Sl. Ingberler Anzeiger.
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M 113. Sonntag/- den 22. Jui J 1877.
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Deutsches Reich.
Berlin. Die Commission zur Berathung des preußischen
Antrags wegen der Reichsstempelsteuer wird am 80. Juli unter dem
Vorsitze des preußischen Finanzrathes Girth zusammentreten.
Ausland.
Wien, 19. Juli. Aus türkischer Quelle verlautet, der
Minister des Aeußern Savfet Pascha sei gestürzt worden, weil er
ich geweigert, die Vermittelung neutraler Mächte anzurufen. Der
Sultan ist überaus kleinmüthig. Er hätte bereits Schritte im Sinne
des Friedens gethan, wenn er nicht die Ueberrumpelung Konstan⸗
iaopels durch die britische Flotte behufs Verhinderung eines direkten
Friedens mit Rußland furchtete.
London, 16. Juli. Wie Pall Mall Gajzeite wissen will,
vare plötzlich das weitere Vorrücken der Rufsen in Bulgarien aus
olitischen Gründen eingestellt worden.
London, 19. Juli. Die Times meldet, daß bereits 45
russische Bataillone den Balkan überschritten haben. Die Russen
dehen zwischen Kesanlik und Schipla. Der Kampf dauert fort. —
In Kleinasien steht Vtuthtar Pascha 10 (englische) Meilen östlich
jon Kars, die Russen stehen 12 (englische) Meilen von Sufatyenikoi.
London, 19. Juli. Nuach Daily News ist die Dobrudscha
zollständig verwüsiet. — Die Schlacht bei Nikopolis war die
lutigste des ganzen Krieges.
London, 19. Juli. Nach dem Daily-Telegraph ließ Gene⸗
al Loris⸗Meliloff 21 Kurdenhäuptlinge nach kriegsrechtlichem Spruch
ꝛrhangen. Darunter befand sich der Sohn des türlischen Generals
Diaffis.
Die „Polit. Coiresp.“ enthält folgendes Telegramm: Aus
Buktarest vom 19. ds.: Die Türken haben Tschernawoda ver⸗
zrannt und sich nach Silistria zurückgezogen. Tschernawoda wurde
jon den Russen besetzt, welche sich auch der Eisenbahn bemächtigten.
Die „Agence Havas“ meldet aus Konstantinopel: Abdul
derim Pascha soll abgesetzt und als Oberbefehlshaber durch Osman
Pascha ersetzt jein. Der Kriegsminister soll ebenfalls adgesetzt
vorden sein.
stonstantinopel, 18. Julsi. Von Küstendsche haben die
Kussen Besitz genommen. Somit ist jetzt die ganze Dobrudscha bis
sum Trajanswall, einschließlich der Eifenbahn in ihrem Besitz.) —
Hobart Pascha soll die nach Batum gesandte Escadre commandiren.
— Der Justizminister Hassin Pascha und der Divisionsgeneral
Savfet Pascha sind heute nach Adrianopel abgereist.
Madrid, 18. Juli. Die Regierung wird demnächst 10,000
Mann nach Cuba senden.
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Bermischtes.
f St. Ingbert, 20. Juli. Der Bäcer und Krämer
sudolph Daniel Cunz von Rohrbach, wurde durch Urtheil des
izuiglichen Zuchtpoltzeigerichts Zweibrücken am 18. Juni l. J. wegen
Berletzung feiner Ehefrau mittelst eines Revolberschusses zu Z Jahren
uind 2 Monaten Gefängniß verurtheilt. Dieses Urtheil, gegen welches
Tunz Berufung einlegte, wurde jedoch von k. Appelationsgerichte
n Zweibrücken aufrecht erhalten.
fSt. Ingbert. De nach der Kaoisetslauterer Zeitung
auch in der gestr. Nummer unseres Blattes enthaltene Notiz, daß
er Vorschußverein Blieskastel pro 1876 einen Verlust von 7781
M. gehabl habe, soll, nach Mittheilung der Zweibruder Ztig. ganz
rrig sein, indem der Vorschuß-⸗Verein Blieskastel laut feiner am
März d. J. veröffentlichten Bilanz einen Reingewinn von 7838
Mit. 65 Pfo. erzielie und auf die Stammanthee 800 Dividende
ezab lt.
tZweibrücen, 19. Juli. Wirth Schunk von Nieder⸗
zochstadt, der am 2. v. Mts. den 66 Jahre alten Küfer Preßler
uus Unvorsichtigkeit erschoß —, wurde von dem hiesigen Zuchtpoli⸗
aigericht zu 3 Monaten Gefangaiß verurtheilt.
Speier, 10. Juli. Gesiern Miitag erschoß sich in seiner
lasse ein 18jähriger Gymnasialschüler. Das Motiv des Selbsi⸗
mordes soll falscher Ergeiz sein, indem derselbe seine KNlasse noch
einmal repetiren sollte. Gh.)
t Mannheim, 16. Juli. Heute Vormittag sollte im
Hafengebiete ein Arbeiter wegen Diebstahl verhaftei werden, er ent⸗
lief dem ihn festnehmenden Schutzmann, sprang nächst der großen
Schleuße in den Kanal, kam aber nicht mehr an die Oberfläche;
jeine Leicht wurde bald darauf aufgefischt.
. Saarbrücken, 20. Juli. In der Nacht von vorgestern
nuf gestern wurde zu Göttelborn, Kreis Otiweiler, vor einem
Wirthshause, nach vorhergegangenem unbedeutendem Wortwechsel,
in Bergmann von einem Taglöhner erstochen. Der Thäter hat
ich heute selbst dem Gericht hier gestellt, und will in der Nothwehr
ilso gehandelt haben. Der Getödiete wie der Mörder sind ver⸗
jeirathete Leute, ersterer Vater von einem Kinde, letzterer von vier
ꝛindern.
F In der Verfälschung von Lebensmitteln spielen u. A. auch
die sogenannten Gesundheitsweine, als Malaga, Madeira, Portw ein,
Ungarweine, eine Rolle. Eine an die Behörde erstattete An zeige
enthüllte das Geheimniß der Fabrikation derselben in einer der
dunstweinfabriken Berlins. Von den großen Vorräthen des Kunst⸗
veinlagers ist nach den Etiqueites je eine Flasche mit Beschlag
elegt und chemisch untersucht worden, wobei sich ergab, daß sammi-
iche Weine aus Spiritus, einer Zuckerauflösang und aus verschie⸗
)enen Medikamenten je nach dem Geschmack, den der Wein nach
zem Etiquett repräsentiren soll, bestehen. Namentlich ist viel Ge⸗
vürz in der Flüssigkeit enthalten, dagegen auch nicht ein Tropfen
atürlichen Weins. Um einen recht großen Absatz dieses der Ge⸗
undheit keineswegs zuträglichen Getranks zu erzielen, haber die
Fabrikanten zu einem neuen Zugmittel ihre Zuflucht genommen;
ie haben nämlich in verschiedenen kleinen Städten Auktionen ver—
instaltet, auf denen ganz erhebliche Quantitäten verkauft worden
ind. Ob die Untersuchung auf Betrug oder auf Verfälschung von
Betränken nach 8 367 Nr. 7 St.G. B. zu richten ist, wird sich
aus dem Beschluß derselben ergebhen.
Eine Shlacht im Gerichtzsaala Aus Palermo
vird geschrieben: Wie füdliches Blut kochen lann, dasur wurde ein
Beweis vor dem hiesigen Korrektions-Tribunal geliefert, als dieser
Tage irgend ein unlergeordneter Fall wegen falscher Zeugenschaft
jor Gericht zur Zerhandiung kam. Es herrschte starker und leiden⸗
chaftlicher Widerspruch zwischen den beiderseitigen Zeugen. Eben
og sich der Gerichtshof zurück, um eine Beeidigungs⸗ Frage in Be⸗
'athung zu nehmen, als ein Entlastungszeuge dem Marchese
»Angelo, der als Belastungszeuge fungirte, vor dem versammelten
Publikum eine schallende Ohrseige verjetzte. Das aber gab erst
zas Signal zur allgemeinen Prügelei. Einen Moment später, und
die eine Hälfte der Zeugen lag der anderen buchstäblich in den
aaren. Sessel, Leuchter, Tintenzeuge, Tischbeine flogen durch
en Raum, und das Kruzifix selbst mußte es fich gefallen lassen,
o lange hin⸗ und hergeschleudert zu werden, bis es in Stücke ge⸗
jangen war. Mehrere Personen wurden übel zugerichtet, darunier
amentlich der Advokat Barbalonga, der Thürhüter und der Gerichts⸗
ekretär; der Staatsprokurator donnte sich nur mit Muhe in einen
Seitensaal retten, während einem Richter, der den Kopf aus
»em Berathungszimmer herausstrechte, um zu sehen, was es gäbe,
ofort ein wuchtiges Tintenfaß an den Kopf flog. Erst nach einiger
Zeit konnten herbeigerufene Wachen die Ruhe vieder herstellen.
F Wie man der ‚Wiener Abendpost“ aus Petersburg,
chreibt, hat Rußland selten eine so reiche Ernte gehobt, wie in
iesem Jahre und ist der Bedarf der ausländischen Märlte an
ussischem Getreide im Steigen begriffen. Jedoch find die Eisen⸗
ahnen nicht im Stande, die ihnen zugeführten Massen von Getreide
u befördern.
Der Ciar und türkische Kriegsgefangene. Vor einigen Tagen
ließ sich der Czar nach Tijche alle türtischen Kriegsgefaugenen vor⸗