Full text: St. Ingberter Anzeiger

sollen sich auf 10,000 Mann belaufen. Vie Neue Freie Presse“, 
die schon einige Male die Einnahme des Passes gemeldet hatte. 
reitkläri heute diesen „fruchtlosen moͤrderischen Kampf“ für ein 
„geradezu verzweifeltes Unternehmen“, und setzt noch hinzu, daß 
a fur diefe nutzlose Aufopferung“ der braven und tampfgewohnten 
Regimenter des ehemaligen herzegowinischen Corps „keine Bezeich⸗ 
nung gebe, fie stark genug zu derurtheilen“. Das türkenfreundliche 
Blan spricht damit nur die Ansicht der Wiener maßgebenden mili⸗ 
lärischen Kreise aus, in denen man bei aller Bewunderung der 
Tu hügkeit der russischen und türkischen Soldaten nicht einig werden 
tann, wem auf dem Gebiet strategischer Ungeheuerlichkeiten der 
Preis gebühre. 
Ein Telegramm aus dem rufsfischen Haupfquartiere vom 28. 
uugust sagt: Gestern Abend hörte das Gewehrfeuer im Schipka⸗ 
Passe beinahe gänzlich auf. Heute früh war Alles ruhig. Unsere 
Truppen behalten ihre Positioner. Die Türken, welche sich hinter 
hen umgebenden Bergen verborgen halten, stehen in weiter Ent— 
fernung von den Batterien. General Nepoloitjchitzty wurde nach 
hemn Schipka-Paß gesandt, um die Lage zu beächticen. Die Ge— 
sammtzahl der Verwundeten vom 21. bis 27. August betrug 2480, 
darunler 95 Officiere. Die Zahl der Todten ist noch nicht be⸗ 
dannt. Die Aerzte und das Sanitätspersonal arbeiten ualer dem 
thätigen Beistand des rothen Kreuzes die ganze Zeit mit großer 
Selbstaufopferung. Die Verwundeten werden ununterbrochea aus 
Gabrowa weggebracht und es verlassen heute die letzten den Ort. 
Gezgeun Plewna und Lowatsch ist Alles rubig. 
Noch sind die Türken nicht Herren des Schipka⸗Passes; das 
gestern mitgetheilte Telegramm der „Times“ war eine falsche Nach⸗ 
icht. Ein am 28. August in Konstantinopel eingetroffenes Tele— 
aramm Suleimann Pascha's meldet, daß mehrere rufssische Angriffe, 
welche bezweckten, die von den Türlen besetzte Höhe Alikeri Zebel 
zur Linken des Schipka Passes wiederzunehmen, von den türkischen 
Truppen unter großen Verlusten auf russischer Seite, zurückgewiesen 
purden. Die Angriffe gegen die russischen Befestigungen werden 
forigesetzt. Suleimann Hascha sagt, die Türken hätien 2000 Ge— 
wehre erbeutet und die Russen hätten 3000 Todte. GHat er sie 
gezuͤhlt ) Von den Verlusten der Türken sagt er nichts. — Ein 
in Petersburg ous dem Schipka⸗Paß eingetroffener amtlicher Bericht 
dom 28. August sagt, in den türkischen Angriffsbewegungen se 
allmählich das Eintreten einer gewissen Erschlaffung unverkennbar; 
die bisherigen Sturmversuche der Türken hätten keinen Erfolg 
gehabt. 
Vom Kriegeschauplatze geht uns auf außergewöhnlichem Wege 
eine Miltheilung von so bedeutender Tragwei:e zu, daß wir sie 
nur mit aller Reserbe hier wiedergeben. Danach sollen Aeußerungen 
hochstehender Persönlichkeiten im russischen Hauptquartier eine große 
Sehnfucht nach Frieden dokumentiren. Ein ehrenvoller Friedens— 
vorschlag würde günstige Chancen der Aufnahme finden, wenn der ⸗˖ 
selbe den russischen Reformwünschen in der Türken und dem Schutz 
der türkischen Christen Rechnung trüge. Man sagt: man habe sich 
uüber die Lebensfahigkeit der Türkei getäuscht und sei gelkäuscht 
orden. Eine Nation, die sich mit den Waffen in der Hand be— 
haupten kann, sei noch nicht verurtheilt. General Ignatieff soll 
das Hauptquartier verlassen. — Soweit unsere Miittheilung. Uns 
will e8 ganz zweifellos erscheinen, daß die Sehnsucht nach Frieden 
im russischen Hauptquartiere in diesem Augenblicle nut von nicht⸗ 
militärischen Personen gehegt werden kann. Und andererseits muß 
es den im Hauptquartier an esenden Diplomaten, selbst wenn sie 
zu raschem Friedensschlusse neigen sollten, doch klar sein, daß das 
desqlagene Rußland bei einem von ihm immerhin erbetenen Frie—⸗ 
densschiusse nimmermehs dir Garantien erreichen kann, von denen 
eben die Rede ist. Sonach bleibt es immer noch u erfindlich, von 
wem diese befremdenden Aeußerungen gethan sein können. Das 
Wahrscheinlichste dürfte sein, daß eine hier und da — vielleicht 
gar von dem menschenfreundlichen Kaiser Alexinder bei der Nach⸗ 
richt von einem großen Verluste — gethane vereinzelte Aeußerung 
zu einer Bedeutung aufgebauscht worden ist, die ihr kaum zulommt. 
(Berl. Taabl.) 
Bermisqhtes. 
Zweibrücen, 30. Aug. Im neusten Militär Ver 
ordnungsblatt lesen wir: „Se. Maj. der König hasen sich Aller- 
gnädigst bewogen gefunden, am 16. d. dem —QXW 
Friedrich v. Krieger des 1. Inf.Regim. König für den am 9. v. 
Ht. bei Errenung eines Knaden vom Tode des Ertrinkens bewie— 
jenen Muth Allerhöchst ihre Anerkennung aus zusprechen.“ Hr. v. 
Krieger ist ein Sohn des Hrn. Kirchentaths Kriegec dahier. 
Zweibruͤcken, 30. Aug. Das hier in Garnison sle⸗ 
hende 58. Jagerbataillon wird am Freitag, den 7. September von 
hier nach Metz abmarschiren und am 23. September wieder hier 
eintreffen. 
FDer Stab und 2 Batterieen der 2. Feldabtheilung werden 
nächsten Monkag von Landau abmarschiren, un sich über Zwei⸗ 
zruden nach Metz zu den Uebungen zu begeben. 
7sRaiserstautern, 27. August. Heute stürzte sich 
ein fiebertranier junger Arbeiler aus dem dritten Stockwerke des 
Hospilals herab und blieb sogleich eine Leiche. 
4 In welchen Verhältnissen sich manche pfälzische Adelsfamilie 
u Ende des vorigen Jahrhunderts in Folge dec französischen Revo⸗ 
ution befanden, zeigt der nachstehende Brief eines Grafen von 
deiningen, welcher sich nebst der Hochzeitsweste, einer Geldbörfe 
und einer Briesnosche desfelben als Turiosität auf der Geruünn⸗ 
tkaditer Indusirie⸗-Ausstellung befindet. Dasfelbe lautet: „Mein 
ijeber Herr Latermann! Ich habde eine Bitte an ihn, ich hoffe er 
vird es mir nicht vor übei nehmen, sei er doch so gat und lehne 
er mir doch nur zwei Gulden, ich weiß er ist mir ein guter Freund 
und ich hoffe er wird mir auch helfen ich werde es ibm so wahr 
aAs Gott lebt werde ich es ihn gewiß wieder mit Dank zuschicken, 
— Freund Georg 
Graf Leiningen-Westerburg. Grünstadt, 20. Juni 1793. 
FHaßloch, 27. Aug. Unsere Lente sind mitten in der 
Tabalsernse, welche hener hier quantitativ und qualitativ vorzüglich 
zut aus fällt. Der Morgen Land giebt durchschnitilich 280 - 280 
Büschel, gedörrt etwa 10 Centner. Obenan ist dieses Mal der 
Fruͤhtabak, der nicht besser hätte gerathen können; die Blätter sind 
don seltener Größe uud Feinheit. Der später gesetzle Tabak konnte 
sich der großen Feuchtigkeit wegen nicht so ungestört entw'eckeln, 
veshalb derselbe heute noch nicht reif und auch in der Größe zu⸗ 
rück ist. Bei der vorzüglichen Witterung, deren wir uns seit acht 
Tagen erfreuen, läßt sich hossen, daß auch dieser Tabak einen reichen 
xrtfrag hinsichtlich der Menge liefern wird, jedoch bezüglich der 
Häte wieder himer dem erstecen etwas zurüchstehen. Gegea die 
rüheren Jahre ist heuer hier ein Drittel wen ger Tabak gebaut 
vorden. Immerhin werden hier 3000 bis 4000 Centver trockener 
Tabat auf den Martt gebracht werden können. — Als Folge des 
d lange geübten Unfugs der Neustadter „Spitzederei? gehen hier 
iber 40,000 Ma⸗k verloren, um welche zwei Familien gebracht 
verden, welche als hiesige Agenturen der Neustadter Gauner-Drillinge 
zu betrachten sind. Diese zwei Familien hier, vertreten durch die 
resp. Weiber, nahmen, verlockt durch die hohen Spesen, 12- 14 
»Cl. Geld auf zu 63 Procert, wo sie es bekamen, und leisteten 
Bürgschaft. Jehzt bleiben sie hüngen und verlieren ganz oder faß 
ganz ihr Hab und Hut. Rhpf.) 
'Saĩ. Johann, 24. Aug. Die Si. Joh. Z3.“ berichtet: 
Der laiserlich deutsche Generalconsul Günther von Bultzingslöwen 
zu Souraboya auf der Insel Tara hat die Nachricht hierher ge⸗ 
angen lassen, daß daselbst eine Wittwe Steenkamp mit Hinterlassung 
eines Vermögens von ungefähr 800,000 fl. verstorben sei. Dieses 
Bermögen fällt an deutsche Verwandte in Bayern, Würtemberg und 
Rheinpreußen und zum Theil auch nach St. Johann uad Umgegend. 
Söô jallen auf einen hiesigen arwen und braven Familienvater 
36—40,000 M., und gelangt diese Summe demnächst zur Aus—⸗ 
zahlung. 
Der „Magdeb. Zig.“ schreibt man aus Saarbrücken? 
Am 16. und 17. August fanden vor dem hiesigen Zuchtpolizeige 
richt die Prozeßverhandlungen gegen die beiden verhafteten Sozial 
rmokraten und Redakteure der hier erscheinenden „Freien Volls⸗ 
timme,“ Kaulitz und Hackenberger, Statt. Die Anklage richtete 
ich auf Vergehen gegen die 88 110, 130, 181, 185 und 187. 
Die Leiden noch jungen Männer hatten in ihrem Saarrevier eint 
ungemein rührige Agitation für ihre Partei begonren. In Ver⸗ 
ammlungen wurde der wüthendste Klassen aß gepredigt und Alles 
geihan, um die Arbeiter mit ihrem Loose unzufrieden zu machen. 
Zaulitz forderte sogar in einer Versammlung zu Quieischies mit 
dürren Worten zur Revolution aus. Achnlich wirkten Beide in dem 
Blatte „Volksstimme,“ welches von Artikeln mit Ausfällen gegen 
die bestehende Ordaung. die Staatsregierung, Behörden und Privaten 
scmlich strotzte. Eine Anzahl Reden und Zeilungsartilel der beiden 
Agitatoren waren deßhalb inkrimirt. Gegen die Beschuldigten lag 
in erdrückendes Beweismaterial in Stenogrammen, Zeugenaus⸗ 
agen und Druckschriften vor. Am gravicendsten gegen sie sprachen 
iber ihre beschlagnahmten Korcespondenzen und im Geiängniß auf⸗ 
zefangenen Briese, in welchen Theilung der Güter uund Einführnag 
der We bergemeinschaft, sowie Umsturz alles Bestehenden als Ziele 
der socialdemokratischen Bewegung hingestellt und den Gegnern blu⸗ 
ige Rache angedroht war. Der Stcafantrag ging auf 3 Jahte 
zefängniß. Das Uetheil, welches em 18. Ausßust verkündet wurde, 
autete, wie schon kurz erwähnt, gegen jeden der Angeklagten wegen 
nehrfacher Vergehen wider de 88 110, 180, 131, 186. 187 dis 
Straftesetzbuches und S 21 des Preßeseßzes auf eine Gesammige⸗ 
—XEVVVD— und 
Publitat'onsbefugniß betreffs der erwiesenen verleuniderischen Belei⸗ 
digungen. Beide Verurthcilie haben sofort die Berufung an die 
zoctettionesse Apelllammer angemeldet. 
f Bölklingen, 30. Aug. Seit Freitag Adend wird ein 
hier wohnender Metzger, Namens Friedrich Kramer, vermißt. Der· 
melbe war am 24. d. M. mit einer ziemlich bedeutenden Geldsumme 
nach Saarlouis gegangen, um in dortiger Gegend Viehkäufe 
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