Full text: St. Ingberter Anzeiger

Fraklion des Ministeriums aufrecht. Ueberbauph ist jetzt in den 
Kundgebungen der angeblichen Freunde des Marschalls Mac Mahon 
nitgends mehr von der „Gefahr der Gesellschaft“; von dem „Schutze 
des Bestehenden“, von der „Autorität des WMarschalls“ die Rede, 
sondern mit dürren Worten von der Wiederherstellung des Kaiser⸗ 
reichs oder des Königthums, von zwei Dingen, deren jedes das 
andere ausschließt. So weit steht man schon, ehe die Wehlen nur 
noch ausgeschrieben sindd. 
Paris, 4. Juli. Die Herren Ruiz Zorilla, Munoz und 
Lagunero sind mit dem gestrigen Schuellzuce der Ostbahn unter 
ponigeilicer Bedeckung an die Grenze gebracht und in Avricour! 
auf freien Fuß gesetzt worden. Dies ist das klägliche Esde der 
Tomplottriecherei, in welcher sich der „Moniteur nasverfel“, der hier 
jedenfalls nicht das Organ des Herzogs Decazes gewesen sein konnte, 
seit vier Tagen gefiel. Telegraphischer Meldung aus Straßburg 
zufolge sind die drei Spanier heute früh dort eingetroffem. 
Zondon, 3. Juli. Der Daily Telegraph meldet: Die 
Russen seien gezwungen, die Belagerung von Kacs oufzugeben. 
Sie befänden sich auf der Linie in Armenien auf dem Rüchzuge. 
Schon gaben sie den Jaghaulidag auf, und suchten sich mehr in 
alexandrapol zu konzentriren. 
Die Absendung der englischen Flotte nach der Besita⸗Bai 
wird don den dosdoner Blättern ais zin durch die Umstände dri gend 
gebotener Schritt bezeichnet. Nachdem Rußland den Donauüber: 
dang glucklich begonnen, liegt die Möglichkeit gar zu nahe, daß ed? 
n“ seinen übetwächtigen Heereskräften das schn ächere Heer det 
Gegners eatweder in offener Feldschlacht vernichte oder mit Hinter 
lafsung einer für die Bewachung des türk schen Festungsveredes 
genũgenden Truͤppenmacht gegen die Hauprestadt des Reiches vor— 
Ade. Der „Daily Telegroph“ erhebt sich zu der destimmten Ver⸗ 
sicherung, daß England entflossen ist, sich nicht uͤberraschen zu 
lafsen, daß es den Schlüffel der Dardanellen nitht preisgeben wird, 
und daß das Schlußwort der oxrieutaischen Frage, nämlich Konstam 
nnopel, nicht der Gnade eines bloßen Zufalla anheimgestellt werden 
soll.“ Das Erscheinen der Flotte in der Besila⸗Bai ist demselben 
Slatie zusolge allerdings nur eine Vorsichtsmaßregel, die von den 
Verhältnisien dringend geboten wird, mag aber immerhin als eine 
hoöͤfliche Erwiderung duf den Derauübergang der Russen und 
As ein neuer Factor in dem gegenwättigen Stadium der orien 
talischen Frage“ aufgefaßt werden. 
o ad dn, 4. Juli. Daily-Rews meldet, daß vor der Au⸗ 
kunft der russischen Truppen in Sistova die bulgarische Bevölkerunç 
alle türkischen Häuser und Moscheen zerstörte und plünderte. 
Burarest, 4. Juli. Ein neues Schutze und Trutzbündniß 
Numäniens mit Rußland ist abgeschlossen. Dasselbe bezwecht nicht 
nur die äußere Unabhäng'gkeit, sondern auch di jenige ds Fürsten 
Farl von der Bevormundung durch d'e Parteien im Innern des 
Landes. Die Konsolidirung der Zustände soll mit Hülfe der krie⸗ 
gerisch disziplinirten Armee durchaejetzt werden. (Staatsstreih?) — 
Gerüchtweise verlautet, das die Russen die Stadt Medi dje befetzen. 
Die Geistlichteit in Bulgarien heißt die Russen überall feierlich 
willkommen und formulint kereits kirchenrechtliche Forderungen in 
Bezug auf die künftige Stellung der bulgarischen Kirche. 
Pera, 4. Juli. Der Statthalter von Sistowa stellt der 
Uebergang der Russen von Simnitza aus so dar, daß der Ferud 
an einer von nur einer Compagn'e schlecht bewachten Stelle auf 
300 Barken zuerst 2000 Mann Aber den Fluß gesetzt und danu 
noch Verstärkungen nochgezogen habe. Er, der Gouverneur, habe 
die Russen angegriffen, ihnen 4000 Mann geltödtet und 24 Ka— 
nonen in den Fluß geworfen. Schließlich seien die Türlen aber 
dennoch zum Rüchzug geröthigt worden. — Der englische Bot— 
schafter Lahard hatte heute eine Audienz beim Sultan. 
Der Spezialcorrespondent des „Standard“ im Haup'quartier 
der türkischen Armee in Asien, der Augenzeuge der „Schlacht be 
Sewin? gewesen, erslattete solgenden Bericht: „Ich sah die rus 
sischen Stre'tkräste, 16,000 Mann stark mit 24 Kanonen, zum 
Ungriff vorrücken. D'e türkische Streitmacht zählte 10,000 Manx 
mit 8 Geschützen, aber der numerischen Schwäche wurde durch die 
Sorgfalt, mit welcher die Positionen verschanzt und befestigt wor 
den, das Gseichgewicht gehalten. Die Russen eröffneten ein hef⸗ 
tiges Geschüßteuer und lancirten dann sechs Angriffskolonnen gegen 
deu linten nntischen Flügel. Die türk schen Kauonen wurden gut 
hedient und das Kleingewehrfeuer war concentrirt und verheerend. 
Aber⸗ und abermals ruͤckten die russisch en Kolonnen wit der größten 
Bradour zum Angriff vor, indeß nur um zertrümmert und besieg! 
zurückzuweichen. Der Kampf endete um 10 Uhr Abende, wotauf 
fich die Russen endgiltig zurückzogen. Die kürkischen, Vetluste über— 
steigen nicht 500 Mann, während die der Russen auf mindestens 
3000 Mann zu veranschlagen sind.“ 
gonstantinopel, 8. Ini. Der Ministet des Jeußeren 
Safvet Pascha, hat an die Vertreter der Pforte im Auslande; 
folgende Miltheilussg gerichtet: Das Pariser Journal La France“ 
ffentlichte am 21. Juni eine Note. welche der rumänische Mi— 
nister des Auswärt'gen Cogalniceanu am 15. v. Mis. an die dip⸗ 
somatischen Agenten der Großmächte in Bukarest gerichtet haben 
sfoll, worin behauptet wird, daß die türkischen Obermilitärbehörden 
und Truppenbefehlshaber den Befehl erhalten hatten, rumänischen 
Soldaten ggenüber keinen Pardon zu geben. —Sie werden er⸗ 
sucht, dieset Behauprung, welche eine Beschimpfung der türkischen 
Armee enthält und das Gehässige und Unredl'che solcher willkür⸗ 
lichen Behauptungen hervortreten läßt, das enischiedenste und be⸗ 
stimmteste Dementi entgegen zu setzen. Mit derselben Bestimmtheit 
dollen Sie det unwürdigen Beichuldigung desselben Blattes ent⸗ 
gegentretep,“ daß das cittassische Corps und nürkische Freiwillige 
Hdirten, Frauen und Kinder niedergemetzelt hätten. Es ist noth⸗ 
wendig, datz das unparteiische Europa die verleumderischen. Beschul⸗ 
digungen erfahre, zu welchen die Regierung der vereinigten Fürsten⸗ 
chümet „hrem Souzerün gegenüber sih nicht scheut, ihre Zuflucht zu 
nehmen. 
Konstantinopel, 8. Juli, Abends. Bel Sistowa fand 
—V Bataillonen ein Kampf 
ftati, wodei die Tuͤrken Sieger blieben. Der Kampf bei Alasch⸗ 
zerd war mit so großen Verlusten für die Rufsen vrbunden, daß 
sie genörchigt waren, die Bel gerung dvon Kartz aufzuheben; auch 
her Sudum-Kaleh sind Raffen neuerdings geschlagen. — Die 
Azence Havas“ meldet: „Der Versuch der Ruffen, bei Tokrakan 
äbet de Donau zu setzen, sei mißlungen. Zahlreiche Truppen 
seien nach dem Krie sschauptaz abgegangen. Demnächst findet eine 
Rekrutenausloosung stati.“ — Eia Telegranimdes Gouverneurs 
bon Erzerum meldet, daß die Russen aus Kar'kalffa vertrieben sind. 
velches die Türken ebenso wie die umliegenden Poßtionen befetzten. 
Die Türken ergreifen die Off nsive und bete:ten einen Angtiff aul 
Poti dor. 
Vermischtes. 
pLandau, 4. Zuli. (L. A.) Auf hierher gelangtt 
Anzeige, daß in det Nacht vom Samstag auf Sonntag in —X 
ein Diebstahl mittelst Einbruchs bei einem Schuhfabrikanten ver⸗ 
abt worden sei, ist es der Thätigleit der hiesigen Gendarmerie ge⸗ 
jungen, zu ermitteln, daß ein junger Mann am Soantag 10 
Pair Schuhe für 6 M. in einem hiesigen Pfandhause in Versatz 
gegeben und sodann zwei Säde mit 94 Paar Schuhen auf dem 
Ssbahnhose als Passagiergut aufgegeben hatte, welche mit Beschlag 
belegt wurden; der D'eb aber ist entlommen. FB 
In Folge anhaltender Geschäftsstockkung und Lohnherab⸗ 
sehung beginnen in Hof die Arbeiter unruhig zu werden. Die⸗ 
seiden haben in der letzten Zeit außerhatb Hofs Versammlungen 
urter freiem Himmel abgehalten. Sit Kurzem sind an den Magistral 
Droh⸗ und Brandbriefe — angeblich „von Arbeitern — gelangt, 
a Tenen alle mözlichen Schandthaten! in Aussicht gestillt find, 
weun nicht Arbeit und Verdienst geschafft würde uad namentlich 
die aus Anlaß der Bahnhofverlegung in Hof zusammengestroͤmten 
öhmischen und italienischen Arbeitermassen entfernt würden. Um 
für alle Fälle einigermaßen vorbere tet zu sein, hat num auf Au⸗ 
»rdeung des Magistrats die gesammte Hofer Feuerweht mehrert 
Wochen lang Nachtwachen zu halten, und seitens des dortigen 
Bez'rkzcommandos erging an eine Abtheilung Hofer Reserv sten der 
Befehl steter Bereitschaft zu allenfallsiger Dienstle stung. 
In München geht min mit dein Gedanken um, i2 
Jahre 1879 oder 1880 abermals eine internationale Kunstausstellung 
abzubalten. 
FHeidelberg, 4. Juli. Der Staatsrechislebrer Geh. 
Rath Zöpfl ist heate Racht gestorben. 
In Straßburg faud man einen 73jährigen Greis in 
jeiner Wohnuug durch 3 Hammerschläge geidotet. Der Moͤrden 
hdatte, um den Glauben an einen Selbstmord zu erwecken, dem 
deichnam nachträglch mit einem Rafirmesser den Hals durchschnitten 
iad dem Gemordeten das Rasirmesser in die Hand gesteckt. Ein 
Zufall fübrte zur Entdeckung des Thälers, eines eingewanderten 
deutschen Schusters. 
F Von dem Aufenthalt des deutschen Kronprinzen in Stet⸗ 
din dei Gelegenheit der Judiläumsfeier des Grenadier Regiment? 
Friedrich Wilhelm IV. am 29. Juni werden mancherlei hübsche 
Zuge mitgetheilt. Einem Krieger, der als seine frühere Garnison 
polsdam angegeben hatte, bezeichnete der Kronprinz sih lachelnd 
als Ooch Poiesdamer.“ — Von dem Bejsuche, welchen der Kron⸗ 
pring auf dem Festplatze der Unteroffiziere und Mannschaften ab 
ttantete, werden dec „N. St. Z.“ verschiedene Einzelheiten mitgetheilt. 
Jeder Soldat, mit dem ir sprach — und es waren decen nich 
venige — wurde von dem Kronprinuzen gewaltsam auf die Banl 
—V—— fitzer 
leiben solle, mit dem ganzen Gewichte seiner Perjsonlichteit unter⸗ 
ützte, indem er sich tüchtig auf des Grenadiers Schultern legte 
zrreichte er seinen Zweck jloͤstverständlich aafs Beste. Einen Sol⸗ 
daten fragte er, ob er schon beim vierten Seidel sei, und als diefei 
Aberlid angab. er wäre schon beim fünften. antwortete er: AUr