Full text: St. Ingberter Anzeiger

vor Kurzem noch die türkischen Gefangenen gelagert. Dieselben 
ind in Gruppen zu je 600 Mann eingetheilt und erhalteu die 
gleiche Bekdstigung wie die russischen und rumänischen Truppen. 
Zwischen den rürtischen Gefangenen und den Rumaänen insbesondere 
herrscht ein reger, freundllcher Verlehr. Taback, Kaffee, Zwieback ꝛtc. 
Derden oft brüderlich getheilt. Die Offiziere verständigen sich gegen⸗ 
seitig entweder durch Zeichen oder halb türkisch, halb griechisch, 
holh rumänisch. Den Russen gegenüber sind die Türken reservirter 
sind antworten ihnen nur seht kurz oder gar nicht. Am 16. 8. 
MN. marschirten über 45,000 Gefangene von Plewna nach der Donau 
b. Es soll ein trauriget Anbuͤck gewesen sein, diese sonst so 
stolzen Gestalten waffenlos durch dea Koth waten zu sehen. 
Zonstantinopel, 24. Dez. In einer amtlichen Bekannt⸗ 
machung heißt es: Die Regierung verfolgt, indem sie die militä⸗ 
ischen Rüstungen fortsetzt, einzig und allein den Zweck, die Rechte 
und Unabhängigkeit des Reiches zu erhalkten, und richtet die Auf⸗ 
sorderung an dat Volt, mit Vertrauen in die Zukunft zu blichen 
Und den Uebelwollenden, welche die öffentliche Meinung gegen die 
Keierung zu deeinflussen juchen, lein Getör zu schenisen. In 
Regierungskreisen verlautet: man scheine bei der gegenoärtigen 
Sachlage auf kinen Erfolg der Bermittelungsnoke uicht mehr zu 
echnen. J 
wonstantinopel, 26. Dez. Aus Erzetum wired ge— 
meldet: Die Linien der Ruͤssen sind gegen Westen vorgerinkt. 
ussische Cavallerie hat Erzerum fast vollständig umschlofsen. In 
den Ebenen im Norden ist russische Infanterie zusammengezogen. 
Rach Telegraͤmmen aus Erzerum deuten die Bewegungen 
der Ruffen auf dle Absicht hin, Erzernm einzuschließen. Die Ver⸗ 
bindung mit dem Meere ist indessen noch nicht abgeschnitten. I 
Petersburg, 26. Dez. Offizielle Meldung aus Bogot 
dom 25. da.: Der deutsche Botschafter Prinz Reuß meldet aus 
Fonstantinopel, daß daseibst russische Gesfangene, darunter Oberst 
klebesahl und mehrere andere Offiziere, eingetroffen seien. — Die 
Serben haben Orzel⸗Palanka am 22. d. ohne Kampf beseßzt. — 
An der Offfront erbeutete eine Abtheilung Tschugujeff⸗ Ulanen am 
22. d. bei Sida einen tückischen Transport, wobei 26 Türken ge⸗ 
szdtet und 18 gefangen gensmmen wurden. Jovan⸗Tschiftlik ist 
bon den Türken nur schwach befetzt, ebenso Solenika. Auf dem 
Wege nach Osman -Bazar befetzten die Türken Tschabin, Kurudscherek 
ind Dschuͤmalla. — Die Froͤste dauern an und erreichten bei 18 
AßA Türken fiarben vor Kälte. Hüufe ist unmöglich. 
Die Gesammtzaͤhl der bei Plewna Gefangenen ist 44,000, un- 
erechnei der Berwundeten. 3600 find in Plewna geblieben. 
Rußlanud schwimmt in höchstem Freuden⸗ und Siegesjubel 
und namentlich leistet die gesammte Presse nahezu GErstaunliches 
in der Glorifizirung des heiligen Reiches. Es ist auch für uns 
aerfländlich, wenn die beim Falle von Plewna eingetretene ent · 
chiedene Wendung zum Besferen den Organen der Presse und allem 
Volte Anlaß zu Freudenbezeugungen gibt, aber es scheint, als ob 
dit denselben noch Allerlel verknüpft ist, was außerhalb Rußland 
Bedenken erregen fonnte. So wenigstens wird die Sache in 
Oesterreich angesehen. Das offiziöse „Fr. Bl. ,auf d'e von den 
russischen Blältern venlilirten Dentuellen Friedens bedingungen ein⸗ 
gehend, welche eine Verschiebung der politischen Grenzen in Aus⸗ 
sicht stellen, schreibt u. a. Folgendes: 
Der Fall Plewnas hat geradezu erstaunend in den russischen 
Pedaklionen gewirkt und eine wahre Hochfluth von herausfordernden 
ind chauvinistischen Arkikeln zur Folge gehabt. Ginge es nach dem 
Willen und dem Sinne der meisten russischen Blattern, so küm⸗ 
nerte sich Rußland gar nicht mehr um Europa und machte schon 
im nächsten Jahre ein Ende mit der Herrschaft des Halbmondes 
ruf der Halkan-⸗Halbinsel.“ 
Rermisq;tes. 
*Sit. Jugbert, 27. Dez. Dem Wunsche der hiesigen 
Bevölkerung entsprechend bat, wie wir hören, die igl. Direktion der 
Pfalz. Eisenhahnen berfügt, daß von heute an der Zug, der bisher 
Abendz 5 Uhr 8 M. anfam, um 6 Uhr 24 M. ankommen wird. 
Durch diese Spälerlegung erhält der Zug Unschluß an den von 
Zudwigshafen kommenden Hauptzug und treffen mit ihm Briefe und 
Zeitungen ein, die noch am naͤmlichen Tage ausgetragen werden. 
Dem in Nr. 199 des Anzeiger berührten Mißzstande ist dadurch 
don Seiten hoh. Direktion auf das loblichste und danlenswer theste 
abgeholfen. Briefempfanger und Zeitungsleser dürfen nun wieder 
uftieden sein. 
PPirmafsens, 24. Dez. Die Nerwesung der erledigten 
Bezirlsarziesstelle in Pirmasens wurde von der k. Kreisregierung 
Zem pralli. Aczt Herrn Dr. Bruch bier übertragen. 
pLandau, 22. Dez. Unter 104 Bewerbern um die 
Stelle eines Bezirkabauschaffners für das Hochbauwesen wurde von 
der dazu bestellten Kommission der Distritizräthe Landau Edenkoben 
Hert Michael Siaudinger don Rheingönuherm, zur Zeit Affistent 
Inn stadtischen Bauamt zu Heidelberg, mit 8 gegen 3 Stimmen 
gewählt. Die Wahl uͤnlerliegt der Bestäligung durch die königl. 
Regierung. 
fNeustadit, 24. Dez. (N. Zig.) Sicherem Vernehmen 
zukolge wurde am Freitag Abend zwischen 86—7 Uhr auf der Geins 
heim⸗ Haßlocher Straße von einein bis jetzt noch unbekannten Wil⸗ 
derer auf den Waldschützen Hofmann von Haßloch geschossen. 
47Speher, 24. Pez. Bei der heute Vormittag Stalt 
gehabten Generalversammlung der puͤlzischen Aussteneranstalt wurde 
Zer'g 10 der Siatulen dahin geändert, daß Gewinne nach dem 
Tode des Gewinners den Erben hinausbezahlt werden. An Stelle 
des verstorbenen Ausschußmitgliedes Herrn Casimir Lichtenberger 
vurde der vandwirlschaftische Kreissekrelär Herr v. Böcklin gewählt. 
BZei der hierauf vorgenomaenen Verloosung wurden folgende Num⸗ 
mern mit dem Preife von je 500 M. gezogen: Nr. 3, Inhaber 
Wand Friedrich in Speyer, Rr. 475, Cyriaci Johanna Katharina 
Veaisereiautern, Nr. 394, Bender Emil in GermersheimNe. 
214, Engelbach Roberl in Homburq, und Nr. 364, Stichter Maria 
in Zweibrücken. 
Saarbrücken, 27. Dez. Geslern Abend wurde ein 
Zimmermann in der Gersweilerstraße bewuhtlos aufgefunden. Es 
ergab sich, daß den Mann, wahrscheinlich durch einen Schlag, 
das Ruͤckgrat gebrochen war. Wer der Urheber der brnialen Ver⸗ 
lchung ist, wurde bis jetzt noch nicht ermitlelt. Der Verletzle ißn 
im Eiviihospitale untergebracht. Saartbr. Ztg). 
usfsenthal, 24. Dez. Gestern Abend zwischen 8 
and AP Uht wurde hier einte schändliche That verübt. Es find 
aümlich eine ganzt Menge der an der Staatsstraße stehenden 
ungen Bäuchen, ungefähr in der Mitte, abgebrochen worden 
Der Thaͤter, von einem Blleger ertappt und zur Polizei gebracht 
gab an, Speicher zu heißen, ia Altenkessil zu wohnen, und die 
Bäumchen aus dem Grunde abgebrochen zu haden, weil er ahen 
Lust dam gehabt und Rache üben wollte.“ Eine exemplar sche Slrafe 
wird hoffentlich dem Burschen die fernere Lust am Baumttedel 
und die Raqchegedanken pertreiben. 
F Diedenhofen, 20. Dez. Vorgestern hat der Oberfl⸗ 
Lieutenant Becker auf der Jagd des sereisditeclor Siegfried bei 
Katfen einen großen Wolf erkegt. ( D. 3.) 
FMäünchen, 20. Dez. Das kgl. Staalsministerim hal 
oeben der ltatholischen Kircheyperwaltung zu Biesing die Konzession 
ertheilt, eine dritte Praͤmiencolleecte zum Aushau der neuen laihol. 
Pfarrkirche daselbst zu veranstalten. Das demnächst in's Leben 
Tedende Uniernehmen wird auf die Ausgabe von 300,000 Loosen 
zu 2R.M. berechnet. Die Summe der hiergquf entfallenden Geld⸗ 
dewinuste wird auf 285,000 R.⸗M. festgesetzt. Die Generalagentur 
ist dem Bankier Alb. Rlb. Rösl dahier übertragen worden. 
Wanr is die Volteichules Die Volktsschule is 
inWagerr, arderndie Amtellige re de Duhν ber den 
Radschud einlegt; sie ist ein Ofen, an dem jpoenige heizen, ader 
biele sich wärmen moöͤchten; sie ist eine Flamme, d'e noch starkaucht, 
Ind deren Docht jeder Laffe putzen zu können glaubt; sie ist die 
Frundmauer des Volkswohles, das Thor, durch welches der Mensch 
der Vollkommenheit entgegenschreitet — das Fenster im Staats⸗ 
Jebaude — der strug, aus dem die Jugend Wissen krinkt — der 
—Spiegel, in dem sich die Qulturstufe eines Volkes abbildet — der 
Schlüssel, der die Welt öffnet —; sie ist ein Einschreibbuch, in das 
seder das Wichtigste seines Standes geschrieben haben möchte; sit 
ist ein Weinftock, den eine mächtige Phylloxera vastatrix vernichten 
möchte; sie ist endlich — der Süundenbog, dessen Rucken die Eltern 
gerne ihte eigenen Erziehungsfehler aufladen. (B VBztg.) 
Dresden, 18. Dez. Sei! einigen Tagen siad die 
zandbriefträger mit Seitengewehren bewaffnei worden. Die leider 
muier mehr zunehmende AUnsicherheit hat zu dieser Neuerung Ver⸗ 
inlassang gegeben. 
fIn Unterbarmen wurden am 19. d. M. zwei 
Frauen verhaftet, die in truntenem Zustande in ganz endseßlichen 
Weise standalirten. Sie halten die am Morgen als Gerichtszeugen 
F„reinnahmten Gebühren vertrunken. Der Mann der einen äußerte, 
pährend sie unter Begleitung einer großen Menfchenmenge wegge— 
ührt wurden: „Das ist reht; aun bin ich sie doch heute los!“ 
In der Freude üder diese Befreiung sprachen die Männer der ver⸗ 
Jafteten Frauen jetzt der Flasche so eifrig zu, daß sie ebenfalls 
vegen Skandalirens verhaftet und in dieselbe Volizeistation abgeführt 
werden mußien. 
Berlin, 30. Nov. „Ich moͤchte blos einmal hunder 
Thaler finden!“ Diesen Wunsch belzmmt man gar nicht selten zu 
hören, und er ist von den deulen, die ihn äußern, auch regelmäßig 
zanz ernst gemeint, weil sie sich nicht brwußt sind, doß sie sid 
dn dem Behalten eines Fundes einer strafbaren Handlung schuldig 
machen. H'erzu lieferle aüͤber aine Verhandlung, welche gestern vor 
zer U. Huͤfsdeputation stattfand, ein echatantes Beispiel. Der Ar— 
deiter Bickmann hatte das ersehnte Guck gehabt, vor dem Pois 
damer Thoͤre einen leinenen Beutel mit ea. 100 Thalern, welchen 
in B'erfaͤhrer berloren, zu funden, und hatte das Geld für sic 
—XVO indeß von einer Frau bemerkt —X 
uer die Leute gebracht worden, bis er endlich zur Kenniniß des 
Sitdaszanwalis delangite. In Folge defsen wurde der gludlich