Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Sf. Ingberler AAnzeiger. 
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A B0. 
Dienstag, den 5. Oktober 
18855. 
Deutsches Reich. 
Es hat sich nunmehr auch die Vorstandschaft der Aunwalts- 
kammer für den Oberlandesgerichtssprengel Muͤrnchen in einem 
Hutachten gegen jede Beschränkung der Wechselfähigkeit ausgesprochen. 
Aus Berlin kommt die erfreuliche Mittheilung, daß der 
dortige französische Gesandte, Graf Saint Vallier, seine Stel—⸗ 
ung auch unter dem neuen französischen Kabinet behalten wird. 
der Botschafter steht bei dem Kaiser und dem Reichskanzler in 
johem Ansehen. 
Graf Wilhelen Bismarck, der Sohn des Reichskanzlers, 
jat dieser Tage vor seinen Reichstagswählern gesprochen. Ohne 
zweifel wird derselbe den Intentionen des Reichskanzlers gemäß 
zehandelt haben, indem er ausdrücklich betonte, daß man bei der 
Reform der Gewerbegesetzgebung von der Etablirung 
yon Zwangsinnungen absehen müsse. Keineswegs solle die Frei— 
‚ügigkeit beschränkt, sondern nur durch Reorganisation der Innun— 
jen darauf hingewirkt werden, daß wieder mehr Ordnung in die 
Verhältnisse der Gesellen und Lehrlinge zu den betreffenden Mei— 
itern gebracht werde. — Daß unsere gewerblichen Verhältnisse nach 
dieser Seite hin einer gründlichen Verbesserung bedürfen, ist wohl 
über jeden Zweifel erhaben und wird man es dem Reichskanzler 
icherlich Dank wissen, wenn es ihm gelingen sollte, eine wirkliche 
steform auf dem in Rede stehenden Gebiete zur Durchführung zu 
zringen. 
Eine kaiserliche Verordnung aus Baden⸗-⸗Baden vom 29. 
September beruft den Bundesrath zum 20. Oktober ein. 
Ein Berliner Telegramm der „Köln. Ztg.“ vom Sonntag 
neldet: Die deutsche Regierung wünscht möglichst lange an dem 
uropäischen Einvernehmen in der orientalischen Frage festzuhalten, 
veil auf diese Weise am besten der gewaltsamen Politik einzelner 
Mächte vorgebeugt werden kann. 
Ausland. 
An das Zustandekommen eines erneuten Drei—⸗ 
kaiserbündnisses wird in Vetersburger informirten Krei— 
en nicht recht geglaubt, weil Oesterreich dem Beitritte Rußlands 
ibgeneigt sei. Oesterreich soll speziell über angebliche russische In— 
riguen in Mazedonien aufgebracht sein, während man in Peters⸗ 
yurg glaubt, daß ein Aufstand daselbst Oesterreich zu aktivem Ein— 
chreiten zwingen würde. Der „Petersburger Herold“ meldet aus 
deheran, daß zwischen den dort weilenden österreichischen und 
ussischen Instruktions-Ofsizieren Zerwürfnisse ausgebrochen sind, in 
Folge deren die Oesterreicher wahrscheinlich Persien verlassen würden. 
Die Duleignuo-Angelegenheit beschäftigte den fran— 
zoͤsischen und englischen Ministerrath. Ueber Beschlüsse verlautet 
aur Unbestimmtes. Die Taktik der Türkei besteht darin, Frist zu 
rxlangen, mit dem Hintergedanken: Zeit gewonnen, Alles gewonnen. 
HDan glaubt jedoch bei der Haltung Englands nicht, daß dieses 
Manöver Aussicht auf Erfolg hat. Die britische Regierung faßt 
iach der „Polit. Korresp.“ ein eventuelles Aufgeben der Flotten— 
demonstration nur für den einzigen Fall ins Auge, daß die Pforte 
die Uebergabe Dulcignos unter von den Mächten gebilligten Mo— 
oalitäten direkt bewerkstellige. Eventuelle dilatorische Vorschläge 
zer Pforte werde die britische Regierung zurückweisen. Die „Agence 
havas“ meldet aus Konstantinopel: Demnächst wird eine türkische 
Kote abgesendet, welche die Uebergabe von Dulcigno anbietet gegen 
pas Aufgeben der Flottendemonstration, spätere Regelung der Frage 
ind Erhaltung des Statuts quo im Osten des Sees von Skutari; 
die Note verlange ferner eine Frist von 2 Monaten für Regelung 
der griechischen und von 3 Monaten für Regelung der arme— 
nischen Frage. 
Die russische Corvette „Zemuck“ ist von Cattaro nach den 
ilbanesischen Gewässern abgesegelt behufs Rekognoszirungen. — Der 
Zzuzug von Albanesen nach Dulcigno dauert fort. Riza Pascha 
jat die Einwohner von Dulcigno erfolglos aufgefordert, ihre Fa⸗ 
nilien zu entfernen, um sie vor einem Bombardement zu schützen. 
Die Stimmung ist dort sehr erregt und kampfbereit. — Montene⸗ 
gro forderte die albanesischen Kaufleute in Cettinje und Rieka auf, 
hhre Geschäfte zu schließen und sich zurückzuziehen. Die Albanesen 
erheben durch den türkischen Konsul Entschädigungsausprüche. — 
Die Zahl der Alhanesen in und um Dulcigno wird auf 4000, 
die der türkischen Truppen auf 6000 Mann geschätzt. 
Der Vizekönig von Irland hat eine Belohnuͤng von 1000 
bfund Sterling für die Ergreifung der Mörder des 
Lord Mount-⸗Morres (derselbe wurde bekanntlich von seinen 
Pächtern erschossen) ausgesetzt, und zugleich allen Mitschuldigen, 
welche Mittheilungen machen würden, die zur Verurtheilung der 
Mörder führen können, volle Amnestie zugesagt. 
Vermischtes. 
*St. Ingbert. Am Samstag Mittag spielte das Zjährige 
Söhnchen des auf der hiesigen Attienglashütte beschäftigten Ma— 
chinenführers Triem in der Nähe des Rohrbaches mit einem 
Drachen. Vermuthlich wollte es den niedergehenden Drachen 
haschen, kam darüber zu nahe an den Rand des Baches und stürzte 
in das Wasser, von dem es rasch eine weite Strecke mit fortgeführt 
vurde. Eine Frau, welche das Geschrei des armen Kindes ver— 
nahm und dieses im Wasser bemerkte, machte durch ihre Hilferufe 
den auf dem Schmelzerwege fahrenden Knecht Greggorius von 
Sengscheidt aufmerksam, der nun schnell durch die Gärten her— 
zeilief und das bereits leblose Kind in der Nähe der Kempf'schen 
Wirthschaft aus dem Wasser zog. In die Wohnung Kempf ge⸗ 
»racht, wurden von dem zufällig in der Nachbarschaft weilenden 
Bader Buser sofort Wiederbelebungsversuche angestelit. Demselben 
und dem herbeigerufenen Arzte Hrn. Dr. Ehrhardt gelang es 
rst nach längerer Zeit, das Kind wieder zum Leben zu bringen. 
doffentlich wird es sich nun auch bald von den ausgestandenen 
Strapatzen ohne Nachtheil für seine Gesundheit erholen. Allen 
Eltern aber sei dieser Fall wieder eine dringende Warnung, kleine 
Kinder nie ohne die gehörige Aufsicht zu lassen. 
*St. Ingbert, 5. Okt. Zu der gestern Abend statt⸗ 
zgehabten Generalversammlung des Vorschußvereins hatten sich 
außer dem Vorstande und dem Ausschusse von den 464 Mitglie— 
dern, welche der Verein zählt, 7 eingefunden. Auf der Tages— 
ordnung standen 1. Vorlage des Geschäftsberichts für's erste Halb— 
ahr 1880 und 2. Vericht über den pfälzischen Genossenschaftstag 
zu Neustadt a. d. H. Aus dem Geschäftsberichte, erstattet von 
dem Kassirer Hr. J. Beer, entnehmen wir, daß der Verein bei 
einem Gesammtumschlage von 4,007,172 M. 96 Pf. im J. Se— 
mester des l. J. einen Reingewinn von 8,896 M. 99 Pf. erzielte. 
leber den pfälzischen Genossenschaftstag zu Neustadt berichtete Hr. 
Ztadtschreiber Ba yer, welcher demselbhen ols Delegirter ange— 
vohnt hatte. 
O Aus dem Blies gau, 4. Oltober. Gestern hielt der 
Bezirkscäcilienverein an der Blies seine II. Jahresversammlung bei 
ehr zahlreicher Betheiligung in En sheim ab. Die Gesänge, 
heils vierstimmig, theils Choral, vorgetragen von den Cäcilienver⸗ 
inen Ommersheim und Ensheim, wurden gut, theilweise vortrefflich 
orgetragen und zeigten von guter Schulung seitens der betr. Vorstände. 
Nach Schluß der Gesangsproben fand im Fries'schen Saale eine 
Versammlung Statt, wobei H. Pfarrer Rütter von Erfweiler an 
Stelle des nach Speyer beförderten H. Domvikars Lemaire zum 
Sekretär gewählt wurde. Als nächster Versammlungsort wurde 
Bliesmengen bestimmt. Die oben genannten Gesangvpereine erfreuten 
die Versammlung durch einige humoristische Gesange, welche all⸗ 
eitig Beifall fanden. Mögen die Bestrebungen des Vereines, den 
Kirchengesang zu heben und zu fördern, immer mehr Anklang und 
Verbreitung finden. 
F Aus dem Bezirksamt Homburg schreibt man der 
„Ksrsl. Z.“: „Der Reichstagsabgeordnete unseres Bezirks, Hert 
Dr. Buhl von Deidesheim, wird in einer am Sonntag den 10. 
Oktober, Nachmittags halb 2 Uhr zu Landstuhl im Hotel Burgard 
dattfindenden Versammlung seiner Wähler sich über die jüngsten 
Lorgänge in der nationalliberalen Vartei und !über die zukünftige 
daltung derselben aussprechen. 
Der Stadtrath von Otter berg hat einstimmig beschlossen, 
gzegen das Urtheil des k. Landgerichts Kaiserslautern, durch welches 
die Stadtgemeinde Otterberg verurtheilt wurde, an den dasigen