vollständig geschiagen worden. Diese 
nerjolgten ihn, brannten okie fürkischen Dörfer im Bezirk Wasose⸗ 
bitsch (an der Ostgrenze von Montenegro) nieder. Montenegro ist 
oleder frei von den Tüurken. 
Braila, 16. Juni. Gestern rückten russische Vorposten 
uf dem rechten Donquufer gegen Matschin vor. Zugleich recognos⸗ 
irten drei russische Kanonenboote den Matschinkanat bis unte die 
ürkischen Kanonen. Die Türken gaben jedoch kein Lebenszeichen 
yon sich. 
Bermischtes. 
fFSt. Inmgbert, 18. Juni. Zu der heute unter dem 
PBorsitze des kgl. Appellationsgerichtsrathes Heinrich Hessert begon 
nenen S.ssion des pfälz. Schwurgerichts (II Quartal) wurde aus 
dem Kenton St. Ingbert Herr Johann Wannemachet, 
ckerer von Onmersheim einberufen. 
F Vas Zuchtpolizeigerich Zweibrücken verurtheilte am 
4. Juni den Tagner Thomas Scheid auz Neidenfels zu einer 
Besängnißstrafe von 4 Monaten. Scheid hatse am 21. März an 
er Distriktsstraße nach Münchweiler 15 Kirschbäumchen gewallsam 
ibgebtochen, so daß die Krone der etwa 2 Meiler hoden Bäumchen 
theilweise noch lose an den Staänmchen hingen, theilweise ganz ab⸗