St. Inaberker Anzeiger.
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M 161.
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Deutsches Neich.
Aus Muͤnchen wird dem „Fr. K.“ geschrieben: „Angesichts
der trotz der ergangenen strengen Befehle immer sich noch wieder⸗
holenden Verursheilungen von Offizieren wegen Mißbrauchs der
Dienstgewalt (Mißhandlungen von Untergebenen) soll, wie ich höre,
der Kriegsminister erklärt haben, daß alle von solchen Urtheilen be—
—0 Beförderung
ausgeschlossen wären, d. h., daß dieselben um genannte Zeit in
ihrer betreffenden Charge länger zu verbleiben hätten, als dieses
nach ihrem Dienstalier der Fall wäre, daß fie einfach 2 Jahre lang
präterirt würden.“
Eine in Darmstadt abgehaltene Versammlung der national-
liberalen Partei sprach sich einstimmig gegen eine Trennung aus.
Der „Nordd. Allgem. Ztg.“ wird von bestens unterrichteter
Seite mitgetheilt, daß die Zeitungsnachricht von der angeblich be⸗
borstehenden Verlobung des Großherzogs von Hessen mit der ver⸗
witiweten Prinzessin Heinrich der Niederlande (Tochter des Prinzen
Friedrich Karl von Preußen) jeder Begründung entbehre.
Der nach Straßburg zurückgekehrte Statthalter von Elsaß⸗
Lothringen, Freiherr von Manteuffel, begibt sich nächstens nach
Vaden⸗Vaden zum Kaiser, und es verlautet, daß er auch den
Foölner Dombaufestlichkeiten beiwohnen wird. Freiherr v. Man⸗
teuffel hat unmittelbar nach seiner Ankunft eine Konferenz mit den
essassischen Unterstaatsselretären gehabt, und es heißt, daß der
Statthalter dem Kaiser einen eingehenden Bericht üher seine von
mehreren Seiten so heftig angegriffene Verwaltung erstatten werde.
Die elsässischen Blätter degcüßen den in Straßburg eingetroffenen
neuen Siaaissekreiätr Hofmann überaus sympathisch und sprechen
die Hoffnung aus, daß sich zwischen dem Staatssekretär und dem
dandesausschusse ein gutes und freundliches Verhaltniß entwickeln
werde. Zu bemerken ist noch, daß die hervorragendsten Vertreter
der Autonomisten, die Staatsräthe Klein und Schlumberger, sowie
der klerikale Vizepräsident des elsässischen Landesausschusses, Zorn
d. Bulach, und der Vizepräsident des lothringischen Bezirkstages,
Adam, preußische Orden erhalten haben.
Nach Berichten aus den verschiedenen deutschen Bun desstaaten
sind die Vorbereilungen für die Volkszählung am 1. Dezember
d. J. überall im vollsten Gange. Man verfährt in allen Bundes-
staalen nach einem einheitlichen System. Das Zählmaterial geht
nach seinem Abschluß an die Bezirksbehörde, welche dasselbe prüft
und an die statistischen Bureaux in den Haupistädten überweist;
bon hier aus gelangen die Resultate an das statistische Amt des
Reichs
des Materials, wohl aber an innerem Zusammenhang und an
Beweglichkeit nachstehe. Die Ursachen liegen auf der Hand; die
vun Gambetta in die Armee hineingetragene politische Unruhe, der
fortwährende Wechsel in den höheren Kommandostellen haben un⸗
möglich viel militärischen Nutzen stiften können.
Die „Republique francaise“ und das „Journal
des Debats““ meinen, die türkische Note überschreite jedes Maß.
Die „Debats“ sprechen sich für energisches Handeln gegenüber der
Pforie aus, zunächst bezüglich Dulcignos. Die „Republique francaise“
meint, unterrichtete Leute in Konstantinopel schreiben die Hartnäckig⸗
keit des Sultans einer Geistesstörung zu. Die Lage sei sehr ernst.
Die Mächte müßten derselben ihre ganze Aufmerksamkeit zuwenden.
Ueber die den fremden Botschaftern überreichte neue Note der
Pforte ist in Konstantinopel folgende Version, welche im
Uebrigen mit der gestern mitgetheilten Note übereinstimmt, ver—
breitet: Die Pforte verpflichtet sich, die griechische Frage in 100
Tagen, die armenische in 4 Monaten zu lösen. (Verschleppungs-
dersuchl) Das Arrangement behufs der Wiederaufnahme der Zins-
zahlung soll sich auf die Kriegskosten⸗Entschädigung für Rußland
und die schwebende Schuld beziehen.
„Times“ und „Daily“ bezeichnen die neue Note der Pforte
als eine Beleidigung Europa's. „Daily News“ glaubt, Gladstone
wverde durch die „Großsprechereien“ der Pforte sich nicht beirren
sassen; wenn sich England auch zurückziehe, würde doch Rußland
veiter vorgehen; das Resultat hiervon könnte nur die Demüthigung
Englands und die Verwirrung Europas sein.
die dechen Genossenschasten nach Schulze⸗
Delitzch.
Der von dem derzeitigen Genossenschaftsanwalte Dr. Schulze⸗
Delitzsch herausgegebene Jahresbericht über die auf Selbsthilfe ge⸗
gründeten Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften für das Jahr
1879 weist eine Mehrung dieser Vereine gegenüber dem vorher⸗
gehenden Jahre von 3146 auf 3203, nach und berüchsichtigt man,
daß die statistischen Ermittelungen stets hinter dem Bestande der
wirklich existitrenden Vereine zuruͤcbbleiben, so geht man gewiß nicht
zu weit, wenn man mit Schulze-Delitzsch die Zahl der Genossen⸗
schaften auf über 3300 schätzt. Aus den dem Genossenschaftsan⸗
valte zur Verfügung gestandenen Rechnungsabschlüfsen von etwa
u4 aller bestehenden Vereine hat derselbe eine mäßige Durchschnitts-
berechnung über die Mitgliederzahl aller Vereine und die in denselben
auftretenden Geldsummen angestellt, deren Resullate wahrhaft Staunen
erregen und die Behauptung Derjenigen zu Schanden machen, welche
alles Heil von der Staatshilfe und Bevormundung, von geseztzlichen
Zwangsmaßregeln erwarten und für die Freiwilligkeit und Selbft⸗
hilfe auf dem Gebiete der Assoziation höchstens ein vornehmes und
miileidiges Lächeln hervorbringen. Nach den Aufstellungen Schulze⸗
Delitzsch's beträgt nämlich die Mitgliederzahl der deutschen auf
Selbsihilfe gegruͤndeten Genossenschaflen über eine Million! Wie
diele sogen. FJwangsinnungen müßten wohl in's Leben gerufen
werden, bis sie einen so staltlichen Theil unserer gesammten Arbeiter⸗
Population umfassen würden?
Die von den Genossenschaften gemachten Gesammigeschäfte re—
präsentiren einen Geldwerth von über 2000 Millionen Mark, die
Ansammlung der eigenen Kapitalien der Genossenschaftsmitglieder
dagegen beträgt an Geschäftsantheilen und Reserven über 170-180
Mill. Mark, wobei noch zu erwägen ist, daß die weitaus meisten
Vereine mit großem Glücke und Erfolge arbeiten und jährlich an
die Mitglieder sehr respeltable Dividenden vertheilen. Muß man
Ungesichts dieset Zahlen nicht sagen, daß die auf Selbsthilfe ge⸗
zründeten Genossenschaften, abgesehen von dem hochanzuschlagenden
cthischen Momente, das in der ganzen Einrichtung liegt, durch die
Veranlassung und den Sporn zum Sparen und Ersparen ein großer
Segen für einen nicht zu unterschätzenden Bruchtheil der Be⸗
vdlierung, namentlich der arbeitenden Klassen sind? Denn
wenn auch nach diesen Aufstellungen die Ersparniß des Ein⸗
jelnen im Durchschnitte nur einige Hundert Mark beträgt, so
Feziffert sich dieselbe doch bei den Mitgliedern der ältesten Genossen⸗
schaften bereits auf Tausende von Mark, ganz abgesehen von den
Ausland.
Wien, 6. Okt. Die europaische Flotte ankert theils in der
Bucht von Teodo, theils längs der Küste von Bianca bis Gionovich.
Der Erbprinz von Montenegro, Danilo, ist heute in Cattaro
eingetroffen. — Zwischen den Mächten finden zur Zeit lebhafte
Vethandlungen Siatt über die der Pforte in Wort und That zu
ertheilende Äntwort auf deren letzte Note. Die dadurch entstrhende
Pause dürfte mehrere Tage dauern. Einige Mächte sind bemüht,
zie uͤbelen Wirkungen der Haltung der Psorte zu mildern; allein
die Position der Pforte hat sich in Folge der letzten Note auch
hei diesen Mächten wesentlich verschlimmert.
Die nächsten Tage werden mit Verhandlungen zwischen den
Mächten über die der Pforte zu ertheilende Antwort ausgefüllt
perden. Die Stimmung gegen die Pforte ist in Wien wie die
Noln. Zig.“ berichtet, steigend ungünftig. Im Vordergrunde der
Verhandlumgen stehi die Sendung der Flotte ins Aegäische Meer.
Es soll übrigens strengstes Stillschweigen über Gang und Art der
Verhandlungen bewahrt werden.
Ueber die Eniwicklung der französischen Armee
werden jetzt Stimmen laut,, welche sich Nichts weniger als lobend
aussprechen. Danach haben die jüngften Manöver keineswegs
Forischrute an den Tag gelegt, wie sie nach den Vorjahren hatten
Aoarlet werden konnen. Selbst in dortigen Offizierskreisen soll
sich die Ansicht Bahn gebrochen haben, daß die Armee der dver—
hangenen kaiferlichen natürlich nicht an Oualität und Reichhaltigkeit