Full text: St. Ingberter Anzeiger

leinem eigenen Gutdünlken folgen. Reformen in der Bulgarei 
eien nicht mehr ausreichend. Es bedürfe dort einer endgültigen 
Regelung. J 
Die Ermordung des deutschen Telegraphen⸗Beamten Kaiser 
zift, wie vorauszusehen war, von deutscher Seite zu unangenehmen 
Borfiellungen bei der Pforte benũtzt worden. Nachdem diese aber 
dezuͤglich allet Focderungen als Entschädigung der Fam'lie des 
Frmordeten, Bestrafung der Schuldigen ꝛc., nachgegeben, mithin der 
deutschen Reichsregierung volle Genugthuung geworden, dürfte der 
Zwischenfall als abgethon anzusehen sein. Davon, daß man sich 
deutscherseits aus diefem Anlasse bis zu der Forderung verst egen, 
z8 sollten die irregulären Truppen vom Ariegsschauplatze entfernt 
werden, ist in Konslantinopel nichts belannt. 
Immer von RNeuem taucht das Gericht von einer abermaligen 
Inthronisfirung Murad's auf. Nuri Pascha, Schwager Murabd's, 
si zwar berhaftet worden, seine Partei, die man die „Friedenspar— 
ui vennt, jei aber sehr groß und bestehe aus sehr angesehenen 
klementen der iürlischen Residenz. Uebrigens scell auch Hamid sehr 
friedlich gesinnt sein, und es wird versichert, der Sultan hörte 
nicht quf, den Gedanken zu ventiliren, direkte Friedensverhandlungen 
mit dem Czaten anzukaüpfen. 
Der große Nihiliflen-⸗Prozeß in Petersbur«a nimmt bei 
geschlossenen Thüren seinen Fortgang. Nur Vertrauenspersonen 
ird der Zutrin in den Gerichtssaal gestattet. Unter den 193 
Angeklagten befinden sich 38 Weiber; 12 Angeklagte find beereits 
gestorben. Diejenigen, welche dem Gerichts⸗Präsidenten die Antwort 
herweigern, werden in das Gefangenen- Transporthaus Obuchow 
abgeführt und in contumaciam verurtheilt. 
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Qaiserstautexn, 13. Nov. Wirth Kronenberget von 
Enkenbach wurde am 23. August wegen Führung von unerlaubten 
Biergläserr ()s Liter) vom Zuchtpoligeigericht Kaiserslutern zu 1 
Mark Gelostrafe eventuell 1 Tag Haft verurtheilt und wurde 
gleichzeitig die Confiscation der Glaser verfügt. Gegen dieses Ur⸗ 
heil legte Kronenberger das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde 
heim doersten Gerichtshofe ein, welcher die Beschwerde als unbe⸗ 
grunder abwies 
— Falsche Zwanzig⸗ Marl⸗Stücke, weist am Klauge kennilich, 
trculiren gegenwärtig. Vorsicht ist räthlich. 
F In Landau ist unlängst eine jun ge Dame in der Bade⸗ 
anstali, wo sie ein warmes Bad nehmen wollte, um's Leben ge⸗ 
sonmen. Man fand sie halb entkleidet mit dem Körper auf der 
Badwanne und mit dem Kopf im Wasser liegend. Der är tliche 
Befund lautete dahin, daß dieselbe wähtend des Auskleidens von 
iner Ohnmacht befallen wurde und dann mit dem Kopf in's Wasser 
erieth. 
Speiler, 13. Nov. Der Pfälzische Sängerkund umfaßt 
gegenwärtig 180 Vereine mit zusammen 5019 Sängern. Der 
Ausschuß bemerkt in seinem Jahresberichte: „In seinem heutigen 
Stande nimmt der pjalzische Sängerbund mit Rücksicht auf das 
Jerbalmiß der Sängerzahl zut Bevölkerung, unter sämmtlichen 
dandeẽt⸗ und Provincial⸗Sangerbünden Deutschlands die erste Sielle 
ein. Wir wünschen, daß auch die innere Kraͤftigung des Bundes, 
die mußskalische Leistungsfähigteit der Vereine, in gleicher Weise sich 
jort, entwickele. Die Hauptversammlung des Bundes findet Sonn⸗ 
jag, den 2. Dezember, Vormittags 11 Uhr, in der Baur'schen 
Wirtschaft auf der Haardt statt und wird dabei u. A. auch über 
in im Jahr 1878 abzuhaltendes Sängerfest Beschluß gefaßt werden. 
pPpᷣassau, 12. Nov. Gestern kam nach dem „P. T.“ 
ein, wie es scheint, seht vermöglicher Bauersinann zut Stadt, welcher 
einen Geldsack, enthaitend 2000 bayerische Zweiguldenstücke, dei 
fich irug. Gerne wollle et das viele alte Silbergeid gegen jetzige 
Münze verwechseln, jedoch scheint man ihm zu wenig für sein altes 
Geld geboten zu haben, da er, nachdem er mit dem Geldsacke den 
zanzen Tag herumgegangen, Abends wieder in sein Esnkehrgasthaus 
Jurücktam. Heute trug der Bauer seine 2000 , Zweiguldenstücke“ 
pieder heim. Kommen doch wieder zum vollen Werth, meint er. 
Doch dies erlebt weder er, noch seine Kinder und Kindeskinder. 
—Beim Gewerbegericht in Köln gelangte dieser Tage solgender 
Fall zur Verhandlung: Elne Altiengesellschaft, welche in Kalt ih e 
Fabtit Etablissements besitzt, bezahlte einem Techniler außer seinem 
Gehalt eine Tanlieme von 1 Proz. Nun hat sich herausgestellt, 
daß in Folge irrthümlicher Buchung dem Ingenieure die Procente 
don rund 420,000 M. im Betrage von 5600 M. zu viel ausbe⸗ 
ahlt worden sind. Die Direcltion der Aktiengesellschaft hat hierauf 
lage auf Rückgabe der zu viel bezahlten Summe erhoben. Das 
Vewerbegericht verurtheilte den Verilagten zur Rückgabe, trug aber 
dem Kläger auf, binnen 14 Tagen aus den Geschäftsbüchern die 
xtthümliche Eintragung nachzuweisen. 
In Baͤrmen wurden am 7. November 7 Spezereihänd⸗ 
ler wegen Verlaufts von verfälschtem Zimmt zu je 30 M. verur⸗ 
eitt.“ Die Angelschuldigten juchten sich da nit zu entschuld'igen, sie 
Vermischtes. 
älten nicht gewußt, daß der Zimmi verfälscht gewesen sei. Der 
Zoligeirichter erwog jedoch, daß die Händler, wenn fie vom Grossi⸗ 
en Zimmt beziehen, der pro Pfd. nur 1 M. kostet, wissen müßten, 
aß der Zimmt verfälsaht sei, weil reine Waare pro Pfund 6 bis 
M. tofte. Nächstens werden sich in Varmen weitere Spezerei⸗ 
andler zu verantworten haden, weil sie verfälschten Pfeffer, Essig, 
zetroltum e. verkauft haben. Auch ist gegen ein Mannheimer 
engros ⸗· Handlung, von dir ein Theil des oben erwuühnten Zimmt 
ezogen worden ist, eine Untersuchung eingeleitet. 
» Ein Satzfehler, wie er wohl in ähnlicher Weise nur 
elten von einem Jünger der edlen Buchdruckerkunst ausgeführt 
vorden sein mag, hätte beinahe das 5. Heft der von Oito Moser 
serausgegebenen Chronik von Leipzig betroffen. Es wird namlich 
arin gesagt, daß vie Leipziger Bürgerschaft in eine „angesessene 
ind eine Anangesessent“ zerfiel; der Setzer hatte aber daraus eine 
„angesoffene und eine unangesoffene“ gemacht. Glücklicher Weise 
hurde die vom Korreltor glücklich übersehene Verwechselung dei 
der Revision entdeckt. 
Im Eisenacher Oberlande hat von Geisa aus die Wucherei 
der nach dem modernen Sprachgebrauch die „Halsabschneiderei“ 
o fiark uͤberhandgenommen, daß man dagegen einzuschreiten für 
röthig hält. Der Bejirksuusschuß hat die Regierung ersucht, beim 
zundesrath dahinn zu wirken, daß die Wuchergesetze wieder einge⸗ 
ührt und die allgemeine Wechselfähigkeit beseitigt werde; auch 
nöchten die Namen der Wucherer öffentlich bekannt geceben werden, 
amit man wisse, ob dieselben ihrre Wucherzinsen zur Versteuerung 
angemeldet haben. 
— Vor dem Kreisgericht zu Braunsch veig stand dieser Tage 
der Dr. mod. Bresgen auf Grund von Gutachten des herzoglichen 
Bghysikats und des Ober-⸗Sanitäts Kollgiums der fahrlässigen 
tödiung angeklagt. Er hatte einem kleinen Madchen, das furcht- 
ar an Stickhusten und auch an Lungenentzünduung hitt, Chloro⸗ 
orminhalationen verordnet. Nach eiuigen Tagen starb das Kind, 
ind es wurde gerichtsseitig eine Settion der Lesche angeordnet. 
nus dem weiteten Gange der Untersuchung resultirte die Erhebung 
zer erwähnten Anklage. Unfehlbar nun wäne Bresgen auf Grund 
er fraglichen Gutachlen verurtheilt worden; er hatte jedoch bean⸗ 
ragt, daß dieselben auch noch von Berliner Sachverständigen (näm⸗ 
ich den Geheimen Mediz nalräthen Liman uad Leyden, sowie dem 
Brefessor Dr. Liebereich) gep üft werden. Des war nun auch 
seschehen und zwar in der Weise, daß die Staatsanwaltschaft nach 
Zeriefuug des Berliner Gutachtens nicht einmal den Versuch machte, 
zie Anllaäge aufrecht zu erhalten, sondern selbst Freisprechung dean⸗ 
ragte, welche denn auch erfolgte. Das Berliner Gutachten zerpflückt 
die Braunschweiger Gulachten auf das Erbacmungslojeste. 
— Menschenfresser in Deutschland. Daß die Deulschen heute 
roch es nicht verschmähen, fich gegenseitig aufzufressen, diese Ert⸗ 
deckung theilt im „Peltit Lyonnais“ ein Franzose seinen Landsleuten 
nin. Er erzaäͤhlt nämlich, daß er, um Handels verbindungen anzu— 
nupfen, im vergangenen Ma Deutschland bereist habe und auch 
nach Nürnberg gekommen sei, wo er sich die Merkwürdigkeiten 
hurch einen Lohndiener habe zeigen lafsen. „Eben hatte mir der 
Maun“, so erzählt der Franzose, „mit e ner Gleichgültigkeil, als 
Jandele es sich um eine Katze, eine Stelle gezeigt, wo ein Apotheker 
zinen armen Wöoisenknaben erschlagen hat, als ich, hungrig und 
zurstig geworden durch das viele Herumlaufen, ihn ersuchtle, mich 
m einen Ort zu führen wo ich zu essen und vielleicht auch zu 
rinken bekommen könnte.“ — „Da find wir gerade am rechten 
Ilatz“, meinte der Mann, und fuhrte mich in ein ganz nahe ge—⸗ 
egenes dumpfes Bäßchen, und bald saßen wir in einem unde⸗ 
reiblich kleinen Zimmerchen hinter einem sauberen Tisch. Ohne 
ias pach unseren Bedürfnissen zu fragen, setzte der Wirth, eine 
Jerkulische Gestalt mit einem gutmüthigen Gesicht, vor Jeden ein 
Hlas Bier. Da ich so viel Deutsch verstehe, um mich über Essen 
ind Trinken zu verftändigen, fragte ich den Wirth, was es zu 
ssen gebe. Er nannte mir v.rschicdene Wurstarien und dann noch 
was, ein Wort, das ich nicht verstand. Ich wandte mich an 
neinen Füdrer mit der Bitte, mir das Wort ins Franzöoͤsische zu 
ibersetzen. — „Jambon do paysan,, sagte dieser mit der gleich⸗ 
iltigsien Miene von der Welt. — Enisjetzt nahm ich Reißaus. 
der nächsie Bahnzug trug mich von diesen Menichenfressern hinweg, 
neinem civilisitlen Vaterlande zu.“ — — Jules Renard heißt 
er Mann, dem unser harmloser „Bauernschinlen“ solches Ent— 
etzen eingejagt hat. 
p Vas Nerztliche Intelligenzblatt“ enthält folgende Corte— 
pondenz aus London: Nach e'nem Ausweis der indischen Regierung 
ind von November 1876 bis zum April 1877 (beide Monalte 
abegriffen) von einer Bewohnerzahl von 1384 Missl'onen (in 9 
ungerleidenden Provinzen Ostindiens) gestorben 373,993 Personen 
ind' zwat 182,114 derselden an Cholera. Das gewöhnliche Sterbe⸗ 
naaß ist um 188,945 übers hritten. 
pEin Bienenzüchter gIchreibt als Entgegnung auf die 
—X 
igeades: Die Bienen. denen ein besonders starler Instinkt die