St. Ingberler Anzeiger.
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M 165. U Sonntag, den 21. Oktober 1877.
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Deutsches Reich.
Berlin. Fürst Hohenlohe, der deutsche Boischafter in
Paris, traf hier behufs persönlicher Informirung ein. Er wird
wahrscheinlich den Fürsten Bismarck in Varzin besuchen und kehrt
dann nach Paris zurück, da sein Urlaub zu Ende geht. Seine
Anwesenheit bringt man in unterrichtelen Kreisen mit den Wahlen
in Frankreich zusammen, indem dehauptet wird, daß sich der Bot—
schaster über die Ansichten der Regierung hinsichtlich des Wahlreful⸗
jats zun informiren wünsche. Fürst Hohenlohe wird dann noch
rinige Zeit in Norddeutschland verweilen, um bei dem Besuche zu⸗
zegen zu sein, den der Kaiser dem Bruder des Fürsten, dem Herzog
don Ratibor auf Schloß Rauden adzustatien gedenkt. Aufang des
nächsten Jahres wird der Botschafter wieder hier erwartet, um
seiner Pflicht als Reichstagsabgeordneter zu genügen.
Die zur Ausführung der Reich?zJustizgeseze erforder⸗
lichen beiden Geseßentwürfe, nämlich das Einführungsgesetz zur
Gerichtsverfassung und die lokale Organisation der Oberlandesgerichte
und Landesgerichte, liegen nunmehr dem Staatsministerium zur
definitiven Beschlußnahme vor. Da über das letztere Gesetz viel⸗
fache Vorverhandlungen zwischen den zunächst betheiligten Ministern
stairgefunden haben, so wird das Staatsministerium sich über dasselbe
wohl unverweilt schlüssig machen und die allerhöchste Geneh migung
rinholen koͤnnen. Durch das Einführungsgesetz kommt auch die
Frage der Aufhebung des Obertriduncls zur Entscheidung! Die⸗
selbe wird nach Lage der Dinge innerhalb der Staatsregierung
zleichfalls auf Schwierigkeiten kaum stoßen.
Auf der Versammlung des „Deutsqhen Architektendereins“ zu
Muünchen war im vorigen Jahre der Erlaß einer allgemeinen Bau⸗
ordnung für das deutsche Reich in Anregung gekommen. Die Aus ⸗
jührung eines solchen Unternehmens liegt indeß nicht in der Kom⸗
zeienz des Reiches, sondern kann nur durch die Gesetzgebung der
Einzelstaaten durchgeführt werden. In Würtiemberg hat man be
reits Versuche nach dieser Richtung gemacht, und auch in Preußen
ist man mit einem Entwurf beschäftigt, der sich indessen noch in
den Vorstadien befindet. Es scheint, daß man beabsichtigt, den
einmal asgeschlossenen Eutwurf der Kritil von Sachverltändigen zu
anterbreiten, bebor man denselben in weitere legislatorische Stadien
bringt.
General d. Wer der soll seinen Abschied zu nehmen beab⸗
sichtigen, so berichten süddeutsche Blätter. Wie es heißt, soll der
Thef der Admiraluät, General v. Stosch, an dessen Stelle das
Nommando des 14. Armeekorps Üübernehmen,, da die Defferenzen
zwischen dem Marineminister und dem Fürsten Bismarch, wie wir
bereils gemeldet, leineswegs ausgeglichen sind, sondern noch immer
fortbestehen.
nNusland.
Paris, 17. Olt. Die offiziöse „Ag. Havas“ schreibt:
Der Minister des Innern sprach sich Namens der Regierung gegen⸗
über den nach Paris berufenen Präfekten in solgendem Senne
aus: Die Zeitungsnachricht, daß das Ministerium seine Entlassung
angeboten habe, sei unbegründet; die Mininer haben keinen Augen⸗
blick daran gedacht, ihre Entlassung zu nehmen, ebensowenig wie
der Prasident daran denke, sich von ihnen zu trennen. Der Wahl⸗
lampf, welcher am 14. Ott. begonnen, hade den Konservat'ven den
Gewinn von 50 Kammersitzen eingetragen und werde am 28. Olt.
bei den Stichwahlen und am 4. Nov. bei den Departementswahlen
genau unter denselben Bedinzungen fortgesetzt werden, wie er be⸗
gonnen. — Eine Mittheilung des Comilés der Linken an die re⸗
publit. Blätter besagt, dak die Zahl der gewählten Republikaner
321 betrage, außerdem die Wahl der 4 Kolonien und 7 Stich⸗
wahlen der Roapublik sicher stien, firner daß drei Wahlen irrthüm
lich offiziellen Kandidaten zugeschrieben wurden, so daß also die
definit ve Zahl der gewählten Republikaner 335 betrage.
Paris, 18. Ott. Sämmtliche republikanische Journale
areifen auf's heftighe das Ministerium an, weil dasselbe nicht abtrete
Das „Vien Public“ bringt folgende Notiz in felter Schrift:
„In Gegenwart des uuerhörten Druckes und der stkandalssen That⸗
achen, die in den Departements vorkamen, benachrichtigte eine Anzahl
republkanischer Deputirten das leitende Komite der Senatslinken,
daß sie entschlossen seien, die Einleitung der Anklage gegen das
Ministerium vom 16. Mai zu berlangen.“
Bukarest, 17. Okt. Nach hier aus Turn⸗Mogurelli ein⸗
zegangenen Berichten hat das Bombardement gegen Plewna auf
der ganzen Linie begonnen. Von der in Plewna eingeschlossenen
Urmee treffen fortgesetzt größere Abtheilungen türkischer Deserteure
dei den Russen ein. Die Verbindung Osman Paschas mit Sofia
st unterbrochen. — Suleiman Pascha hat Rasgrad nicht verlafssen
and konzentrirt alle seine Truppen bei Kadilisi.
Aus dem Balkan wird gemeldet, daß dort der Schnee
einen Meter hoch liegt und deshalb größere mililärische Operation
dort unmöglich sind.
Konstantinopel, 17. Oktt. Ein Telegramm Mulhtar
Paschas aus Kars, 15. d. meldet: Heute früh tiafen wir Vor⸗
ehrungen, uns auf der Straße nach Kars festzusetzen, als der Feind
pon Hadjiwali her debouchirte und den Awliarberg, welcher von 4
Bataillonen und 3 Geschützen vertheidigt wurde, angriff. Der
Argriff richtete sfich sodann gegen unser Centrum bei Boulanik,
velches sich troz der als Verstärkung herbeigeeilten Flügelbataillone
nach vierstündigem unaufhörlichem Anstürmen der Russen und dem
perheerenden Feuer der Artillerie zuröckziehen mußte. Der Feind
besetzte den Awliarberg und alsdann successive die übrigen strate⸗
zischen Punkte auf der Seite von Kars, wohin wir uns mit einer
Didifion zurüdzogen, um einen Gegenangtiff vorzubereiten. Eine
weite Division, umfafsend die Abtheilungen Rachid Paschas, Omar
Paschas, Kiazim Paschas, Moussa Paschas und Cheflet Paschas
ziell die am Karadjadagh gewählten Pofitionen besezt. Der Feind
rhielt sodann zahlreiche Verftärkungen und brachte 20 Geschütze,
zedient von erfahrenen Artilleristen in den Kampf. Mehrere unserer
öheren Offiziere woren gefallen oder verwundet, 120 Regimenter
davallerie und 4 Bataillone Infanterie wurden völlig zersprengt,
außerdem waren etwa 800 Mann außer Kampf gesetzt. — Es
werden Vorbereitungen zu einem Winterfeldzuge getroffen. — Aus
Novi-Bazar von 15. d. wird gemeldet, daß die Irsurgentenchefs
Restan und Kharly in einem Gefechte geiödtet worden seien. —
Mehemed Ali Pascha hat in Pera ein Haus gemiethet. — In
Silistria sind zahlreiche Fälle von Fieberkrankheiten vorgekommen.
Tiflis, 16. Ott. (H. T. B.) An der gestrigen Schlacht
nahmen 70,000 Russen und 20,000 Turken Theil. Bisher sind
1000 Gefangene gemacht worden. Mulhtar Pascha soll nur müh⸗
sam der Gefangennahme entgangen sein. General Solowiew leitete
unter General Heimann die Sturm⸗Operationen. Unermeßliche
Beute ist den Russen in die Hände gefallen.
Vermischtes.
F Zweibrücken, 19. Oklt. Hr. Kreisthierarzt Göring
wurde gestern Vormittag aus der streisversammlung des landw.
Bereins der Pfalz hier durch die telegraphische Nachricht abberusen,
daß in Mannheim die Rinderpest ausgebrochen sei
(Gw. Zig.)
FWinnweiler. Die Verlegung des Forstamts nach
irchheimbolanden ist, wie das „Nordpf. W.“ aus zuverlässiger
Quelle erfährt, aufgegeben; es bleibt dasselbe vorerst in Winnweiler
bis zur neuen Organisation des Forstwesens.
f—In Gochghh eim starb ein lediger, sehr bejahrter Schuh⸗
nacher, welcher eine son derliche Lebensweise führte. Er schlief auf
einem Strobsacke, waährend er sein gutes Beit im Keller aufbe⸗
vahrte. Von den Erben wurden beim Nachsuchen im Keller im
Bette Obligationen im Werthe von 3600 fl. und auf einem Fenster,
das keine Scheiben mehr hatte, ein Bundelchen mit Silbergeld
von übet 8300 M. aufgefunden. Die Erben sollen von dieser
leberraschung nicht sonderlich unangenehm berührt worden sein.