Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingbeiler Anzeiger. 
Der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Haupiblaite verbundene Unterhaltungsblatt, (Sonntags mit illustrirter Bei— 
lage), erscheint wöchentlich piermal? Dienstag, Donnerstag, Samstag and Sonntag. Der Absnnementopreis beträgi vierteljährlich 
1 Mark 20 R.-Pfg. Anzeigen werden mit 10 Pfg., von Auswärts mit 15 Pfgfur die viergespaltene Zeile Blattschrift oder deren Raum. Neciamen 
mit 30 Pfg. pro Zeile berechnet. 
4 23. J 3J ESonntaa, den 1Ii. Febraae ———— 
W 1877. 
— 
ö e — — — 
Deuisches Reich. 
Ueber die Polemik zwischen der deutschen offizidsen und der 
ranzösischen Presse sagt eine Verliner Korrespondenz der offizissen 
Wierer „Pol. Korr.“: Wäre Frankreich im Besitz einer stabilen, 
nit tausend zähen Wurzeln im Volke befelligten Regierung, so 
würden die Beziebungen zu Deuischland heute beretts einen ungleich 
jesteren und ausgesprocheneren Coarakter angerommen haben, ales 
dies gegenwärtig der Fall ist. So lange die Parteien nicht nur 
um die Regierung, sondern sogar um die höchste Sp'tze der Staats 
zewalt ringen und bublen dürfen, wird so ziemlich jede derselben 
es als das werkungsvollste Mittel betrachten, die andere an 
Patriot smus“, d. h. an Appell an die am leichtesten erregbaren 
aller nationalen Leidenschaften zu überbieten. Keineswegs immer 
der Absicht, die Nation in einen Krieg hineintreiben zu woller, 
vohl ader mit dem Zwecke, vor derselben als Bewahret par exr- 
rellenco der nationdlen Ehre und des pationalen Siolzes zu er⸗ 
scheinen. Aber dergleichen Exper mente sind oft leider von ganz 
unberechenbarer Wirtung und Deutschland krnn unmöglich den Beruf 
in sich füblen, fortdauernd als Dekoration in einen fremden In⸗ 
riguenstück verwendet zu werden. Sache der am Ruder befindlichen 
Regierung und namentlich des loyalen Inhabers der höchsten 
RPegicrungsgewalt wird es sein, Bestrebungen entgegenzutreten, 
zurch welche Frankteich wider den Willen Derer, welche fur die 
Leitung seiner Geschicke di Verantwortung tragen, in eine ihm und 
»em europäischen Fr'ieden schwerlich ersprießliche Richtung hinein- 
Fedrängt werden kann — oder soll. Deutschland will nicht den 
rieg weder im Osten, noch im Westen Europa's und in Wien 
wird man gew'ß in der Lage sein, seinen friedlichen Bestrebungen 
volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Es lag auch jetzt nicht 
m Absicht, deutscherseits den Krieg in Sicht zu stellen, sondern an 
die zustandigen Adressen die ernste Mahnung zu richten: Es be— 
zeiten sich Konstellationen vor, welche für den Frieden bedroblich 
verden lkönnten, hobt Acht! 
Aussand. 
London, 8. Febr. Die von der König'n bei der heute 
erfolgten Eröffnung des Patlaments gehaltene Thronrede rekopituliri 
kingangs die Ereignifse im Orient seit der letzten Sitzung des 
Parlaments und fäbet woͤrtlich fort: „Meine Absicht war stets die 
Sehaltung des Friedens in Europa und die Herbeiführung einer 
resseren Verwaltuag der aufständigen Provinzen, ohne die Unab—⸗ 
ängigkeit und die Integr tät der türkischen Reiches zu derletzen. 
Die von Mir und Meinen Allirten gemachten Vorschläge sind 
eider von der Türkei nicht angenommen worden, jedoch bezeugte 
pas Resultat der Konferenz die Existenz einer allgemeinen Ueberein⸗ 
dimmung der europäischen Mächte. Dies wird jedenfalls einen 
materiellen Effekt auf die Berhältnisse und die Verwaltung der 
Türkei haßen. Inzwifchen ist der Waffenstillstand, der zwischen der 
Bforte und den Fürstenthümern verlängert worden ist, no h nicht 
ibgelaufen und wird hoffentlich noch zu einem ebrenboden Friedens⸗ 
chluffe führen. In dieen Angelegenheiten wirkte Ich in vollkom⸗ 
nener Uebere nstimmung mit Pieinen Alliirten, mit welchen, sowie 
nit anderen fremden Machten, Ich fortfahre, in freundschaftlichem 
Finvernehmen zu stehen. — Der Schluß der Rede bedauert die 
»engalische Hungersnoth und detrifft inꝛere Angelegenheiten. 
Konstantinopel, 8. Febt. Der Fürst von Montenegro 
erklärte, die Depesche des Großveziers beantworiend, sich geneigt, 
ofort um Frieden mit der Pforte auf der Basis des Status quo 
nit Grenzberichtigung zu verdandeln, halt es jedoch für unnütz, 
men Delegirten nach Konftantinopel zu entsenden, wünscht viel⸗ 
nehr, daß die Unterhandlungen in W'en mit dem türkischen Bot⸗ 
chafter stattfinden möchten. — Die DVacht „Igedin“ gingç heute 
nit Midhat Pascha von Syra nach Sriudisied 
—, — 
Vermischtes. 
7Der ,‚P. A.“ schreibt aus Pirmasens, 5. Febr.: Ein 
Inbustrierister macht gegenwärtig unsere Umgegend unsicher. Zu 
Opfern seiner Speculat on hat er sich Hebammen, und zwar speziell 
olche, welche in Würzburg gebildet wurden, ersehen. Nachdem er, 
im feine Angaben glaubhaft zu machen. Grüße von Professoren der 
Vürzburger Universität ausgerichtet, stellt er sich als Abgesandter 
ines reichen Grafen dar, welcher ihn beauftragt habe, fuͤr eine 
veliebte desselben für einige Wochen Unterkunft, und zwar bei der 
»ett. Hebamme hegen hohe Vergütung zu suchen. Nachdem der 
Bvauner seinen Zweck erreicht, namlich auf einige Tage frese Wohn- 
nung und Kost, sowie unter, den munnichfaltigsten Voespielungen 
seld erhalten hat, verduftet er hlößlich. So hat er bei fast sämmt⸗ 
ichen Hebammen der Umgegendeund auch beir einer in hiesiger 
S1tadt glücklich operirt. 
F Neustadt, 8. Febr. In der Betggewann Vodelsang 
leht ein Mandelbanim in voller Blüthe. J 
F Neüstadit. In der Gebr. Hassieur'schen Malzfabrik ver⸗ 
inglückte am 7. d. der 35 Jahre alte verheirathete Arbeiter Leon⸗ 
Jjard Mattern von hier, Vater von * kleinen Kindern, indem er 
»om Dörrespescher aus mit dem Fahrstuhl, an welchem, während 
r auf demselben stand, der Ouerbalken brach, 50 Fuß tief hinunter 
türzte; et war sofort eine Leiche. eeh 52 
.Die Durkheimer Feuerwehr begeht am 17. März nächsthin 
ihr 25jähriges Jubildum. — — *1 
r Zweithaler- und DriftelrhaterstüLe wer—⸗ 
den nur noch bis 15. d. Miz. eingelöst. 
7 Hanau, N. Fehr. Zur Bruͤtalitätsstatistik unseres Kreis 
gerichls-Bezirls gab die letzte Zeit einige erschreckende Veleze, die 
eider zeigen, daß die Strafverschärfung der Strafgesetznovelle vor⸗ 
zst noh nichts zu wirken vermocht hat Der Untersuͤchungtrichter 
»at — ein in der Geuichtüpraxis seliener Foall — an aufeinander⸗ 
olgenden drei Tagen Leichen⸗Seclionen vornehmen müssen. In 
hroß⸗ Auheim wurde Lin Mitglied des dortigen Krieger-Vereins 
on einem Socialdemokraten mit einem Bierglas zu Tode ge⸗ 
worfein; zu Kempfenbrunn, Amtsgetichts Biber, schoh ein belrunketer 
Forst Aufseher L. ohne jeglichen Anlaß zwei Burschen nieder, dvon 
denen einer bald darauf siarb, und hier stach vor einem Wirthe⸗ 
jaus ein forlgewiesener Bettler einen Kellner nieder. Dazu ist es 
och nicht; lange her, daß dem Messer auf offener Straße in BGocen 
)eim, dann in dhiesi ger Stadt und weiter in dem Dorfe Weiperz 
Schluchtern) 'gleiche Opfer fielen, während in Preungesheim ein 
Zerletzter lediglich seinem Gluͤdedas Leben verdankle. 
F Brumath (Etlsaß),“6. Febr. Vor dem hicsigen Frie 
densgerichte kam kürzlich folgender Fall vor: Ein Diensträdchen 
jatte einen Burschen verklagt, weil er ihr im Tanzlocal derart auf 
)en Fuß getreten habe, daß sie noch am anderen Tage daran 
Schmerzen verspürt hatte. Als nun ein Zeuge eidlich bestätigte, 
»aß das Madchen schon eine halbe Stunde darauf wieder mit ihm 
jetanzt, also wohl nicht groẽe Schmerjen erlitlen hätte, erklärte 
dasselbe sogleich: „Das beweist nichts; denn wenn ich auch nur 
noch ein halbes Bein gehabte hätie, so würde ich doch noch getanzt 
jaben, denn ich bin gar tanzwüthig! 6t, 89 
F Amsterdam, 2. Febr. Die Nachrichlen aus den ver— 
chiedenen Landestheilen über die Verheerungen der letzten Sturmfluth 
nehren sich. Uederull find Daͤmme durchbrochen, ganze Landerstrecken, 
Staͤdte und Dörfer überfluüthet. Am Dollar sind 16 Menschen er— 
runken und noch viele werden vermitzt. Das Meer stieg 2 bis 
320 Meter über gesvöhnliche Fluthhöhe. Bei Egmond ist der 
Dampfer Ulysses verunglückt. Die Mannschaft ist bis auf 5 Per⸗ 
onen: Kapitän, 1 Steuermann und 8 Woaschinisien, durch das 
stettungsboot gerettet. (K. 3 
8 —W — — — 
Fur die Redaction veraniworilich: F. X. Demeß. 
— — 
—BBü332