Full text: St. Ingberter Anzeiger

rriarung auswendig gelernt und beachtet werden, daß es veir 
manchen Fragen und Antworten desselben den Kindern mehr Ge— 
vinn bringt, wenn diese mit ihnen gründlich besprochen, als wenn 
sie peinlich auswendig gelernt werden. (Pf. K.) 
F Zufolge Regierungsentschließung wurden die Vorstände der 
gl. Hypothekene uad Rentämter angewiesen, ihr Gehilfenpersonal 
für die Folge zu beeidigen. 
F Wichtige Entscheidung für Kaufleute. Ein vom 1. Januar 
1877 datirter Wechsel, in welchem der Zahlungstag in folgender 
Weise bestimmt war: „am 1. Nov. J. zahlen Sie ꝛc.“ wurde dem 
Acceptanten am 1. Nov. 1877 präfentirt. Dieser verweigerte 
Zahlung, weil der Wechsel keine Angabe einer bestimmten Zah— 
jungszeit enthielte und demnach ungiltig wäre. Das Appellations 
zericht zu Magdeburg erachtete den Einwand für berechtigt, weil der 
Buchstabe J. zweifelhaft ließe, ob das laufende oder das kommende 
Jahr also dss. J. oder k. J.) gemeint wäre, und wies den Wech— 
felinhaber mit seiner Wechselllage ab. Die von ihm dagegen ein— 
gelegte Nichtigkeitsbeschwerde wurde dom Re'schs-Oberhand lsgericht, 
J. Senat, durch Erkenntniß vom 11. Oct. 1878 zuruͤckzewicjen. 
FDer Schriftsteler Brach vogel (Verfasser von „Narziß“) 
ist im Alter von 55 Jahren vergangene Nocht am Hirnjchlag ge— 
storben. 
Saarbrücken, 27. Nov. GEin entsetzliches Bild, wo 
hin der Schnapsteufel einen früher unbescholtenen Mann brin gen 
ann, ertrollte sich heute vor den Assisen. Der Bergmann Heinrich 
draus aus Spiesen — der heutige Angeklagte — hat sich, obwohl 
zist 40 Jahre alt, seit 1876 dem Schnapsgenuß iu solcher Weise 
ergeben, daß er die Pflichten gegen seine Ang hörigen vergessend, 
dem Mußiggang fröhnte und sogar zu den oft empörendsten Miß⸗ 
haudlungen seiner Ehefrau Üüberging. Seit dem Jahre 1876 kamen 
viederholt derartige Mißhandlungen vor. Bald schlug Kraus seiner 
Frau mit Steinen, bald mit Prügeln, bald mit einem Stocheisen 
Aber den Kopf, daß die Unglückliche blukend zusammenbrach. Seine 
Wuth ob der verdieuten Vorwürfe seiner Frau Üübder seinen lüder— 
lichen Lebenswandel ließ der Augeklagte sogar an den Gerathen 
eines Haushalts aus und zerhieb dieselben mit einem Beil. Das 
Hauplverbtechen aber, welches dem Kraus heute zur Last gelegt 
wird, ist: am 10. Juli d. J. sein eigenes Wohnhaͤus vorsätzlich 
in Brand zu stecken versucht und diese That durch Handlungen be⸗ 
thätigt zu hahen, welche einen Anfang der Ausführung dieses Ver⸗ 
brechens enthalter. Die Anklage unterstellt, daß Kraus dabei beab— 
üchtigte, die Versicherungesumme zu erlangen. Der Brand wurde 
indeß rechtzeitig durch die Hülfe der Nachbarn gelöscht. Der An— 
geklagte ließ sich ferner am 28. Juli beigehen, mehrmals mit einem 
mit Rehposten geladenen Doppelterzerole zu schießen, wobei ein 
Schuß durch das Ferster eines Hauses ging und iü das Kopftssen 
eines zu Bette liegenden Mannes drang. Auf dem Wege von St. 
Ingbert nach Spiesen hatte an demselben Tage schon der Ange⸗ 
klagte das geladene Terzerol einem Bekannten gezeigt und einen 
Lauf abgeschossen. Denselben wieder ladend sagte er: „Der eine 
st für meine Frau, der andere für mich!“ Man verhaf'ete endlich 
den gefährlichen Menschen und sperrte ihn in das Arrestlokal zu 
Speesen, aus dem er sich durch Zertrümmerung der Thüre, natürlich 
nur auf kurze Zeit, befreite. Der Angeklagte, der gegenüber den 
aus's schwersle belastenden Zeugenaussagen sich frech bderimmt, den 
Brandstiftungsversuch läugnet, will theils von den weiter bekundeten 
Vorfällen wegen sinnloser Trunkenheit nichts wissen, theils durch 
das, wie er sagt, freche Benehmen seines Weibes gereizt worden sein. 
Der Wahrspuch der Geschworenen erllärte ihn indeß des Brand⸗ 
tiftungsversuchs, der wiederholten Mißhandlung seiner Ehefrau 
mittelst gefährlicher Werlzeuge, des Schießens in der Nähe bewohnter 
Bebäude und der Sachbeschädigung für schuldig, und der Assisen⸗ 
hof verurtheille ihn zu einer Gesammistrafe von 1 Jahr Gefängniß 
und 14 Taze Haft. Das öffentliche Ministerium halle 15 Monalen 
Zuchthaus beantragt gehatt. Die Ehefrau des Verurtheilten hatte 
wegen der Mißhandlungen und seine Gemeinde wegen der Sachbe— 
schädigung Strasantrag gestellt. (Saarbr. 318.) 
Kaiserslautern, 27. Nov. In der heungen Sitz« 
ung des Igl. Polizeigerichts wurde das Urtheil gesprochen in deim 
Beleidigungsprocesse, den 14 Inhaber hiesiger Bierbrauereien gegen 
den Mechaniker Carl Haupt, fawie gegen den Redaktteur und den 
Vetleger der „Pfälzischen Volk zeitung“, d'Angelo und Rohr an⸗ 
zestiengt hatten wegen eines in der „Pfälzischen Vollszeitung“ er⸗ 
shienenen Artikels. Das Gericht erklärte die Verklagten der öffent⸗ 
lichen Beleid gung der 14 Hläger (auch des Valentin Pitthan, da 
dieser als offener Gesellschafter der Firma Gebrüder Ptihan in das 
Handelsregister eingetiagen ist) für schuldig und verurtheilte den 
Haupt wegen 14 Vergehen der Beleidigung zu einer Geldftrafe von 
je 5M., event. 1 Tag Haft, zusammen zu einer Geldstrafe von 
70 M. edeut. 14 Tagen Haft, den ꝛc. d'üngelo aleichfalls wegen 
14 Vergeden der Beleidigung zu einer Geldsteafe von je 15 M., 
went. 3 Tagen Haft, zusammen zu einer Geldstrafe von 210 M.. 
tvent. 42 Tagen Haft, sowie beide solidarisch zu dea Kosten, mil 
Ausnahme der durch die von Herrn Dr. Heiner auf Ansuchen o 
kläger veranlaßten Bierexpertife, erklärte den Verleger Ph. Rohr 
ibilverantwortlich für die Kosten, soweit sie dem Verklagten d'un— 
jelo zur Last fallen und gestattet den Klägern die Publikation des 
irtheils in den 3 hier erscheinenden Zeitungen. (K. 3.) Wie 
die „Pf. V.“ mittheilt, beabsichtigen die Verurtheilten gegen dieses 
Urthel Berufung einzulegen. 
FLandau, 27. Nopv. Der Arbeiter Unterstützungs⸗-Verein 
zahier beschloß in außerordentlicher Generalversammlung einftimmig, 
daß Mitglieder, welche sich zur Scialdemokratie bekennen, auszu— 
chließen seien. Dieser Beschluß wurde gefaßt, um den Verein vor 
der Anwendung des 8 83 des Social stengesetzes zu schützen, nach 
velchem selbstständige Kassenvereine, welche die gegenseitige Unter⸗ 
tützung ihrer Mitglieder bezwecken, unter außerordentliche aatliche 
u stellen sind, wenn in deunselben socialdemokratische ec. Vestre 
ungen zu Tagé treten. 
FNürnberg, 25. Nov. Der Naufmann Ad. Heinr. 
derzog dahier wurde heute wegen eines Vergehens der fahrlässigen 
Tödtung vom kul. Bezirksgeticht zu einer z veimonatlichen Gefang⸗ 
nißstrafe verurtheilt. Er hatte nämlich am 3. August Abends7 
Ahr im Revier Großviehberg bei Hersbruck in einen Busch, in der 
Meinung ein Fuchs sei hineingeschlüpft, gefeuert und hiebti den 
arin fißenden Taglöhner Joh. Gröschel so unglücklich getroffen, 
)aß dieser noch am Abende seinen Wunden erlag. Herzog hau⸗ 
den Hinterbliebenen des Gröschel aus frelen Stücken 4000 Mark 
xntschädigung überwiesen. 
.sStraubing, 21. Nob. Vom Schwurgericht wurde 
Nax Nöhrer, k. Forstgehilfe, früher in Duschlberg, zuletzt in 
Isterhofen, von der Anklage eines Verbrecheas der Korpet verltzung 
reigesprochen. Derselbe hatte am 9. Juli Jj. J. den Geschirrhändlet 
dödl von Bockhütte, der ihn angreifen wollte, durch gwei Sdhfse 
»erwundet, so daß Hödl alsbald starb. Der Angeklagie schütie 
Kothwehr vor, da er nicht gewußt habe, welche Waffe der sein 
Leben bedrohende Hödl bei sich führe und od dee erste Schuß ge⸗ 
rroffen habe. Die Geschwornen erkannken nach kurzer Berathang 
auf Nichtschuldig, worauf Röhrer in Freheit gesetzt wurde. 
fQUeber den Konigsbau auf Herren⸗ Ch ensee wird der Eũdd. 
Post“ vom Chiemsec geschrieben: Der Eau des Koͤnigsschlofses 
nahh dem Versailler Vorbelde schreitet adtdeilungaweise rasch vor⸗ 
vätts. Ein Tralt, in den der Thtonsaal kommt, wird bald vollen⸗ 
et sein. Der Umfang der Baulichkeiten wird von gewaltigen 
dimensionen sein und dürfte dem der Münchener Residenz gleich⸗ 
ommen, wenn der Bauplan vollständig durchgeführt ist. Als 
Bauzeit sind 15 Jahre in Aussicht genommen. Die Kosten find 
uuf 36 Mill onen Mark veranschlagt. Gegenwärtig siad deim Bau 
300 Ardeiter beschästigt, die größtentheiss auf Herren-Chiemsee 
elbst in Baracken wohnen. Füc deren Unterhali ist auf's Beste 
zesoret. Sie beziehen ihr Bier in bester Qualuät ous der igl. 
Zrauerei zu nur 20 Pf. pro Liter. Guten Mittagstisch bekommen 
ie zu 40 Pf. pro Kopf. Als Baumaterial werden Ziegelstelne 
)erwendet, die auf einer Rollbahn mittelst Lolomotive zum Sce bes 
ö dert werden. Von dort werden sie auf Schiffe verladen, welche 
»ann ein Dampfschiff auf die Insel schleppi. 
fOeisinelle Kinderliebe) Der „Augsb. Abendzeltung“ wird 
mnus Müncqen berichtet: Im nördlichen Theile von München 
ebt ein Eh paar, dessen größles Unglück seine Kinderlosigkeit ist; 
am meisten grämt sich darüber die Frau. Sie wußte sich nun den 
Unschein zu geben, als ob sie auf dem besten Wege fei, ihren 
ehulichen Wunsch nach einem Nachlömmliag erfüllt zu sehen, und 
ährend einer längeren Abwesenheit des Mannes madte fie eine 
Wöthnerin ausfindig, die sich bestimmen ließ, iht Neugeborenes au 
ie abzugeben. Der Mann war bei seiner Rückkehr über diefen 
merwartet raschen Besuch des Storchen sehr erfreut. Der Wahn 
jber ist kurz und siehe da, während des Tausschmauses noch trat 
zie wirlliche Mutter, die sich inzweschen eines Bessern besonnen 
atte, ein und machte das Paar wieder zu einem kinderlosen. Das 
lnangenehmste ist aber noch, daß der Staatsanwalt gegen die 
Zfeudomutter wegen Vergehens gegen das Gesetz über Beuͤrkundung 
)es Personenstandes vorgeht. 
Frankfurt. Am Sonntag schicte eine hesige Herr⸗ 
haft ihre Köchin in das Stadtiheater, wo „Die Jungfern Köoͤch⸗ 
unen“ gegeben wurden. Dieselbe kam kurz nach 8 Uhr in hohem 
Hrade erbobst nach Haus, weil sie in dem Stück eine Verhöhnung 
sres Standes erblickte, und sagte den D'enst auf. 
.Frankfurt. Fürst Bismarck erhob de'anntlich bei der 
Socialistendebalte im Reichstag schwere Beschuldigungen gegen die 
dedaction der „Frankfurter Zeitung“, auf welche letztere in eitner 
iffentlichen Erllärung antwortete. Jetzt hat Fürst Bismarck gegen 
mmiliche Redacteure det „Ftankfurter Zeitung“ die Klage wegen 
Beleidigung erhoben. 
F.sStrabburg, 25. Nov. Gerüchtwelse verlautet, der 
Zrorprinz des deutschen Reiches werde im näͤchsten Jahre das 
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