Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal woöchentlich) mit dem Hauptblaite verbundene Unterhaltungsblatt. Sonntags mit illustrirter Vei⸗ 
lage) erscheint woͤchenklich viermal: Dienstag, Donnerstag, Samstaz und Sonntag. Der Abounementspreis beträgt viertellährlich 
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M 117. F — Samstag, den 27. Juli. 
1878 
Deutsches Reich. 
München, 24. Juli. Der Redakteur des „Vaterland.“, 
Hr. Sigl, ist wegen Beleidigung des Deutschen Kaisers vom 
Schwurgerichte zu dreimonatlichem Gefängniß verurtheilt worden. 
Berlin, 22. Juli. Die TabaksenquéteKom—⸗ 
mifssion wird noch acht Tage zur Erledigung ihrer Arbeiten 
hedürfen. Der amerikanische Kommissionär, Herr Poesche, hat sein 
Referat über die amerikanische Fabrikalsteuer beendet. Die Kom⸗ 
missionsmitglieder sind der Ansicht, daß das System der amerika⸗ 
nischen Fabrikatsteuer für Deutschland sich nicht werde adoptiren 
lassen; es scheint, daß nach den eingehenden Mittheilungen Poesche's 
hon der beabsichtigken Entsendung einer deutschen Kommission nach 
Amerika Abstand genommen werden w'rd. Deisignirt waren für 
dieselbe der bayerische Ministerialraih Mayr, der Berlin wieder 
berlassen, Bing aus Frankfurt und Ermeler aus Berlin. Auch für 
die Einführung des Tabaksmonopols scheint in der En quete ⸗ Kom⸗ 
mission keine Neigung vorhanden zu sein, nachdem die Details der 
zsterreichischen und französischen Bestimmungen vorliegen, welche 
zum Theil vexatorisch und darum für Deutschland unmöglich sind. 
Finstimmig ist die Enquetekommission darüber, daß aus dem Tabak 
tine höhere Steuer erzielt merde, als jetzt der Fall ist, jedoch unter 
möglichster Schonung der Produzenten und richtiger Bemessung des 
Vottheils der Konsumenten. Man meint, daß ohne Gefahr die 
jetzige Steuer um zwei Drittel des heutigen Betrages erhöht werden 
fönne. Die Enquetekommission hat jedoch nicht einen Modus der 
Tabalsbesteuerung vorzuschlagen, sondern nur das Material zu be— 
chaffen die Frage besser festzustellen. Von Subkommissionen sind 
eingesetzt worden: eine für den Tabakshandel, eine für den Tabaks— 
hau und die Fabrikation, die dritte für die Herbeischaffung und 
Sichtung des statistischen Materials. Jede Subkomm'ssion bestellt 
einen Referenten, der dem Plenum die von ihm redigirten Frage⸗ 
hogen zur Genehmigung unterbreitet. Ueber die Tabaksenquetekom— 
mission erläßt der Reichskanzler folgende Bekanntmachung: „Die 
Zommission hat die Aufgabe: durch Erhebungen über den Umfang, 
die territoriale Verlheilung, nnere Gliederung und wirthjschaftliche 
Bedeutung der bei der Beschaffung der Verarbeitung und dem 
VDertriebe des Tabaks betheiligten Erwerbsthätigkeit eine Grundlage 
zu gewinnen, auf welcher sie unter Verrehmung von Sahkundigen 
eststellt, welche der verschiedenen Formen der Tabalbesteuerung für 
Deutschlond geeignet sind und ein befr'edigendes finanzielles Ergeb— 
niß in Aussicht stellen, über das Ergebniß ihrer Erhebungen einen 
Bericht zu erstatten und sich über die Einführung derjenigen Form, 
velche sie als die zweckenlsprechendste erkennt, gutachtlich zu äußern, 
zugleich mit dem Anheimgeben, falls sie es für angemessen erachtet, 
zie Grundzüge der dem empfohlenen System entsprechenden Gesetz⸗ 
zebung zu entwerfen. Zu dem bezeichnelen Zweck hat die Kom— 
mission 1) ein Programm für ihre Arbeiten aufzustellen und dem 
Bundesraith vorzulegen; 2) örkliche Erhebungen durch Vermittlung 
der Landesbthörden und durch von ihe im Einvernehmen mit den 
Landesregierungen zu bestellende Kommissionen und Kommissarien 
zu veranstalten; 2) das Ergebniß dieser Erhebungen unter Beihilse 
aes ka serlichen statistischen Amts zusammenzustellen, dasselbe zu 
prüfen und erforderlichen Falls zu ergänzen; 4) Sachverständige zu 
vernehmen und gutachtliche Berichte zu erfordern. Die Bundes— 
regierungen werden ersucht,, Anordnung dahin zu treffen, daß die 
Landesbehörden der Kommission und den von derselben mit örtlichen 
Eehebungen beauftragten Personen und Dienststellen bei der Vor— 
nahme der Erhebungen Beistand leisten und den bezüglichen Requi— 
itionen Folge geben. 
Berlin, 23. Juli. Für die Wilhelmsspende sind, obwohl 
die drei officiellen Sammeltage erst gestern begonnen hirben, bereits 
nus sämmtlichen Staaten des deutschen Reiches ausgefüllte Sammel— 
listen an die Centralstelle im hiesigen Rathhsaus gelangt. Die 
Betheiligung ist nach den bisherigen Ecgebnissen eine ausnehmend 
rege. So haben beispielsweise im Dorfe Roth (Rheinpcrovinz) 
ämmtl'che Einwohner mit Ausnahme der Säuglinge und zufällig 
Abwesenden (262 Personen von 288 Finwohnern) gezeichnet. Auf 
hof Rossow in Meckenburg⸗Schwerin haben, wie der Ortsvorsteher 
erklärt, sämmtl'che Einwohner (auch Kinder) gezeichnet. In den 
württembergischen Gemeinden Ettlenschieß und Goldburghausen haben 
anmui Bürger gezeichnet. — Eine hiesige Zeitung bezeichnet 
an herborragender Stelle als die Absicht „einflußreicher Kreise“, 
von dem Erlös der Wilhelmsspende das dem Actienbauverein 
„Unter den Linden“ gehörige Haus 18 Unter den Linden, in 
welchem der Hochverräther Nobiling zuletzt gewohnt hal, anzukaufen 
und darin ein Kaiserstift zur Erziehuug von Kindern aller Confes⸗ 
ionen anzulegen. Diese Mittheilung ist, wie uns von berufenert 
Seite eiklärt wird, völlig aus der Luft gegriffen. Weder hat das 
Central-Comitee, noch der Central-Ausschuß bisher irgend welche 
peciellen · Pläne über die Verwendung der Wilhelmsspende erwogen, 
noch ist dem Comitee- ein Projekt der beschriebenen Art zur Erwäg⸗ 
ang zugegangen. 
Berlin, 24. Juli. Die „Nordd. Allgem. Ztg.“ schreibt: 
„Durch verschiedene Blätter läuft die Behauptung, in dem Entwurf 
»es die Socialdemekratie betreffenden Gesetzes bifinde sich die Be— 
dimmung, daß Niemand vor dem dreißigsten Lebensjahr einem 
yolitischen Bereine beitreten dürfe, noch anderer Lesart: nicht vor 
Beendigung der Militärdienstzeit. Beide Angaben beruhen auf Er⸗ 
iudung; von Aufnahme einer solchen oder ähnlichen Bestimmung 
nn die Vorlage ist nicht die Rede gewesen. Die Behauptung, daß 
außer dem erwähnten Geseß dem Reichstag in der nächsten (außer⸗ 
ordentlichen) Session keine weiteren Vorlagen zugehen sollen, muß 
ungeachtet des von einigen Seiten erhobenen Widerspruches aufrecht 
erhalten werden. Die im Reichsjustizamte und in anderen Staats— 
»ehörden in Vorarbeit begriffenen Vorlagen sind nicht für d'e außer⸗ 
ordentliche, sondern für die laufende Wintersession bestimmt.“ 
Der Reichsanzeiger berichtep: Se. Majestät der Kaiser und 
äönig sehen Allerhöchst sich aus Gesundheitsrücksichten deranlaßt, 
eine Anwejenheit bei den diesjährigen großen Herbstübungen der 
Truppen zu beschräuken, hoffen jedoch einem Theile der Manöver 
deßs 11. Armeekorps beiwohnen zu können. In Rücksicht hierauf 
st in Abänderung der Ordre vom 15. April d. J. betreffend die 
diesjähriger größeren Truppenübungen bestimmt worden: Die 
zroßen Herbstübungen des 15. Armeekorps fallen aus, und haben 
an deren Stelle elftägige Divisionsübungen Statt zu finden. Von 
der Zutheilung des Stabes und zweier Batterieen der reitenden 
Abtheilung 1. Rheinischen Feld-Artilslerie-Regiments Nr. 80 ist 
Ubsrand zu nehmen. Die 16. Div sion hält ihre Divisionsübungen 
anstatt bei Metz in dem Bezirk des 8. Armeekorps und die 29. 
Divisionzsübungen in dem Bezirk des 14. Armeeckorps ab. 
Berlin, 24. Juli. Ein längerer Wahlartikel der „Pro⸗ 
vinzial-Kotresponden“ besagt u. A.: Die Regierung müsse und 
verde von Neum besondere Vollmachten zum Berbot sozialdemo⸗ 
ralischer Zeitungen, Vereine und Versammlungen, sowie zum wirk⸗ 
amen Einschreiten gegen die Açitatoren verlargen. Sie könne 
ind werde sich nicht auf etwaige Aenderungen des Allen gemein⸗ 
amen Rechtes verweisen lassen und halte es nicht für gerecht und 
rützlich, mit den erstrebten Sicherheitsmaßregeln andere Bestrebungen 
zu kreffen, als diejenigen durch welche die bestehende Rechtsordnung 
Jefährdet sei. Auch sei es gewiß, daß Einschränkungen wirksamer 
Urt, wie sie zur Bewältigung der Sozialdemokratie unerläßlich 
seien, auf dem Boden des gemeinsamen Rechtes vom Reichstage 
weder jetzt, noch später zugestanden würden. 
Berhlin, 24. Juli. Die Abreise des Kaisers nach Teplitz 
zilt jetzt als seststesend. Rach der „Fr. 3.“ hat ein Abgesandter 
des preußischen Hofes in Teplitz Logis für den Kaiser Wilhelm 
und die Großherzogin von Baden, welche am 31. Juli oder 1. 
August eintreffen sollen, gemiethet. Der Magistrat von Teplitz ist 
ificiell von der Ankunft des Kaisers verständigt worden. Der 
rorprinz von Oesterreich dürfte den Kaiser besuchen. — Die Kaiser⸗ 
in trut heute Abend die Reise von Potsdam nach Baden-Baden an. 
Die Kronprinzessin begibt sich am Freitag Abend nach Homburg, 
der Kronprinz wird dahin nach Adreise des Kaisers foigen. 
Stuttgart, 24. Juli. Dem „Schwab. Merkur“ wird 
»om Main geschrieben: „Die Nachricht einiger Blätter über eine 
zevorstehende Konferenz sämmilicher deutschen Minister in Heidel—