2. Auf eingetragene Genohenschaften findet im Falle des 81 Adsaß
z ver g 38 den Gesehzes vom A FJuli 1868 betreffend die privatrechtliche
Ztcuung der Erweros⸗ und Wirihschafts⸗Genofsenschaften (B.⸗G.⸗Vl. S
is ff.) Anwendung.
iluf eingeschriebene Hulfstassen findet im gleichen Falle der 29 des
—A eingeschriebenen Hülfskafsen vom 7. April 1876 (K.⸗G.Bl.
. 125 ff.) Anwendung.
g 8. Selbstständige Kassenvereine (nicht eingeschriebene), welche nach
hren Statuten die gegenseitige Unterstitzung ihrer Mitglieder bezwecken, sind
n Falle des 81 Abs. 2 zunächst nicht zu verbieien, sondern unter eine
rußeror dentliche staatliche Kontrole zu stellen.
Sind mehrere selbststandige Vereine der vorgedachten Art zu einem Ver⸗
bande vereinigt, so kann, wenn in einem derselben vie im 8 1Abs. 2 be⸗
eichneten Bestrebungen zu Tage treten, die Ausscheidung dieses Vere ins aus
em Verbande und die Kontrole uber denselben auͤgeordnet werden.
In gleicher Weise ist, wenn die bezeichneten Bestrebungen in einem
Zweigbereine zu Tage treten, die Kontrole auf diesen zu beschränken.
84. Die mit der Kontrole betraute Behörde ist befugt,
1. allen Sitzungen und Versammlungen des Vereins beizuwohnen;
2. Generalversammlungen einzuberufen und zu leiten;
z. die Bucher, Schriften und ossenbestände einzusehen, sowie Auskunft
uber die Verhaͤltnisse des Vereins zu erfordern;
die Ausführung von Beschlussen, welche zur Forderung der im 81
Abs. 2 bezeichneten Bestrebungen geeignet find, zu untersagen;
mit der Wahrnehmung der Obliegenheiten des Vorstandes oder
anderer leitender Organe des Bereine geeignete Personen zu betrauen;
z. die KKassen in Verwahrung und Berwaliung zu nehmen.
g 5. Wird durch die Generalversammlung, durch den Vorstand oder
durch ein anderes leiten des Organ des Vereins den von der Kontrolbehorde
nnerhalb ihrer Vefugnisse erlassenen Anordnungen zuwidergehandelt oder treten
n dem Vereine die im 81 Abs. 2 bezeichneten Vestrebungen auch nach Ein⸗
eitung der Kontrole zu Tage, so kann der Verein verboten werden.
g'6. Zuständig für das Verbot und die Anordnung der Kontrole ist
die Landespolizeibehörde. Das Verbot ausländischer Vereine steht dem Reichs⸗
lanzler zu.
Dos Verbot ist in allen Fallen durch den Reichsssanzeiger, das von der
Landespolizeibehörde erlassene Verbot uberdies ourch das fur amtliche Bekannt⸗
machungen der Behörde besimmte Blatt des Ortes oder des Bezirkes bekannt
uu machen.
Dast Verbot ist für das ganze Bundesgebiet wirlsam und umfaßi alle
Verzweigungen des Vereins sowie jeden vorgeblich neuen Bercin, welcher
jachůch als der alte sich darstellt.
8 7. Auf Grund des Verbots sind die Vereinskasse, sowie alle für die
Zwecke des Vereins bestimmte Gegenstände durch die Behörde in Beschlag
u nehmen. e
Rachdem das Verbot endgullig geworden ist, hat die von der Laudes⸗
holizeibe hörde zu bezeichnende Verwaliungsbehörde die Abwickelung der Ge⸗
schäste des Vereins Liquidation) geeigneten Personen zu übertragen und zu
Werwachen, auch die Namen der Liquidatoren bekannt zu machen.
An die Sielle des in den Gesetzen oder Staluten vorgesehenen Beschlusses
der Generalversammlung tritt der Veschluß der Verwaltangsbehörde.
Das iquidirte Vereinsvermögen ist, unbeschadet der Rechtsansprüche
Dritter und der Vereinsmitglieder, nach Maßgabe der Vereinsstatuten, be⸗
nehungsweise der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zu verwenden.
Der Zeitpunkt, in welchem das Verbot endgultig wird, ist als der Zeii⸗
vunkt der Auflösung oder Schließung des Vereins (der Kaffe) anzusehen.
Gegen die Anordnungen der Vvehdrde findet nur die V.schwerde an die
Auffichts behotden statt.
g 8. Das von der Landespolizeibehörde erlassene Verbot, sowie die
Anordnung der Kontrole ist dem Vereinsvorstande, sofern ein solcher im In⸗
Nande vorhanden ist, durch jchriftliche, mit Grün en versehene Verfügung
hetannt zu machen. Gegen dieselbe steht dem Vereinsvorstande die Beschwerde
26) zu.
Beschwerde ist innerhalb einer Woche nach der Zustellung der Ver⸗
fügung bei der Behörde anzubringen, welche dieselbe erlassen hat.
Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
89. Versammlungen, in denen sozialdemokratische, sozialistische oder
mmunistische auf den Unisturz der bestehenden Staats⸗ oder Gesellschafts⸗
dnung gerichtete Besirebungen zu Tage trelen, find aufzuldsen.
Versammlungen, von denen durch Thatsachen die Annahme gerechtferligt
ist, daß sie zur Förderung der im erften Absatze bezeichneten Vestrebungen
besiimmt find, find zu verbieten.
Den Versammlungen werden oͤffentliche Feftlichleiten und Aufzüge gleich⸗
estellt.
— g 10. Zuständig für das Verbot und die Kuflosung ist die Polizeibe⸗
hdörde Die Beschwerde findet nur an die Aufsichtsbehörden statt.
811. Drugschriften, in welchen sozialdemokratische, sozialistische oder
ommunistische auf den Umsturz der bestehenden Sstaats⸗ oder Gesellschafts⸗
dnung gerichtete Bestrebungen in einer den oͤffentlichen Frieden, insbesondere
zie Eintracht der Veroͤlterungsklafen gefährdenden Weise zu Tage treten, find
u verbieten. Vei periodischen Druchschriften ann das Verbot sich auch auf
das fernere Erscheinen erstrecken. sobald auf Grund dieses Gesetzes das Verbot
ner einzelnen Rummer erfolgt.
812. Zuständig für das Verbot ist die Landespolizeibehdrde, bei perio⸗
ischen im Inlande erscheinenden Drudhschriften die Landespolizeibehörde des
Bezirks, in welchem die Drugschrift erscheint. Das Verbot der ferneren
Verbreiiung einer im Auslande erscheinenden periodischen Truchschrift steht
em Reichskanzler zu. Das Verbot ist in der im 8 6 Abs. 2 vorgeschriebenen
Weise bekannt zu machen und ist für das ganze Bundesgebiet wirksam.
8 18. Das von der Landespolizeibe hoͤrde erlassene Verbot einer Drud⸗
chrift ist dem Verleger oͤder dem Herausgeber, das Verbot einer nicht perio⸗
disch erscheinenden Druchschrift auch dem auf derselben benannten Verfasser,
ofern diese Personen im Inlande vorhanden sind, durch schriftliche mit Grun⸗
zen dersehene Verfügung delaunm zu machen. Gegen die Verfügung steht dem
Verleger oder dem Herausgeber, sowie dem Verfafser die Beschwerde (8 26) zu.
Zie Veschwerde ist innerhalb Ainer Woche nach der Zustellung der Verfügung
ei der Behörde anzubringen, welche dieselbe erlassen bat. Die Beichwerde
hat keine aufschiebende Wirkung.
814. Auf Grund des Verbots sind die von demselben betroffenen
Drugschriften da, wo fie fich zum Zwede der Verbreitung vorfinden, in Be⸗
dlag zu nehmen. Die Beschlagnahme kann sich auf die zur Vervielfältigung
ienenven Platten und Formen erstrecken; dei Druchjchriften im engeren Sinne
at auf Antrag des Bcaͤheiligien statt Veschla gnahme des Satzes das Ablegen
Jebleren In gescheben. Die in Beschlag genommenen Druckjchriften.
Ptauen und Formen sand, nachden das Berdot endgultig geworoen , —
snsoe zu machen. Fie Veschwerde findet nur an die Auffichtsbehoͤrden statt.
15. Sie Polizeibehbrde in befugt, Druchschrifien der im 8 11 be
tichneten Art, sowie die zu ihrer Vervielfaltigung dienenden Platten and
Formen schon vor Erlaß eines Verbots vorlaufig in Beschlag zu nehmen. Die
Beschlag genommene Drukfchrift ist innerhalb 24 Stunden der Landes-
holigeibehörde einzureichen. Lehiere hat enticeder die Wiederaufhebung der
heschlagnahme sofort anguordnen oder innerhalb einer Woche das Verbot
rlasfen. Erfolgt das Verbot nicht nerhalb dieser Frist, so erlischt die Ve⸗
chlagnahme und mussen die einzeine Stücke, Platten und Formen freigegeben
werden.
8 16. Das Einsammeln von Beiträgen zur Förderung von sozialdemo⸗
ratischen, sozialistischen oder kommunistischen auf den Umsturz der bestehenden
Slaats- oder Gesellschaftsordnung gerichteten Bestrebungen, sowie die oͤffentliche
ufforderung zur Leistung solcher Veiträge sind polizeilich zu verbieten. Das
Verbot ist offentlich bekanni zu machen.
Die Beschwerde findet nur an die Aufsichtsbehdrden statt.
g 17. Wer an einem verbotenen Vereine ( 6) als Mitglied sich be⸗
heiligt, oder eine Thätigleit im Inieresse eines soichen Vereins ausuibt, wird
mit Geldstrafe bis zu 500 Mark oder mit Gefangniß bis zu drei Monaten
hestraft. Eine gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher an einer verbotenen
Bersammlung (F8 9) sich betheiligt, oder welcher nach polizeilicher Auflbsung
einer Versammlung (809) sich nicht sofort entfernt.
Gegen diejenigen, welche sich an dem Vereine oder an der Versammlung
ils Vorfteher, Leiler, Ordner, Agenten, Redner oder Kassirer betheiligen,
der weiche zu der Versammlnng auffordern, ist auf Gefängniß von Einem
Monat bis zu Einem Jahre zu e kennen.
g 18. Wer fur einen verbotenen Verein oder für eine verbotene Ver⸗
sammlung Raͤumlichkeiten hergiebt, wird mit Gefängniß von Einem Monat
bis zu einem Jahre bestraft.
8 19. Wer eine verbotene Druckschrift (6 11, 12) oder wer eine von
der vorläufigen Beschlagnahme betroffene Druckschrift (8 15) verbreitet, fortsetzt
oder wieder abdrucki, wird mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder mit
Desüngniß bis zu sechs Monaten bestraft.
F20. Wer einem nach 8 16 erlassenen Verbote zuwiderhandelt, wird
mit Geldstrafe bis zu funfhundert Mart oder mit Gefängniß bis zu drei
Nonaten bestraft. Außerdem ist das zufolge der verbotenen Sammlung
der Aufforderung Empfangene oder der Werth desselben der Armenkasje des
Oris der Sammdung fur verfallen zu exklären.
g 21. Wer ohne Kenntniß, jedoch nach erfolgter Bekanntmachung des
Berbots durch den Reichsanzeiger 8 6, 12) eine der in den 883 17, 18, 19
erbotenen Handlungen begeht, ist, mit Geldstrafe bis zu einhandertfunfzig
Mart oder it Haft zu bestrafen. Gleiche Strafe trifft den, welcher nach er⸗
olgter Bekanntmachung des Verbots einem nach 8 16 erlaffenen Verbote
zuwiderhandelt. Die Schlußbestimmung des 8 20 findet Anwendung.
8 22. Gegen Personen, welche fich die Agitation fur die im 81Abj.
2 bezeichneten Bestrebungen zum Geschäste machen, kann im Falle einer Ver⸗
irtheilung wegen Zuwiderhandlungen gegen die 8 17 bis 20 nebea der
Freiheitsuͤrafe auf die Zulässigkeit der Einschränkung ihres Aufenthaltes er⸗
annt werden.
Auf Grund dieses Erkenntnifses kann dem Verurtheilten der Aufent⸗
halt in bestimmten Bezirken oder Orischaften durch die Landespolizei⸗
ehörde versagt werden, jedoch in seinem Wohnsitze nur dann, wenn eꝛ den⸗·
elbden nicht bereits seit 6 Monaten inne hat. Auslander können von der Landes⸗
polizeibehörde aus dem Bundesgebiete ausgewiesen werden. Sie Beschwerde
indet nur an die Auffsichtsbehörden statt. Zuwiderhandlungen werden mit
Hhefängniß von Einem Monat bis zu Einem Jahr bestraft.
F23. Unter den im 8 22 Absatz 1bezeichneten Voraussetzungen kann
gegen Gastwirthe, Schanlwirthe, mit Branntwein oder Spiritus Kleinhandel
Tabende Personen, Buchdrucker, Buchhändler, Leihbibliothekare und Inhaber
von Lesekabineten neben der Freiheitsstrase auf Untersagung ihres Gewerbe⸗
hetrie bes erkannt werden.
8 24. pPersonen, welche es sich zum Geschäft machen, die im 81 Abs.
2 bezeichneten Bestrebungen zu fordern oder welche auf Grund einer Bestim⸗
nung dieses Gesetzes — verurtheilt worden sind,
ann“von der Landespolizeibehörde die Befugniß zur gewerbsmäßigen oder
ucht gewerbsmäßigen öffentlichen Verbreitung von Druchschriftfen, sowie die
Zejugniß zum Handel mit Drudschriften im Umherziehen entzogen werden
Die Beschwerde findet nur an die Aufsichtsbehörden statt.
g 25. Wer einem auf Grund des 8 28 ergangenen Urtheil oder einer
auf Grund des z 24 erlassenen Verfügung zuwiderhandelt, wird mit Geld⸗
strafe bis zu eintausend Mark, oder mit dast oder mit Gefananiß bis zu d6
Monaten bestraft.
8 26. Zur Entscheidung der in den Faͤllen der 88 8, 18 erhobenen
Beschwerden wird eine Kommission gebildet. Der Bundesrath wählt vier
Mitgueder aus seiner Mitte und fünf aus der Zahl der Mitglieder der
höchsten Gerichte des Reichs oder der einzelnen Bundesstaaten. Die Wahl
Fiefer funf Mitglieder erfolgt fur die Zeit der Dauer dieses Gesetzes und fin
ie Dauer ihres Berbleibens im richterlichen Amte. Der Kaiser ernennt den
horsizenden und aus der Zabl der Mitglieder der Kommilsion deffen Stell—
dertreter.
g 27. Die Kommission entscheidet in der Bese zung von funf Mitglie dern—
don denen mindefens drei zu den richterlichen Mitgliedern gehören müsen.
Vor der Entscheibung über die Beschwerde ist den Betheiligten Gele genhei
ur mundlichen oder schriftlichen Begründung ihrer Anträge zu geben. Die
dommission ist befugt, Beweis in vollem Umfange, insbesondere durch eidlich
vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, zu erheben oder mittelf
irsuchens einer Behörde des Reichs oder eines Bundesstaaies erheben zu
afsen. Hinfsichtlich der Verpflichtung fich als Zeuge oder Sachverständiget
ernehmen zu lafsen, sowie hinfichtlich der im Falle des Ungehorsams zu
erhängenden Strafen kommen die Bestimmungen der am Sitze der Kommis
son begiehungeweise der ersuchten Behörde geltenden bürgerlichen Prozeßgesehe
ur Anwendung. Die Entscheidungen erfoigen nach freiem Ermessen und
inn endgüllig.“ Im Uebrigen wird der Geschaftsgang bei der IX
ch ein von derselben zu entwerfendes Regulativ geordnet. welches der v⸗
tatigung des Bundesraths unterliegt.
Fsgur Verirte oder Orhschaften, welche durh die im 81 Abs.
hezeichneten Vestrebungen mit Gefahr fur die doͤffentliche Sicherheit bedroh
ind, können von den Centralbehorden der Bundessiaaten die folgende
Tnotdnungen, soweil fie nicht bereits landesgefehßlich zulasfig find, mit 6·
iehmigung des Bundesraths fur die Dauer von laͤngtteus einem Jabt
etvoffen werden:
j. daß versammlungen nur mit vorchngiget Genehmigung der Polizt
bebdrde stattfinden durfen; autf Beriammumgen zum Zwed ein