Full text: St. Ingberter Anzeiger

Speyer, 18. Oki. Die „Pfaͤlz. Z.“ schreibt: Sicherem 
Bernehmen nach ist die Ernennung der drei weiteren Kreisschulin⸗ 
spectoren bereits eifolgt und dürfte in den nächsten Tagen ausge⸗ 
jertgt werden. 
p6 raßburg, 10. Okt. Die einheimischen Blätter 
lonstatiren in neuerer Zeit wieder eine große Zunahme von Rena⸗ 
uralisationsgesuchen und Optionszurücknahmen. Angesichts des fran⸗ 
ofischen Hexensabbaths wird sich Niemand darüber wundern. — 
Der Verwallungebericht des diesigen Bürgermeistervorstehers weist 
eine flädtische Einnahme von 3,366,177 Mt. 62 Pf. gegen eine 
Auẽgabe von 2812907 Mt. 87 Pf. im Jahre nach. Wahrlich 
rin schͤner Erfolg der umsichtigen deutschen Verwaltung! 
Durch Einführung der Brieftauben hat das miliärische Nach ⸗ 
eichtenwesen eine Ledenende Vervolllommnung exfahren und ist vor 
Qurzem in Metz das zur Aufnahme der Thierchen bestimmte Haus, 
welches auch d'e Wohnung des Warters enthält, fertig gestellt. 
Die Brieftauben der Siquon Straßburg i. E. sind in jüngster 
Zeit bis nach Wunzdurg gebracht, und hier fliegen gelassen worden. 
Dieselben gebrauchten Z3 bis 392 Stunde zur Zurücklegung des 
Weges bis zu ihrem heimathlichen Schlage in Straßburg. Selten 
snnt es vor, daß eine derselben ihre Heimath nicht wederfindet. 
Jetzt will man insofern Versuche anstellen, als man zu erfahren 
sucht, ob die Thierchen auch nach langerer Abwesenheit von ihrer 
Ddeimath den Weg zurückfinden, und ist zu diesem Zwece eine 
sroßere Anzahl derselben von Straßburg nach Würzburg cebracht 
Ind daselbst eingesperrt worden, um fie nach 4 Wochen lozzulassen 
Gegenwãrtig besitzt die Anstalt in Straßburg 600 pracht vollt 
Tauben, waͤhrend sie 1872 mit nur 100 Stück gegründet warde. 
fBraunschweig, 13. Ott. Großes Auffehen erregt 
die gestern Abend erfolgte Veihaftuug des Buchhalters Engelsmann 
im Geschäfte des Herrn Vieweg (Verlagshandlung und Buchdruckerei). 
Dieselbe soll vurch Unterschlagangen in ganz bedeutender Höhe 
(man spricht von zod, oo M) veranlaßt worden sein. Man 
jann dies wohl nur dadurch eiklären, daß sich E. durch gewandies 
nd einnehmendes Wesen das unumschräntte Vertrauen seines Chefs 
worben balte und es sich Jahre lang zu bewahten wußte. Hert 
B. soll sein ganzes modiles Nermoögen der Obhut dieses Mannes 
mverlraut gehabt haber. (B. T.) 
7Ein Todesurtheil gegen einen — Hund wurde in 
aller Form vom Kriminalsenat des Kammergerichts in Berlin 
Im 16. d. gefällt. Es ist die erste derarlige blutige Sentenz, de 
dieser Senat darchkirte, der Sachverhalt ist folgender. Herr P. 
in Lichtenberg hane einen Hund, den er rechtzeitig anzumelden ver⸗ 
gessen hatte Ind der deshalb der Lichtenberger Hund steuerverordnung 
derfiel. Letzlere ist nämlich weit drakonischer als die Berliner, denn 
hier wird auch Fei einer Defraudation der Hundeleuer in den 
Falle, daß die Strafe bezahlt wird, das vierbeinige corpus delicti 
nicht getödlet, aber Lichtenberg verlangt neben Steuet resp. Strafe 
auch noch das Blut oder das Fell des unversteuerten Hündleins 
Der erste Richter hatte in dem votliegenden Falle auf Freisprechung 
tannt, da er nicht für erwiesen erachtete, daß die Anme dung 
nicht rechtzeitig geschehen set. Die auf Appellation der Staatsan⸗ 
waltschaft vom Kammergericht wiederholte Beweisaufnahme ergab 
dies aber mit voller Besimmtheit, so daß sich der Gerichtshof in 
die Nothwendigleit versetzt sah, bei Herrn P. wegen Steuerd frau—⸗ 
dation auf 9 Mark Sirafe, bei seinem „Ami“, der bier in Wahr 
heit für seinen Herrn und Freund „bluten“ soll, aber auf , Ein— 
iehung/ — so lautet in diesem Falle die Umschreibung für die 
durch den Scharfrichter zu vollziehende Tode strase — erkeuren zu 
müssen. 
d Fürst Bismark hat hei irgend einer Gelegenbeit im 
Reichstage ein Pial die Aeußerung gelihan: das alte Sprüchwort: 
„er lügt, wie gedrudt? müßte jetzt eigentlich lau'en: „er lügt, 
wie legraphiri. Seil dem Ausbruch des orientalischen 
Zrieges hat deses Wort aufs Neue eine Bestätigang erfahren. Was 
ist in dieset Zeit mittelst des Telegraphen nicht alles gelozen 
worden! Wenn es früher die Telegraphea⸗Inst tute sich zur Auf · 
gabe gestellt haben, von allen Ereizuissen dem Publikum nicht nur 
dine schnelle, sondern dor Allem auch eine wahch itsgetreue Kunde 
zu Abermitieln, so hat man jetzt die Drathschrift und die Tele⸗ 
gramme dazu benutzt, eine sörmliche Verwirrung anzuriaten, und 
die dffenlliche Meinung Eurodas durch Verschleierung d.r Wahrheit 
zu duschen. Wos die üürkischen literarischen Bureaux in dieser 
Hinsicht geleistet haben, ist weltbekannt und man geht an die Lektüre 
ainer solchen Depesche in der Regel mit dem Bewußtsein heran, 
daß in derselben von der Tayhllecand'schen Kunst durch Worte die 
Gedanken zu verbergen, der ausg ebigste Gebrauch gemacht worden 
ist. Es ist dies eine wahre Kalamnat,, unter welcher das ganzt 
Zeitungsweisen leiden. Freilich hätte dieses Verschleierungs system 
deinen Erfolg gehabt, wend nicht Hewisse Depesche nbureaus diese 
Voschi⸗Bozuls-Telegramme bereitwilligsi als gute Prise aufnehmen 
und in alle Welt berbreiten würden, 
1 Ruüunzverhältnifse, „His dum 1. Sepibr. d. J. 
ren geprägt in neuem Gele 1.924 Millionen Mark. Einge⸗ 
zogen waren 972 Mill. Mk. in altem Geld. Von dem Ueberschuß 
don 951 Meall. Mk. ceht ab an Goldmünzen, die ins Ausland 
gegan en sind, etwa 250 Millionen, so daß vir immer noch 701 
Mill. Mk. Urberschaß haitten. Das wäre enorm viel und müßte 
allein schon alle Preije steigern, aber es muß bedacht werden, daß 
224 Mill. Mk. an ungedeckten Banknoten verschwunden sind und 
daß die Reichstassenscheine auch um 60 Mill. hinter den Massen 
früheren Stgatspipiers zurückbleiben. Immerhin aber haben wir 
setzt gegen 413 Mill. Mk. mehr Umlaufsmittel als früher. Dieses 
Plus isfi noch zu groß und es ist auch bekanat, daß man die Cir⸗ 
latiousmitiel durch Silberkäufe stetig zu mindern brabsichtigt, bis 
hie Goidwährung zur Wahrheit wird, und bis eine kleine Geld⸗ 
noppheit eintriti, die für die Ausbildung von Instituten wie die 
Fompensations-Häuser (eloaring-houso) oder Giro- Gelegenheit so 
aützlich ist. Wie viel aber auch in der Münz- und Baakfrage 
noch zu thun ist, es ist doch schon diel erreicht. Das ungedeckte 
Pap er eld hat fich von 611. 107,000 auf 323,511. 000 Mi. um 
17 Proz. reduzirt, An die Stelle des um 881,7 Millionen ver⸗ 
minderten Selbergeld Umlaufs ist ein Mehrumlauf von 1,172,871,000 
Pak. Goldmünzen getreten. An Sielle des in nicht weniger als 
22 Sorten in Umlaufe gewesenen Staatspapiergeldes cirluliten 
d'e Reichskassenfcheine und an Stelle der Thaler⸗ und Gulden Noten 
die Marknoten, deren Umlauf durch die gegenseitige Annahme bei 
den Banken bei Witem nicht die früheren Jukonvenienzen für das 
Publitum veranlaßt. Es hat sich hiernach in einer verhältniß⸗ 
näß'g kurzen Zeun (in 824 Jahren) in den Münze und Papier— 
jeld-Verhälin ssen Deutschlands eine bedeutende Umwälzung voll. 
sogen, dieselbe wird abee erst nach der Außercourssetzung der 2 
ind s Theler zum vollen Abschluß kommen. Der Vertkehr, xesp. 
die Banken, welche Thaler in ihren Kassen haben, werden Gold 
als Grfatz an sich ziehen müssen; der Bezug dieses Metalls vom 
Auslande wird desbailb und aus anderen Gründen noch manche 
Vewegungen am Gold- und Met IImarkte veranlassen. I 
f Ueber einen schrecklichen Fall von Lynchjust z wird autz Un⸗ 
garn berichtet: Am 28. S: ptember gerieth in dem Orte Zanar di 
im Somogyher Comitat ein Stall in Brand, wobri eine Kuh zu 
Brunde g'ng. Als das Feuer gelöscht war, äußerte der Besitzer 
des Stalles, Franz Sebesihen, Nemand Anderer könme das X 
zelegt haben als sein Brudet Ludwig Sebestyen, ein geistes verwirrter 
Mann. Mehr bedurste es nicht; das gereizte Volk ging auf die Suche 
and fand auch den unglücklichen Blödsinnigen bei einer verfallenen Mühle 
auf einem Sirohhaufen liegend. Und nun ging die Hetze los. 
Man begann den Unglücklichen zu peinigen, allin dieser mit großer 
ö pertraft begabt, entwand sich feinen Quälern und runnte in 
das Dorf nach dem Hause seiner Beüder, bei denen er Schuß zu 
inden vermennte. Hier jedoch ward er abermals ergriffen und in 
eder uur erdenklichen Weise gequält. Man schlug auf ihn los, 
erdrach ihm den Unterkiefer, tieckke HHm sodann das Ende eines 
Spr zenschlauches in den Mund und pumpte ihn halbiodt. Damit 
ioch dicht genug warf man ihn hierauf in die glühende Asche des 
Ztalles und stieß ihm eine eiserne Mistgabel in die Brust. Dem 
Tode nahe, schae, auf den Kuien sich wälzend, der Unglückliche 
„O, meine Brüder, um des gekreuzigten Christus willen helft mir!“ 
Aber die Brüder legten lein Wort für ihn ein; er wurde mit 
den Füßen zu Tode gestampft und als er die Seele ausgehaucht 
hatie, warf ihn die verthietie Menge auf die verdrannte Kah mit 
dem Rufe: Aas aui Aas!“ Etwa dierundzwanzig Stunden sräter 
wollte man ihn in dem Graben, der den Friet hof dis Dorfel 
umaiebt, verscharren, doch da teat der Pfarrer dazwischen und nadh 
vieler Mlihe gelang es, einen Sarg herbeizuschaffen, in dem die 
bis zur Unkenntlichkeit entftellte Leiche am vierten Tage nach der 
entsetzlihen That begraben wurde. 
f Ueber die Weinlese in Frankseich schreibt man 
dem „Eli. J.“: Der Herbst hat im mittägigen Frankresch und im 
jüdlichen Lyonna s begonnen und st von dem prachtvollsten Weiter 
begünstigt. Man weiß jetzt bestimmt, daß die Herbsteigebnisse viel 
zünstiger ausfallen werden, als manche Pssimisten prophezeien 
wolllten. Der Ertrag wird demjenigen des verflossenen Jahres 
leichkommen und wird der Wein in Qualifät Aberall gut aut⸗ 
allen, an manchen Orten den 1876ec noch übertreffen. Selbst de 
durch de Reblaus verwüstelen Dpartements (Gard, Herault, Bouches⸗ 
du: hone, Vaucluse, Drome, Ardeche) werden nahezu den Ertrag 
rines mittelmäß gen Herbstes lieiern. In Burgund und in der 
Thampagne haben die ietzten kalten Tage die Reife der Trauben 
aufgehalien; der Herbst wird etwas fpäter stattfiaden und wird 
derselbe, wenn auch nicht einen außerordentlichen Ertrag, doch einen 
ausgezeichneten Wein liefern. Alles in Allem wird der Herbst von 
1877 in Quantitäf wenig hiater dem 1876 zurückbleiben, hingegen 
diesen letzteten Jahrgang in Qualität noch übertreffen. 
fLondon, 12. Oll. Durch eine Kohlengrubenerdlosion zu 
Pemberton bei Wigan wurden 35 Arbeiter geibdtet 
p Ein Stück russischer Qultur. Vor Kurzem ißt in 
—XLVDDD