Full text: St. Ingberter Anzeiger

veroen, jedoch blos zu dem Zwecle, um Rußland zum Friedens⸗ 
chluß zu zwingen. So khnne man einen doppelten Ecfolg erzielen: 
den Frieden und die Resormen. Es ist nicht viel Wahrscheinlich⸗ 
eit vorhanden, daß Koffuth's Vorschlag von den Leitern der oͤster⸗ 
reichischeungarischen Politik berüchsichtigt werden würde. *8 
Paris, 22. August. Der gestrige Ministerath beschaftigte 
ich mit den Seitent der Prafecten eingelaufenen Derichter über 
ve Froffaung dex Generalrathe (gleich den Landrathen in Bayern), 
zie alle eine auherordentliche Erregung der Geifler und vielfach 
Jürmischa Zwischenfalle melden. Man spricht von Befedlen an die 
Prafecten, jeden Generalraͤth sofort zu schtießen, der sich mil der 
dolinit und mit Debatten über den 16. Mai beschäftigt. 
pereroberg; 28. Ang. Amtlich wird aus Gorni⸗Sluden 
Haupiquartier) von 21. d. gemeldet: Heute fruͤh griffen vierzig 
Falaiflone under der Führung Suleimann Paschas den Schiplka⸗ 
he aa, wurden iedoch wiederholr zuradgesvblagen. Der Kawp 
dauerie fort ungeachtet der bercits cingebrochenen Dunkelheit. — 
uieichzeitig find die Jürlen von Lowischa her gegen Selwi vorge⸗ 
mar; Minags degonn bei unserer Avantgarde in der Stellung 
SZalwi das Gewehrfeuer; der Ausgang dieles Gefechtes ist noch 
nicht belamt. 
Fin amiliches Telegramm aus dem russischen Hauptquartiet 
om 22. August Nachmittags sagt, daß der Kampf um den 
Sqaipta⸗Paß— welcher am 21. früh Morgens begonnen hatte, 
Aunterbrochen fortwaͤhrte bis zum Augenblich, wo das Telegramm 
vᷣging. Die Lurlen fiürmien immer wieder mit frischen Truppen 
daden aber von den Ruffen stets unter großen Verluß zurück 
peschlagen. — Von den anderan Theilen deß bulgarijchen ser eas· 
aupiszes melden die neuesten Derichte nur unbedeutende Gefechte. 
Sa. Petersburg, 22. UAugust. Bei der dewmnaͤchfligen 
Nettulenausbebung im ganzen Ldande sollen ausweismäßig 760,000 
Mann sich siellen. Doch sollen bis Ende Mai nur 436,000 Mann 
wugehoben werden. 
De Hongersnoihein Zengalen droht allarmirende 
Dimensionen anzunehmen. In Madras fürchtet man, daß Millionen 
don Menschen dem Huagerlode exliegen werden. Ein in der Times“ 
abgedrudler Privatbrief aus Banguͤlore vom 22. Juli außert sich 
iber baa Unglüdkwie solgt: Diese —— ist ein fürchter⸗ 
iches Unglück, und warum die Bevbilerung Englands nicht irgend 
velche Hufe sendet, ist im Suden Indiens ein Wunder für Alle. 
Man kenin sich keinen Begtiff davon machen, was ein Regenmangel 
n drei Saisonz hür Indien bedeulet. Es bedeutet einfach Tod 
ur viele Tausende. Die gegenwäctige Huagersnoth ist eine zehn⸗ 
al Udlimmere alz irgend eine der bisher dagewesenen. Tausende 
find bereits verhungent, und wenn der Regen ausdleibt, wie d'ies 
leider zu befürchten ist, werden Millionen sterben. Ich glaube nicht, 
zaß die Regierung den Druck, der auf ihre H'lfequellen ausgeübt 
wird, ertragen lann. Es scheint ein grausamer Spott zu sein, daß 
kngland für die Bulgaren und andere Geld sammelt, während 
seͤne eigenen Untersharen zu Tausenden Hungers sterben. Ein 
Flãchenraum größer als ganz Frankreich ist mit Entvölkerung 
bedroht. 
Kew⸗Yortk. Ueber die Kosten des amerikanischen Eisen⸗ 
bahnstreils schreibt die Newyork Worlid“: „Es ist keinahe geuau, 
u sagen, wenn man den Verlust der Streikenden au Loͤhnen 
dechnet, sowie Derzenigen die von ihnen zum Streik gezwungen 
vurden, und Derjenigen, die durch den Streil indirelt deschäftigungs⸗ 
lot gemocht wurden, ferner die durch Unterdrückung der Uncuhen 
ftandenen Kosten (einschließlich des Solds, Transports und der 
Berpflegung der Miliz und der regulären Truppen), sowie den 
wirllichen Verlust an Eigenthum (in Pittsbutg) auf 1,300,000 
Pfund Sterling geschaͤtzt — daß der Streik und die Aufstände dem 
Jirde Aood, ooo Pjund Sterling gelostet haben. Dieser Betrog 
ist gleihbedeutend mit einer totalen Mißernte des Tabals im ganzen 
Zande für ein Jahr. Ein Pfandleiher in Pittsdurg, dessen Ge⸗ 
IIXVV Pobel geplündert wurde, verlangt eine Ent⸗ 
dadigung von 8000 Dollars. Ein leitender Anwalt hat die Stadt 
zenachtichügt, daß ihm Ansprüche im Betrage von 156,000 Döollars 
zur Eintreibung übergeben worden seien u. s. w. Ein Pittsdurger 
Fournal schaht die Verbindlichkeiten des Landes auf 113 Dollars 
sür jeden Waͤhler. Die jährlichen Steuern in Pitt-burg werden 
don 300,000 Dollact auf 1,200,000 Doll. erhöht werden müssen. 
Hit ndern Worten: jeder Steuerzahler in Pittsburg wird für die 
nächsten 20 Fahre seine Steuerlast verdoppelt haben. 
Ueb⸗r Verfälschung der Nahrungs und Genufi⸗ 
mittel. 
Von Dr. M. Jakobsthal. 
Die Rothwendigkeit, der immer mehr überhand nehmenden 
Bersalschung der Rahrungs⸗ und Genußmittel in geeigreter Weise 
ntgegenzutreten, beginnt endlich in unserm Vaterlande einzuleuchten. 
Jo den groͤßeren Siaͤdten find theils Berathungen im Gange, in 
relcher Veise diesem Unwesen, welches dagz Publikum in kaum 
siaußucher Weile schadigt, gesteuert werden kann, theilb sind bereitt 
Kontrolstationen errichtet, welche mit der Ueberwachung der Be— 
kehesgegenstaäͤnde betraut sind. 
In Endgland wurde schon im Jahre 1862 von Parlamen 
in Gesetz erlassen um den Verfälschungen zu steuern, doch eist 10 
Jahre später, nach Erlaß einer neuen und verbesserlen Parlaments- 
icte. .tdulteration of Vood and Drugs Act*, trat jenes in so 
lern erst in Kraft, als in jeder Grafschaft und den groberen Städten 
Themiter angestellt wurden, welche die Untersuchung der Nahrungt. 
mintel auszuführen haben. Dem Beilpiele Englands folgten in 
rnerkennenswerther Weise Bayern und Sachsen. Ersteres errichtete 
eispinlsweise auf Staotslosten die wissenschaftliche Station für 
Zraue rei, Weihestephan, welche sich mit der Prüfung der in 
Bayetu gebrauten Biere beschäfgngt. In der Haupistadt des Lan— 
des werden seit einigen Jahren die Nahrungsmittel polizeilich über⸗ 
vacht und den chemijchen Stationen zur Untersuchung Aberwiesen. 
50 wurden im Jadbre 1875 nach der Denkhschrist des deutschen 
zandwirthschafis roihs an das Riichskanzler ⸗ Amt 839,816 Unter— 
uchungen von LeLensmitteln dorgenommen, 4727 an Brod, 9301 
in Bier, 97782 an Milch uad 14506 an Sleisch, die übtigen an 
joustigen Verkehrsgegenständen. 272 Berkdäufer wurden in Folge 
dieser“ Untersuchungen dem Staatsanwalte zur Verfolgung äbet⸗ 
wiesen. In anderen größeren Städten, Bayerns, wie Augsburg 
und Nürnderg, Hnd ebdenfalls Einrichtungen getroffen, der Rah 
unqsmittelverfalschung kräftig entzeg nzutreten. Von dier Thäugkeit 
Sachsens betreffs der Nahrungsmittelkontrole will ich nur erwahtuen, 
daß in Tresden und Leipzig hemische Stationen besteden. 
FBoher kommt es nun, daß den häufigen Verfalschungen und 
Betrügereien ein so großartiger Sp elraum gegeben ist, daß in so 
schamloser Weise die Käufer von Lehensmitteln getäuscht werden 
Ich moöchte das hausige Borkommen der Beteügereten auf 2 Ur—, 
achtu zurückführen: erstens auf das Publilum, zweitens, und zwar 
dorzugsweise, auf die mangelhaften Kontroleintichtungen. * 
Das Publilum selbst ist schuld, daß es so hintergangen wird, 
bwohl es sich sehr wohl bewußt ist, daß die gelauften Waarch 
zer Echtheit häufig enibehren. Sollue cs nicht beispielsweise jeder 
dausfrau auffallig erscheinen, daß die gesto ßzenen Spezexei— 
vaaren, wie namentlich Zimmt und Pfeffer, wesentlich billiger der 
auft werden, als in dem Zustande, wie sie der Kaufmann bezieht? 
Ind dennoch wird nach wie vor gestoßener Zimmt, da neben wenig 
Zimmt eine bedrutende Menge von Mehl, Ockererde und Ziegeb⸗— 
vehl enthält, gekauft. Es soll allerdiags nicht verlangt werden, 
daß Jemaund, sobald er eine Fälschung in einer Waare muthmaßl. 
diese zur Untersuvung schidt, doch wäre es nicht nur zwecent⸗ 
prechend, sondern gerade im Gesammtinteresse nothwendig, daß deun 
ustehenden Behörden, namentlich der Polizei, Faͤlle von ellatanten 
zälschungen belannt gemacht würden. Doch das Puduikum ist inj 
hzroßen und Ganzen zu bequem, als daß es sich der Mühe unter⸗ 
iehen sollle, an richtiger Stelle klagbar zu werden. Im engften 
Zusammenhang mit der Bequemlichkert det Publikums stehen die 
nangel aften Controleinrichiungen. Die Revision eistrect fiq 
nesstentheils nur auf Milch, Buttet und Fleisch, während die dei 
leberwachung sehr bedürftigen Getänke und Spezereiwaaren gar 
iicht oder doch äußerst selten ins Auge gefaßt werden. Und diejt 
luterlassung ist meines Erochtens in der Hauptsache dem Publikum 
ur Lost zu legen. Unzweifelhaft würden jchon längst Untersuchungs 
umter Seilens der Behörden gegründet sen, wenn ihnen haufigz 
Anzeigen don Fälschungen gemacht worden wären. Doch wo leir 
Zläger ist, ist auch kein Richter. 
In den Städien, welche bereits Controlstationen besitzen, ge⸗ 
chieht die Controle in den meisten Fällen Seiltens der Polizei. 
Diese Proxis hat sich bisher gut bewahrt. Wünschenswerth ist & 
rur, daß die Revisionen in energischfter Weise ausgeführt werden, 
senn bei einer schlaffen Ueberwachung würden die Händler in ge⸗ 
visse Sicherheit gewiegt, hr bisheriges betrügerisches Treiden don 
deuem beginnen. Der teelle Kaufmann und Fabrikant wird dieses 
Brüfunge verfahren geweß mit Freuden begrüßen, indem dadurch die 
jewissenlose Concurrenz mit gefülschten Waaren wesentlich vermin 
zert werden wird. Erwähnensswerth wäre noch, daß der Verkau 
von Kunstfabrikater, wie 3. B. Kunstbutter und Ktunstweinen, durch 
die polizeiliche Controle keine Beschränkung erleiden soll, nur ist 
der betreffende Fabrikant oder Händler derpflichtet, dieit Waaren 
picht als echte auszugeben. 
Es erübrigt nut noch, den Lefern in lurzen Amrissen dorzu⸗ 
ühren, in welcher Weise die wichtigsten Nahrungs- und Geuuß⸗ 
nittel verfälscht wetden. In welchem Grade die Milch mit Wasset 
zerdünnt wird, dürfte wohl hinlänglich belonnt sein. Ag de 
—XEI 
welches allein in Berlin als Milch verlauft wird, auf 824 Hin⸗ 
ionen Liter, der Consum an Milch auf 3714 Millonen Liter, d. i. 
38,3 Liter auf den Kopf. Daß Butier seht häufig mit jremden 
Feiten, und, um fie jchwerer zu machen, mit Wasser, ja sogar mi 
-hwerspath und Bleipräparaten versetzt wird, ist durch diele Uater⸗ 
uchungen festgestellt. Ich selbst hotte kürjlich Gelegenheit, eim 
Zutter zu untersuchen, die bucch Wasser verfälscht war, es fanden