seisflen. Darauf hat Se. Malestät der König besticinit, daß der
Dberste Schulrath seine Thätigkeit fortzusetzen habe.
Manch ein. Ein Ertenntniß des ovdersten Gerichtshofes
stellt fest. daß die Sammlung bvon Geldbeiträgen bei Volksver⸗
sammlungen ohne polizeiliche Erlaubniß, wean auch angeblich nur
zur Deckung der durch die Versammlung veranlaßten Kosten, nach
335 des Pouizeistrafgesetzbuches strafbar ist.
Berhin, 24. Jan. Wenn ein pariser socialist sches Blatt
in den jüngsten Wahlen zum deutschen Reichstag schon die Thton⸗
desteigung des deutschen Proletariats? erblickt, so heißt dus, der
Wahl von einem Dutzend Socialdemokraten eine viel zu große Be⸗
deutung 8.ilegen, Indessen kann die Zunahme der sociald mokratischen
Summen immerhin als ein Mene Tekel dienen. Wie man bört,
verden in unsern höchsten Kreisen die Gefahren de? allgemeinen
Stimmrechts in ernste Erwägung gezogen, und sogar die Frage er—
zrtert, ob es nicht Zeit sei, daran zu denken, auch füe den Reichse
zag das Zweikammer system einzuführen.
Das preuß sche Herrenhaus wird am 1. und 2. Februar
wieder Pleuarsihungen halten, und zioar zum ersten Male unter
dem Präsidium des Herzogs don Ratibor. Außer einigen inzwischen
i den Kommissionen zur Erörterung gelangenden Petitionen und
kleineren Gesetzentwürfen von lokaler Bedeutung wird sich das Haus
mit der Juterpellation des Grafen von Schulenhurg⸗Bechzendorf, dit
Aufhebung des Sequesters über das Vermögen des Königs Georg
don Hannover betreffend, beschäftigen.
Wie wir erjahren, ist das brasilianische Kasserre:ch mit Deutsch
land in Unlerhandiung üder die Einführung eines Mar ten⸗
Ich u tz es getreten. Die südamerikanschen Republiken Guatemala
ind Ncaragua haben mit dem deutschen Geschäftslräger dortselbst
Herhandlungen angeknüpft zwecks Abschduß von Handelsverttägen
mit Deutschland.
Oftffendach, 24. Jan. Bisher siud d'e Ergebnisse der
engeren Wahl zum Reichstage aus 57 Orien unseres Waͤhlkreises
heijannt geworden; darnach sind auf Dernburg (nationalliberal)
3285, auf Liebknecht 0880 Stimmen gefallen. Aus 32 Octen
fehlen noch die Berichte. Die Wahrscheinlichkeit des Sieges neigt
ich auf Dernburg's Se'te. Die Ultrams tanen stenmten, mit
venigen Ausnahmen, alle für Liebknecht.
Pforzheim, 24. Jan. Bei der engeren Wahl zum
Reichslage im 9. badischen Wahlkre se bat der conserdnive Can⸗
zidai Katz mit 10,614 Stimmen den Sieg davon getragen; auf
Jolly (nat.lib.) fielen 8712 Stimmen.
Straßburg, 23. Jan. Im Anschluß an früher bere'ts
zerüchtweise mitgetheilte Nachrichten verlautet jet bestimmt, daß der
aiser dem Reichslande für das Jahr 1877 einen Besuch zugedacht
hat. Der Kua'ser bat die bezüglichen Aeßerungen dem General v.
Franseckhy gegenüber bei dessen letzter Auwesenhent in Berlin getdan.
ẽrs ist Ende Mai, Anfang Juni als der Zeupualt der kaiserl'chen
Reise in Aussicht genommen, welche Mitz und Straßburg berühren
soll. Auch der Kronprinz wird, wie man hört, ‚die Reise mumuchen.
Ausland.
Wien, 23. Jan. Rußlands wiederholte Versuche, das
Wiener Kobinet und das Berliner Kabinet zu einer mit Rußland
zemeinsamen Alktion anzuregen, begegneten in Wien einem Aus
veichen, während man in Berlin darauf einzugehen scheint, aller⸗
dings unter dem Vorbehalt, daß auch O⸗sterreich acceptire.
Wien, 23. Jan. Der „Polit. Corr.“ wird aus Bagdad
remeldet: „In Mesopotamien hertfcht unbeschreiblicher Enthasias mus
ür den Krieg. De RedifBataillon sind statt 750 schon 1300
Mann stark. Man vredigt den hesligen Krieg. Viel Nomaden⸗
ramme boten dem Statthalter Reiterschaaren an. Die Regierung
debt eine doppelle Rerutenzahl aus. Auch viele Pferde und be⸗
deutende Geidsummen werden nach Stambul geiandt.“ Ein oöffizi⸗
zser Vrief aus Aihen regt die Abtretung von Epirus, Thessalien,
reta, Psara, Samos und Chios an Griechenland an, um welchen
nicht gerade bescheideren — Preis die Türkei die thatkraftige
Freundschaft Griechenlands gewinnen würde. — Die Differenzen
uber den Zolllarif zwischen Oesterreich und Rumänien sind beglichen.
Wien, 23. Jan. Im Ausmwärtigen Amt wird die Abberufnng
des türtischen Boischafters erwartet, Aleko Pascha ist aber noch
»hne Weisung aus Konstanunopel. Derselbe hatte gestern Abend
n Pesth eine Conferenz mit Andrassy. Wie es heißt, wird auch
Desietreich den Wiederbeginn des Krieges in Serbien nicht zugeben,
ind es verlaufet, daß in nächster Ziit ein gemeinschaftlicher Schritt
der durch das Drei⸗KaiferBündniß vertretenen Mächte in Stambul
staut finden werde, und zwar durch die Geschäfsträger. Die Piorte
zeigt sich jedem Zugeständniß abgeneigt. Sollie sie auf dieser Hal⸗
ung beharren, so glaudt man hier, daß der Gedanke einec Besetzuug
durch Rußland und Oesterreich wieder zur Sewägung kommen würde.
Iu der Umgebaug Andrassy's ist eine Annexionen micht abgeneigte
Stimmung wahtnedmbar, doch würde ein derattiger Plan bei den
Angarjschen Staatsmännern auf starlen Widerstand stoßen.
In Oesterreich hat man sich zu einer „Staatshilfe“ gegen den
Algemeinen No hstand entschlossen. Wie wir bören, finden in Wien
jeht ministetielle Konferenzen über Nothstandsbauten statt. Es sollen
auf Landestosten zur Unterstützung der Arbeiterbevötkerung umfang⸗
eiche Bauten wie Verbindungsbahnen, Flußregulirungen u. s. w
durchgejührt werden.
Paris, 24. Jan. Gestern wohnte das Versonal der
deutschen Boischaft dem vom Marschall · Prasidenten im Palais des
Flysee gegebenen Ballfest nicht bei, der Berliner Hoftrauer wegen.
In' Paris faßse man die se Abweienheit anders auf und schob ihr.
Ungesichts der jüngsten Zeitungspolemik zwischen Berlin und Paris,
politische Motide unter. Diese Jusiunation ist ganz grundlos, da
ediglich der im preußischen seönigshause eingeiretene Todesfall das
Fern dleiben der deatschen Boischuft von jenem Ball veranlaßt hat.
Konstantfinopel, 24. Jan. Die „Aqjence Havas“
neldet: General Ignatieff wird morgen, die anderen Botschafter
verden üdermorgen abreisen; diese!ben kounten wegen des Unwohl⸗
eins des Sultans (7) n'cht in Abschiedsuudienz einpfangen werden.
Wie man versichert, beabsichtigt die Pforte von der zranzösischen
stegierung einige Officiere behufs Einexereirung der Gendarmerie
ind von der englschen mehrere Finanzcapacitäten behufs RNeorgani-
icung des Fmanzwesens za erbilten. In den Regierungskreisen
vird gegenwartig über die bei'm Friedeusschluß mit Serbien und
Montenegro zu fliputirenden Bedingungen berathen⸗
Aus Sit. Peter Sb arg vird offizids gemeldet: Die gegen—
wvartige pofitische Lage charakterisirt der gestern den Direknonen der
354 russischen Eisendahnen auf vertraulichem Wege zugegangene Be⸗
ehl, alle Anordnungen zu treffen, daß vom 27. Jas. ab, im Falle
zer Noihwendigkeit, der Güterverlehr ohne Schwieriukeiten eingeftell
verden könnte, da die Thätigkest der Eisenbahnen daun ganz von
nmilitärsichen Trantporten absorbitt werden dürfte.
— —
Die Erstürmung des Schlosses Ehambord durch 8
Offiziere und 4 Mann der 8.Kompagnie des
arohh. hefsischen 4. Infanterie⸗Negiments am 9.
Dezembee I870.
Am 9. Dezember 1870 des Nachminags 84 Uhr, nachdem
die großh. dess. Artillerie den in St. Die sich feñgefetzt habenden
Feind zum Rockzug gedracht hatte, erhielt das 3. Bataillon des
toßh. dess. 4. Infanterie-Regiments, welches damls uux aus 83
dompagnien, der 6.. 7. und 8., destand, da die 3. Kompagnie
ur Bedeckung der Munitionskolonnen abkommandirt war, den Be⸗
ehl, sih des in seiner linken Flanke getegenen Parts und Schoffes
Chamdord zu bemächtigen und sich in ketzterem zur Vertheidigung
einzurichten.
Dee Part von Chambord bildet den nöredlichen Theik eines
wischen den Bachen Le Cosson und Le Beubron uiegenden Wald⸗
lomplexes, umsoßt eine Flache von eirca 15. 000 Morgen und ifl
a seiner gauzen Ausdehnung mit einer 12 Fuß hohen Mauer um⸗
jseben. Von Nord und Nordwest erlaubin 2 breite eiferne Thore
den Eintritt in den Park. Zu beiden Seiten der Thore find
abillonartige Gebaͤude (Beschließerwohnungen), deren nach außzen
jerichleten Fensterfronten jede Annaäherung auf das Wirksamste zu
‚ejchießen gestatien. Der Bestand des Waldes ist sehr verschieden.
Ju der Nahe der beiden etwäunten E'ngange ist lichter Hochwald
orderrschend, während in der Nähe des Schlosses Hochwald mi
ichtem Ünterholz siebht. Von Osten nach Westen durchströmt de—
Tosson den Park urd theilt denselben in eine füdliche und en⸗
röediiche Häifte. Zwei Hauptwege durchschneiden den Park. Vor
Norden nach Süden die Snaße von St. Die nach Bracienx und
hpon Osten nach Westen die Straße von Tboury nach Hursseau
Am Kreuzungspuntte beider Straßen liegt das Schloß Chamdord
Von der reichen histocijchen Vergangenheit des Schlosses Cham ⸗
zord will ich nur kurz Folgendes erwähnen: Dasselbe wurde unter
Franz J. als Jagdschloß erbaut, diente später dem dertriebenen
Po len!önige Stonislaus Lesczinssh, sowie dem Marschall Morih
don Sachsen, weich' legterer auch in Chanbord ftard, als Residenz,
wurde dang von Napoieon J. dem Marschall Berthier, Herzog von
Wagram, geschentt und endlich wieder vom franzoͤsischen Volke dem
duc de Berri als Nationalgeschend übergeben. Der Sohn des
detzteren, der legitime Eebe des frazösischen Thrones, führt von
diesem Schlosse jeinen Namen.
Das Schloß selbst ist ein massiver Baun dessen Hauptfront
nach Nordwesten gegen die Straße von St. Die gerichtet ist und
macht durch seine elwas phantastische Bauart, die fich in schlanlen
Z horn sleinen, Balustraden und Minarets, kegelförmigen Säulen
ind dier runden, 20 Meter im Durchmesser daltenden Thürmen
arstelli, einen eigeathümlichen, aber nicht unangenehmen Eindruck.
53 ist 156 Meter lang und 117 Meter breit, enthält 440 Sale
ind Zimmer und Stallung für 1200 Pferde. Zu den Kurioßitaten
es Schlosses gehört auch die im mittelsten Thueme angebraqte,
chön gearbeitete, doppelte Wendellreppe, auf welcher zwei verschie⸗
)ene Gesellschaften zu gleicher Zeit hinauf und hinabcehen können
ohne einander zu begegnen.