Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberter Anzeiger. 
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M IIX. Dienstag, den 16. Juli— 
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1878. 
Deutsches Reich. 
Mäünchen, 183 Juti, Abends. Vor einer äußerstzähl⸗ 
cichen Versammlung hielt heule der Abg. von Stauffenberg feine 
TFandidatentede für die Richslazswahl, aus welcher Folgendes her⸗ 
rorzuheben ist:? Der Volksverwilderung gegenüber müßten die 
Strafgesetze volllommen ausgeführt und eiwarge Lücken derselben 
fusgefüllt werden. Es sei schwer zu beantiworten, ob dies auf 
Brund des gemeinen Rechts oder vdn Ausnahmgesehen geschehen 
oͤlle. Strafgesetze müßten aber für Alle gleich sein. Bedingungs⸗ 
os tönne er sich nicht verpflichten, allen Vorschlägen der Reichsre⸗ 
Rerung beizustimmen; er hoffe aber, daß eine Verständigung her⸗ 
eigeführt werden könne. Eine Anmderung des Wadlgesetzes sei 
iwsolut nothwendig, da nichts Besseres an seine Stelle gesetzt 
verden lönne. Die Verändernng der Vereinsgesetze anlangend, 
vünsche er ein adbsolutes Verbot des Besuches politischer 
Versammlungen für Fra useen und Minderjährige. 
In der Handels⸗Politik sei den realen Verhältniffen Rechnung zu 
ragen und au den bewährten Grundlagen des Zollbereins festzu⸗ 
zalten. Im Interesse der Industrie sei gesetzlich ein Enquete-Ver⸗ 
ahren festzustellen. Betreffs der Steuern und Wehrverhältniffe 
)es Reiches halte er an dem Parteipcogramm von 1871 fest. 
zchließlich erklärt Redner bei Erwähnung der allseifigen Angriffe, 
amentlich der offiziösen Presse gegen die National-Liberalen: seine 
Partei habe die Politik des Reichskanzlers von Anfang treu und 
offen unterstützt. Er (Stauffenberg) habe in Bayern mit unter 
den Eisten die Idee des Reiches hervorgehoben und die Fahne des 
Reiches hochgehalten, in einer Zeit, als dies nicht so leicht, wie 
etzt war. Die Rede wurde von dem lebhaftesten Beifall begleitet. 
Berlhin, 14. Juli. Nach Unterzeichnung des Friedens⸗ 
vertrags schloß Fürst Bismarck gestern die Verhandlung mit folgender 
Ansprache (französischn: „Ich constatire, daß die Arbeiten des 
Congresses beendigt sind. Ih erachte es als letzte Pflicht des 
Borsitzenden, den Dank des Congrefses denjenigen der Bevollmäch— 
igten auszusprechen, welche Conmissionen gebildet haben, namentlich 
zen Herrn Desprez und Fürst Hohenlohe. Ich danke gleich'alls 
im Namen der hohen Versemmlung dem Seeretariat für den Eifer, 
den es gezeigt hat, und welcher dazu beigetragen hat, die Arbeiten 
»es Congtesses zu erleichtern. Ich schließe in den Ausdruck d'eser 
Anerlennung die Beamten und Officiere ein, welche an den Special— 
zerathungen der hohen Versammlung theilgenommen haben. Meine 
herren! In dem Augenblicke, in welchem wir von einander scheiden, 
lehe ich nicht an, zu behaupten, daß der Congreß sich um Europa 
vohl verd'ent gemacht hat. Wenn es unmöglich gewesen ist, alle 
Pünsche der öffentlichen Meinung zu erfüllen, so wird doch die 
Beschichte jedenfallz unseren Absichten, unserem Werke recht geben, 
ind die Bevollmächtigten werden das Gefühl haben, in den Grenzen 
»es Möglichen Europa die große Wohlthat des so schwer bedrohten 
Friedens gegeben und gewähtleistet zu haben. Dieser Erfolg wird 
jurch keine Kritik, welche der Parteigeist der Orffentlichkeit eingeben 
dunte, geschwaͤcht werden. Ich habe die feste Hoffuung, daß das 
Finvernehmen Europa's mit Gottes Hilfe ein dauerndes ble'ben 
vird, und daß die persönlichen und' herzlichen Beziehungen, welche 
vührend unserer Arbeiten sich unter uns gebildet haben, die guten 
Zeziehungen unker unseren Regierungen bestätigen und befestigen 
verden. Ich danle nochmals meinen Herren Collegen für ihr 
WVohlwollen, das sie mir entgegengebracht haben, und indem ich 
iesen Eindruck der hohen Dankbarkeit berahren werde, schließe ich 
nie letzte Sitzung des Congresses.“ 
Nach den Schlußparagraphen des Berliner Vertrages bleiben 
innetliche Bestimmungen des Pariser Vertrages von 1856 und 
»es Londoner Vertrages von 1871, welche durch den Berliner 
hertag unberührt gelassen worden, in Kraft. — Seitens des 
kongresses sidd zutr Ueberwachung der Ausführung des Bertraged 
rei Lokalkomm'ssionen eingefetzt worden, die in Tirnowo, Adria⸗ 
opel und Erzerum tagen werden. 
Berlin, 14. Juli. Auf der Reise nach Jugenhe'm werden 
emnächst der Kaiser und die Kaiserin von Ruß'and hier eintreffen. 
Die Nationall beralen des Wahlkteises MainzOppen— 
deheim haben den bekannten Kommerzienrath und Professor Louis 
Reuleaux in Berlin als ibren Kandidalen aufgestelli. 
Die Demokraten in Frankfurt a. M. haben Hrn. Leopold 
Sonnemann, den Eigenthümer der Frankf. Ztg.“, als Kandidaten! 
estimmt. 
NAusland. 
P'a ris, 14 Juli. Die „Agence Habas“ meldeh:“ Ad⸗ 
miral Hay hat am 12. Juli Besitz von Cypern ergriffen. — Eine 
Derstärkung von 2 Compagnien Marine-Infanterie wurde nach Ca⸗ 
edonien, dessen Gouverneur bereins über 1700 Mann Truppen umd 
)00 Mann Marine⸗Soldalen verfügt, geschict. 
Petersburg, 14. Juli. Das ,„Journal de St. Pelers⸗ 
„ourg“ bespricht das Werk des Kongresses und meint, die Dauer⸗ 
jaftigkeit werde zum größten Theil von dem Geist abhängen, mil 
veldem die Tuürkei dasselbe ausfuͤhren werde. Unzweifelhaft werde 
es der Regierung möglich sein, mehr als eine Absicht des Kön— 
zresses umzustoßen, doch werde die Pforte ohne Zweifel darauf 
aufmerksam çemacht werden, daß eine Handlungsweise nicht gegen 
das Werk des Kongresses, sondern gegen die türkische Herrschaft 
selbst sich richten dürfte. 
Vermischtes. 
F St. Ingabert, 16. Juli. Wir wollen nicht versäumen, 
in die Wählersammlung des Wahlkreises Zweibrücken-Pirmasens 
im Donnerstag 18. Juli Nachmittags2 Uher im 
roßen Saaledes Stadthauses zu Zweibrücken noch— 
nals zu erinnern. 
— Als Candidaten für die Centrumsbartei für die Pfalz 
verden der „Rtz.“ solgende Herren bezeichnet: Anwalt H. Horn in 
Frankenthal für den Wahlkreis Frankenthal⸗Speier; Gutsbesitzer 
Dr. Siben in Forst für den Wahlkreis Bergzabern-Germersheim 
iud für den Wahlkreis Landau-Neustaͤdt. Stadipfarrer Dahl in 
daiserslautern für den Wahlkreis Kaͤiserslaukern⸗Kirchheimbolanden. 
Dr. E. Jäger in Speier für den Wahllkreis Pirmasens⸗Zweibrücken. 
Zweibrüädken, 15. Juli. (3. 3) Soeben erhallen 
wir die erfreuliche Mittheilung, daß Hr. Oberappelrath Karl 
5 chmidt, nachdem er vor Kurzem gekräftigt aus Bad Ragatz 
nach München zurüdgelehrt, zu der am nächsien Donnerstag hier 
Statt findenden liberalen Wählerversammsung sich einsinden und 
eine Kandidatur begründen wird. Ferner hat derselbe auch noch 
inigen anderen Orten unseres Wahlkreises Besuche: zugedacht. 
3Zweibrücken, 18. Juli. Unserem Mitbürget Ollo 
Dingler wurde von dem Sultan die Concession für Erbauung 
eines Wasserwerles füt Konstantinovel und dessen Vorflädte ertheilt. 
Gu 3) 
FDie auch in den „St. Ingberfer Anzeiget“ übergegangene 
Notiz aus Brebach, wonoch für den Bau der Si. Ingbert⸗ 
Zaarbrücker Bahn 150 1talienische Arbeiter verwendet werden 
ollen, wird seitens des bauleitenden Ingenseurs, Herrn G. Klein 
u Goffontaine, als gänztich unwahr bezeichnet, mit dem Hinzufügen, 
»aß bei fraglichen Bahnbauten ausschließlich mur einheimische Ar⸗ 
heiter, namentlich Bergleute verwendet werden sollen. — 
Saarbrücken, 8. Juli. In dem Dorfe Rümmelsbach 
bei Lebach wurde dieser Tage ein 76jähriger Mann vorgefunden, 
der von seinen Verwandten seit 52 Jahren an einer Kette, welche 
an einem Ring um die Hand und an der Wand über sfeinem 
Bette befestigt ast, gesangen gehalten wurde. Der Unglückliche, 
sdessen Befreiung die herbei gerufene Gerichtscomission anordnele, 
wurde im Jahr 1826 in Trier beim 30. Inf. Reg. wahnsinnig 
ind als unhe lbacr entlassen. Seine Eltern und später seine Ver⸗ 
ꝛandten verwahrten ihn bis heute in der angegebenen Weise. 
Als ihm die Fesseln abgenommen werden soll'en, wehrte er sich 
mit Hünden und Füßen dagegen. Merkwürdiger Weise ist der 
Mann trotz seiner 52jährigen Gefangenschaft noch gesund und frisch. 
In Lamsheim ist die große 30 Eir. schwere Kirchen⸗ 
zlocke zerspruagen. 
kIa Helter 8ber g hat sich am 10. d. M. der Schuster