Full text: St. Ingberter Anzeiger

der großeren Wahrscheimichkeit, daß die Türkei schließlich von den 
Kussen zermalmt werden wird, hat sich der euaopaãischen Diplomatie 
vieder eine große Ruhrigkeit bemachtigt, zumal nicht blos im Lon⸗ 
boner Cabinet ein großeb Mißtrauen gegenüber den wiederholten 
Verficherungen Rußlands hertscht dasseibe ewolle keine Gebietser⸗ 
weiterungen machen. Aber selbstefür den Fall, daß Rußland weder 
da eine dauernde Occupation Bulgariens, noch an eine vorüber⸗ 
gehende Besetzung Constantinopels denkt, werden doch eine Menge 
Fragen auf dem Gebiete der hohen Politik entstehen, welche nicht 
tinseitig, sondern nur auf internationalem Wege geregelt werden 
naen“ Dahin gehört vor Allem aber die bulgarische Frage, 
die Frage von der Freiheit der Meerengen, also die 
freie WDirchfahtt · des Bosporus und · der · Dardanellen·. Rußland 
detlangt natürlich die letztere, um mit seinen Kriegsschiffen jeder 
Zein die Position nehmen zu können?, die seinen Juteressen am 
neisten entjpricht. während England die b serigen vertragsmäßigen 
Bestima ungen aufrecht erhatten wissen will. Wos sodann Bulzarien 
anbelrifft, so hat belannlich Kaiser, Alexander sich periönlich dafür, 
verbürgt/ daß Rußland diese Provinz nicht zu erwerben trachte. 
Die Frage ist aber aicht minder wichtig, ob Bulgarien zu eintm 
selbsislandigen Fürstenthum erhoben und von der Türkei abgetrennt 
werden soll. Im letzteren Fall wäre über das Schickfal der 
europaischen Tuͤrkei enijchieden, denn ein durch türkisch Altserbien 
vergroͤßertes Serbien/ ein selbsiständiges Rumänien mil der Dobrudscha 
dereinigtnein durch Epirus, Thefialien. Albanien vergrößerles 
Griechenland lassen von der Türkei so wenig übrig, daß die Herr⸗ 
schaft des Sultans in Constantinopel nur noch der Diecretion jener 
jeibststandigen Staate uͤber lasien bliebhee . 
Berltin. Die von dem Congreß der Industriellen in Frank⸗ 
furt a. Me beschlossene Petition an den Kaiser soll durch die HH. 
Krupp· und Staub alz Deputirte des Congresses überreicht werden. 
In der gegenwärtigen schutzzöllnerrschen Bewegung in Deutschland 
dal fich wiederholt das Bestreben geztigt, die Person des Kaisers 
den Sireit der handelspolitischen Parteien hineinzuziehen, durch 
die Hilfe des Monarchen auf die Zollgesetzgebung einen Einfluß 
usiben welcher bei den beiden Factoren der Reichegesetzgebung 
Bundesrath und Reichstag nicht zu erlangen war. Am weitesten 
ging schon im Jahre 1875 jene schutzzoͤllnerische Adresse Batmer 
Fabrikanten, welche dem Kaiser einen directen eigenmoöͤchtigen Ein⸗ 
griff in die Zollgesetzgebung und som't thatsächlich einen Bruch der 
Reichsverfaffung zumuthete. In vorsichtigerer Weise sind derartige 
Bemuhungen seildem wohl weiter angewerdet worden. Es lonnte 
daher nicht überraschen, daß auch die zu Frankfurt versammelt ge 
wesenen schutzzöllaerischen Industriellen über den Vundesralh und 
den Reichstag hinweg das Ohr des Kaisers für die geforderte 
Untersuchung der Lage und Bedürfnisse der Industrit zu gewinnen 
suchen. Die ihrem Beschlusse bocangestellten Ecwägungsgründe 
machen der Regierung und dem Reichstane in scharfer Weise den 
Forwurs, daß sie-—die thaisachlichen Verhältnisse der deutschen 
Industrie, den Einfluß der unserem Vaterlande eigenthumlichen 
Institutionen und die sonstigen für die Entwickelung der deutschen 
Frwerbsthätigkeiten maßgebenden speciellen Factoren viel zu wenig 
— dieser Verurtheilung des Bundes— 
raihs und des Reichstags wollen unsere Schutzzöllner begre flcher 
Weise mit diesen Factoren nichts mehr zu thun haben. 
Die Deutssche Reichsb anke übernimmt jetßt auh für 
hre Giro⸗Konden die Einholung des Aecepts von auf Baulplatze 
gezogenen Wechseln, desgleichen die Abhebung von Orig nalwechselu 
gegen Vorzeigung von Duptikaten oder Kopien an Banlplötzen. 
In beiden Fallen: ist der Aufirag unter Benutzuag der lostenfrei 
zchältlichen Focmulare unmitlelbar an diejenige Bankanstalt, welche 
die Accepleinholung, resp. Abhebung besogen soll, srantirt abznsenden. 
An Gebühren sind für jeden Wechsel unter 10,000 M. 50 Pif., 
jür jeden Wechsel von 10,000 M. und darüker 1 M. dem Auf—⸗ 
rage baar oder in deutschen Postfreimarken beizufügen. 
Die Nachricht von dem Auftreten des Kartoffel Käfers bei 
Müäühlheima. Rh. hat dem Minister für die landwirthschaft⸗ 
ichen Angelegenheiten, Dr. Friedenthal, Veranlassung gegeben, sofort 
die energischsten Maßregeln zur erfolgreichen Bekämpfung des 
zefährlichen FJuselts anzuordnen. Der Regierung sind die ersorder— 
uͤchen Mitlel zur Ausführung der Vertilguͤngsmaßregeln überwiesen 
und geraue Nachforschungen uͤber die Enschleppungsart angeordnet. 
ils Sachverständiger ist fofort der Prof. Dr. Gerstäcker von Greifs⸗ 
dald nach Mühlheim entsandt worden, um den Kafer genau zu 
hestimmen und Denluell den Behörden mit dem nöthigen sachver⸗ 
ständigen Beirathe zur Hand zu sein. 
Ausland. 
Wien, 27. Juni. Meldungen der Politischen Corre⸗ 
pondenz“: Cettinje, 26. Juni. Heule jog sich die ganze Macht 
der Türkea nach Podgoritza zurück; gestern fand die Vereinigung 
der beiden montenegr'nischen Heere am Kosov lug statt. Zwischen 
Hlaninica und Sputz befinden sich keine Türken mehr. 
In demselben Augenblick, da die Schreiben von Gra Verd 
ind Fuͤrst Gortschakoff zur Beruhigurg der Gemüther wegen etwaiger 
haterer Verwickelungen veröffentlicht werden, ihut sich an einer 
nderen Slelle eine Perspective auf, welche den Ausblick auf einen 
VDeltbrand*“ gewährt. Der -Kölnischen Zeirung“ wird ein vor 
durzem geschriebener Brief des Czechenfuhrers Rieger mitgetheilt, 
n welchem die Ueberzeugung ausgesprochen wird, daß Rußland 
jen Krieg nicht begonnen hat, lediglich um 4 Millionen Christen 
wder Bulgarei zu befreien, „sondern seine Absicht war, den 
OOjahrigen gordischen Knoten zu durchhauen und alle unter dem 
remden Joch schmachtenden Slaven zu befreien.“ Rieger faährt 
ort: Seit dem Anfaag dieses Jahres waren es hauptsächlich die 
zechen, welche unter unseren unglücklichen slay schen Brüdern die 
zidilisation und den politischen Geist verbeceiteten- Deshalb halten 
hie auch auf unser Recht, die panslavistische Bewegunge wentgz sie 
Osserresch ausbricht — und dies wird turze Zeit nach dem 
lebergarg der Russen über die Donau geschehen — in die Hand 
a nehmen.“ Demnach können wir für, die nächste Zeit auf inte— 
essante Erscheinungen in Oeslerreich“ gefaßt sein. Die Vertreter 
er „Civilisation und des politischen Geistes“ werden es im Falle 
affischer Siege an Rodomoniaden sicher nicht feblen lassen. Schade 
urn daß ihnen nicht auch die entsprechende Truppenmacht zur Ver⸗ 
ügung steht! Wir halten die Lebenskraft der österreichisch⸗ungarischen 
Ronarchie doch für noch stark genug, uni der panslavistischen Be⸗ 
oegung? innerhalb der Grenzen ihres Reichts Herr zu werden. Im 
lebrigen sollten die Herren Czechen bedenken, daß Deutschland bei 
er ebenluellen“,Befre:ung“ der unter österreichischem Joch schmach⸗ 
enden Slaven“ auch ein Wörlichen mitzusprechen hätte. Und wie 
es Wörtchen lauten würde, kann nicht zweifelhaft sein. Der 
eutsche‘ Reichskanzler hat oft genug in Gesprächen betont, daß 
Ddeutschland zu einem act' ben Eingreifen in die orientalischen Händel 
uur dann Veranlassung haben werde, wenn seine eigenen Interessen 
»urch dieselben gesährdet würden. Zu diesen Interessen rechnet er 
—0 schen Monarchie. 
Das deuische Volt denkt in diesem Punkte genau wie der Kanzler. 
)err Rieger kann also mit Sicherheit vorhersehen, an welcher 
—D Befreiungs“ ⸗Träume gründlich schei⸗ 
ern würden. 
Cattaro, 27. Juni. Die Türken lagern zwischen Spuj 
ind Podgoritza, die vereinigten Montenegriner hinter Orjaluka dei 
dumoni, — Bukarest, 27. Juni. Das ganze rechte Donauufßfer 
son Hirsowa bis Tultscha ist von den Russen besetzt. Es geht das 
herühr, die Russen passicen die Donau bei Sstowa (zwischen Rust⸗ 
huk und Nitopolis). 
Sondou, 26. Juni. Die „Times“ schildert die Kriegführung 
er Türken als einen Hohn auf alle Zivilisation. Russische Ver 
hundele werden schauerlich zetstümmelt. Moukhtar behanptet wie⸗ 
erholt, am 21. einen großen Sieg erfochten zu haben. Bei Souchi⸗ 
— der türkische Sieg den 
tussen 3000 Mann an Todten und Verwundeten. 
Die englische Regierung, welche von dem Zusammensturze des 
zmanischen Reiches immer mehr sich zu üderzeugen scheint und wohl 
ühlt, duß selbst einz Befetzung Konstantinopels durch engliche Truppen 
in dem Laufe des Krieges nichts u ändern vermag, ist daher auch 
ifrig bemüht, schon jett eine Verständ gung über die Frage, was 
us Konst ntinopel und Umgebung werden soll, mit den europäischen 
Mächten herbeizuführen, nalürlch in dem Sinne, daß Korstantinopel 
nter den Schutz der europäischen Mächte gestellt und zu einer freien 
Ztadt erklärt wird. Daß die Mächte sich in diesem Sinne einigen. 
hernt sehr wahrscheinlich zu jein. 
Eehwanberung in Amerika. Der New-Yorher 
Herald' hat sich die Mühe genommen, Erkundigungen über dit 
Tinwanderer“ einzuziehen, welche jetzt mit den europäischen Dampfern 
n Rmerika eintreffen. Er ist zu der Ueberzeugung gekommen, daß 
ije Einwanderung von Handwerkern, Feldarbeitern und Taglöhnern 
ↄ zu fagen ganz aufgehört hat. Fast alle ZwischendecPassagiere, 
ie in Rew⸗Hort anlommen, siud schon früher in Amerika gewefen, 
zänfig betreiben diese Leute einen Schmuggel im Kleinen, der ihnen 
venn nichts mehr, so doch freie Reise abwitft. Handwerker, wern 
e eiwas verstehen, finden ihr Fortkommen augenblicklich besser ijn 
zuropa als in Amerika, uad Lungeschickte Handwerker können in 
merita kaum das Salz zur Suppe verd'enen. Oft benutzen auch 
zeute, die vor Jahren eingewandert sind , die gegenwärtigen wohl⸗ 
rilen Fahrpreise, um das Land ihrer Geburt noch einmal zu be⸗ 
uchen. Andererseits kommen eute von Europa, von England 
Friand oder Deutschland herüber, um längst ausgewanderte Ver⸗ 
bandle noch einmal zu fehen. Kurzum die Eirwanderung in dem 
Siune, wie man früher davon sprad, hat, so zu sagen, ganz auf⸗· 
sehört und es müssen gauz andere Umslände eintreten, als fie jehi 
nAussicht stehen wenn sie sich je neu beleben soll. — 
RVermischtes. 
pHhHomburg. Der Gaͤntproceß zwischen zwei Bürgen 
on Großbundenbach ging am letzien Mitswoch vor dem k. Land