Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Anzeiger. 
Der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Bei— 
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M 97. 
Sonutag, den 240. Juni 1877. 
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Deutsches Reich. 
Berlin, 21. Juni. An Ssfelle des bisherigen Komman⸗ 
deurs der großherzoglich hessischen 25. Divifsion, Prinzen Ludwig, 
etziacn Großherzogs von Hessen, ist dessen ältester Bruder „der 
or Prinz Heinrich von Hessen, bisher Kommandeur der 
Xuvalerie-Brigade in Trier, ernannt worden. 
NAusland. 
Wien, 21. Juni. Es ist eine doppelte Action in Aussicht 
genommen worden, nämlich die Aufstellung einez Beobachtungscorps 
in Siebenbürgen mit der Front gegen Rumänien und eines eben⸗ 
jolchen im Süden gegen Serbien und Bosnien. Serbien ist aber 
dabei recht eigentlich mehr genannt als gemeint. Ueber den Com— 
mandanten dieses Corps werden verschiedene Meinungen laut und 
eine Entscheidung ist bisher jedenfalls noch nicht getroffen worden. 
Baron Rodich, der bekannte geistige Urheber der dalmaliner Kaiser⸗ 
reise, soll als Slavenfreund aus Courtvisie gegen die Türkei durch 
Mollinary erseht werden, doch glauben Wenige hieran. Wahr— 
scheinlich ist es, daß Rodich im Suͤden und Mollinary in Sieben⸗ 
bürgen commandiren wird, oder auch Mollinary im Süden, wobei 
hm dann Rodich an zweiter Sielle beigegeben werden wärde. Der 
Finmarsch ist nicht unmittelbar in Ausficht genommen, sondern 
nur der Aufmarsch der betreffenden Truppen. Deshalb glaubt man 
auch vorlädufig das Ersuchen um formelle Einwilligung der Türkei 
aoch unterlassen zu dürfen. 
Paris, 21. Juni. Das „Joucrnal officiell“ veröffentlicht 
ein Dekret, welches den Finanzminister zu der Veranstaltung einer 
Ausgabe von Schaßzobligationen mit langer Sicht ermächtigt. Diese 
Obligationen sollen auf 500 Frics. lauten, 20 Fres. in halb⸗ 
jährlichen Raten zahlbare Zinsen tragen und im Wege der Ziehung 
jurückgezahlt werden. Der Ertrag soll zur Einlösung der Ver— 
flichtungen des Staats verwendet werden und die Ausfuͤhrung von 
offentlichen Arbeiten sicher siellen. Die Obligationen werden von 
Jeute ab zur Disposition des Publikums gefielll. Der Emissions 
turs ist 470. Die im Jahre 1870 kreirten Schotzbons werden 
zei der Subslription in Zahlung genommen. 
Paris, 21. Juni. Der Seaat hat die Discussion über 
die Auflösung der Kammer noqh nicht beendet und hat sich bis zum 
Freitag vertagt. 
London, 21 Juni. Der Spezialkorrespondent deb Globe 
meldet aus Pera: Die Wiedereinnahme Bajasids durch die Türken 
sweeine vollzogene Thatsache. Mehr als 2000 Russen fielen. 
Gleichzeitig erfochten die Türklen einen Sieg dei Wan. 
Eine Nachricht über Konstantinopel, 21. Juni sagt: 
Es bestätigt sich, daß Suleiman Pascha die Pässe von strog (im 
Norden) überschritten hat. — Aus dem Lager des Fürsten Nikita 
bei Ostrog, 20. Juni wird gemeldet: Die Montenegriner zogen 
fich weiter hinter Debeligrim (im Süden) zurück. Seit Sonntag 
wird gekämpft zegen die Türken, welche gegen 40 Bataillone und 
20 Kanonen und 8000 Pferde stark sind. Der Kampf dauert 
seit Sonntag bis heute ununterbrochen und unentschieden fort; doch 
unter Ali Saib in Uebermacht und, wie es scheint, 
eil. Auch die Verluste der Türken sind sehr groß. 
en luelisches Schiff auf dem See von Skutati hat dasvon 
den Montenegrinern besetzte Fort Shabljak beschossen. 
Vermischtes. 
fSt. Ingbert. Kürzüch wurden von der k. Gruben— 
ꝛerwaltung dahier zwei selbstwirkende Feuerlöschapparate, Extink 
eurs nach Zuber angeschafft. Einer derselben wurde vot einigen 
Tagen in der früheren Coaksanlage der Herren Lamarche und Schwarz 
iner Probe unterzogen. Diese ist, wie wir hören, zur größten 
zufriedenheit ausgefallen, und hat sich der Ertintleut als ein wick 
amer und zuberläfsiger Feuerlöschapparat gezeigt. Derselbe ist ein 
wa 70 bis 80 Centim. hohes cylinderförmiges Gefäß, das inch. 
jüllung 100 Pfund wiegt und von einem Mann⸗ leicht in zwei 
Riemen auf dem Rücken getragen werden kann. Die Füllung 
besteht in 35 Liter Wasser, Jus Hfund doppelt kohlensauerm Natron 
und 1 Pfund Schwefelsäure. Der Ausfluß der Füllung geschieht 
durch einen Schlauch, den der Träger mit der rechten Hand lenkl. 
Der Strahl hat eine Tragweite von etwa 18 Meler, 
Um die Wirkung des Extinkteurs zu erproben, war auf dem 
oben genannten Plaßze ein anfehnlicher Haufen dürrer Holzscheite 
und Ueberreste von Harzfässern, Alles gut mit Harz gesättigt und 
so ein ausgezeichnetes Brennmaterial, aufgeschichtet und in Brand 
zefetzt worden. Bald siand die Masse in heller Flamme. Der 
Erlinkteur wurde jeßt in Thätigkeit gesetzt und schon nach wenigen 
Augenblidden war die Flamme dedämpft. Die Wirkung war eine 
iberraschend schnelle. Da das Innere des Holzstoßes dem Strahle 
weniger ausgesetzt war, so konnte auch dort die Gluth nicht voll⸗ 
dändig gelöscht werden und setzte sich darum nach einiger Zeit das 
Banze wieder in Brand. Dreimai wurde der Extinkteur gebraucht 
und immer war die Wirkung dieselbe vorzügliche. Die beim Be⸗ 
pritzen der Brandobjekte erjielte Kohlensäure ist es, welche durch 
momentanes Absperren der äußern Luft das Feuer erstickt. Eine 
Wiederentzündung kann nicht mehr leicht vor sich gehen, weil in 
Folge des im Wasser aufgelösten Natrons die bespritzten Theile mit 
einer dünnen Kruste überzogen werden. 
Der Haupwerth des Extinkteurs liegt darin, daß durch ihn 
rasche und wirksame Hilfe leicht an jede, auch sonst schwer zugüngige 
Brandstelle gebracht werden kann. Es können dadurch Brände leicht 
m Anfarge erstickt oder auf ihren Herd beschränkt werden. Sehr 
deeignet ist der Appacat darum für Fabriken großere Werlstatten 
und allein stehende Gebäude! 
Aus Ensheim, 20. Juni meldet die „Pf. P.“: Heute 
ereignete sich in der hiesigen Fabrik ein schrecklicher Unglücefall. 
Ein neuer Schleifstein, der zum ersten Male in Gang gesetzt wurde, 
jersprang, und einem Arbenter, einem Familienvaler, wurde von 
einem Steinsplitter der obere Theil des Kopfes der Art zerschmettert, 
daß der Mann nach wenigen Stunden starb. GPf. P.) 
F. Der Stadtrath in Landstu heil hat die Erbauung einer 
Gasansialt für Landstuͤhl beschlossen. 
fF Aus Lambrecht, 20. Juni meldet die „Pf. Z3tg.: 
Heute Nachmittag wüthete zwischen hier und Reidenfels ein furcht⸗ 
bares Gewitter. Die Schlossen bedeckten Fuß boch die Felder, 
Wassermassen schwemmten das Heu und die ẽkrde herab und schwollen 
in dem Thale zu einem mächtigen See an. Hier mußte mehrmals 
Sturm geläutet werden. Der Nachmittagszug aus dem Westrich 
erhielt wegen Unterspielung der Eisenbahn eine bedeutende Verspätung. 
Die Verheerungen in der hiesigen Gegend sind sehr ftark. Der 
Speyerbach wälzt seine rothe Fluthen rauschend das Thal hinaut 
und hal auch bei Neustadt die niedergelegenen Geläͤnde überschwemmt. 
f Aus Kaiserslautern, 21. Juni schreibt die „Pf. P.“ 
Bestern Nachmittag wurde die Leichenfeier des verstorbenen kathol. 
Ldehrers Krell von hier in unliebsamer Weise gestört. Während der 
Sarg vor der Thüre stand und die versammelten Lehrer einen 
Thor sangen, schlug der Blitz in das Trauerhaus. Die zerschmet⸗ 
eiten Ziegeln prasselten herab, ein Theil der Anwesenden wurde 
bon dem Luftdruck zu Boden geschleudert, die Kinder schrieen, die 
Aebrigen standen vor Schrecken bebend und jeichenblaß; kurzum es 
war eine unbeschreibliche Scene. Glücklicher Weise wurde kein 
weiterer Schaden verursacht und kam die Trauerversammlung mit 
dem Schrecken davon. 
fDer „D. A.“ berechnet den durch das Gewitter am 18. 
d. in Deidesheim und Forst angerichtelen Schaden auf 
l Misllion Mark. 
fF In Neustadt wird am nächsten Sonntiag den 24. Juni, 
Vormittags 10 Uhr, die erste Del egirtenver sammlung des Berbandeß 
der pfälzischen Gewerbvereine für 1877 abgehalten werden. 
FIn Iggel heim hat sich am 19. Juni der schon ziemlich 
zejahrte Ackerer G. L. Brendel in Anwandlung von Trübsinn in 
seiner Wohnstube am Nleiderschrank erhängt.