Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

SÜ. Inaberker Anzeiger. 
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43 172. 
Donnerstag, den 28. Oktober 
1880. 
Deutsches Reich. 
Wie aus München berichtet wird, dürfte die Einberufung 
des bayertschen Landtages kaum noch in diesem Jahre, 
sondern erst im Januar erfolgen. Wegen der mannigfachen Vorlagen 
dürfte diese Session von längerer Dauer sein. 
Die im jüngsten Militär-Verordnungsblatt erlassenen Ergänz— 
ungen der bayerischen Wehrordnung vom 21. November 1875 
enthalten hinsichtlich der Uebungen der Ersatzreservisten 1. Klasse 
die Bestimmung, daß übungspflichtigen Ersaßzreservisten, insoferne 
sie im Besitze eines Berechtigungsscheines zum einjährigen Dienste 
sind oder die entsprechende wissenschaftliche Befähigung durch Schul⸗ 
zeugnisse nachweisen können, und wenn sie sich selbst verpflegen, 
dekleiden und ausrüsten, für die erste Uebung unter denjenigen 
Truppentheilen, welchen für das betreffende Jahr die Ausbildung 
bon Ersatzreservisten übertragen ist, die Wahl freisteht. 
Die armen Leute schreien über theures Brod (und mit Recht) 
und die „Deutsche Landeszeitung“, das Organ der Agrarier, 
empfiehlt eine Erhöhung des Getreidezolls auf 25 
Prozent. Lassen sich auch die Herren Schutzzöllner und die 
nunmehr mit ihnen an einem Strange ziehenden Agrarier gern 
etwas abhandeln, und müssen sie deßhalb schon immer etwas mehr 
verlangen, als sie schließlich zu erreichen hoffen dürfen, so ist es 
doch ein recht kühner Schritt der leitenden Agrarier, im jetzigen 
Augenblicke ihre Pläne so unverhohlen auszusprechen. Die „Deut— 
sche Landeszeitung“ erklärt dabei frei heraus, daß man sich mit der 
Noth des armen Mannes nicht weiter zu befassen habe. Daß die 
Agrarier es ebenso wie die schutzzöllnerischen Großindustriellen lieben, 
nur an ihre Interessen zu denken, wird nach dieser offenen Dar— 
legung nicht mehr zu bestreiten sein. 
Neuerdings angestellte Erhebungen über die Verbreitung 
der Bettelei, des Vagabundenthums und der Truntsucht führen 
zu der Vermuthung, die Reichsregierung beabsichtige neue legis— 
latorische Abwehrmaßregeln gegen jene Uebelstände. 
Die Wehrsteuer wird, entgegen anderen Nachrichten, dem 
Bundesrath wieder vorgelegt werden. 
Die Rhein-Nahe-Bahn wird, nachdem sie in den Besitz 
des preußischen Staates übergegangen sein wird, rasch das zweite 
Geleis erhalten. 
Ueber den volkswirthschaftlichen Senat wird jetzt 
berichtet, daß derselbe auns 75 Mitgliedern bestehen und nicht zuͤ— 
nächst speziell für Preußen, sondern gleich für das ganze Reich er— 
richtet werden soll. Die betreffende Vorlage würde den Reichstag 
ichon in seiner nächsten Session beschäftigen. 
Ausland. 
Die niederländische Kammer lehnte bei der Berathung 
des neuen Strafgesetzbuchs den Antrag auf Wiedereinführung der 
Todesstrafe mit 41 gegen 20 Stimmen ab. 
In Fraukreich fängt es wieder einmal zu kriseln an. Die 
Gerüchte datiren von Sonntag Abend, wo es hieß, der Minister 
des Innern, Constans, habe seine Entlassung eingereicht. Unterdessen 
kommen über die Ausführung der Märzdekrete aus den westlichen 
Provinzen keine erfreulichen Nachrichten. Man fürchtet ernstliche 
Zusammenstöße zwischen Volk und Regierungsorganen. 
„Times“ erfährt, die Prozedur gegen die Fuͤhrer der irischen 
Liga sei beschlossene Sache und werde rasch und energisch beirieben 
werden; indeß werde es nicht für nothwendig erachtel, die Befug— 
nisse der irischen Exekutive zur Unterdrückung der Agrarverbrechen 
zu erweitern, weßhalb das englische Parlament nicht vor der 
üblichen Zeit einberufen werden dürfte; das Kabinet würde in— 
wischen die versprochene Landreformbill für Irland ausarbeiten. 
Griechenland hat wie jetzt bekanni wird, in London dringende 
Beschwerde erhoben. Man habe sich, nachdem die Berliner Kon— 
ferenz auf Englands Initiative zusammengetreten, auf die damaligen 
Zusagen mehrer, jetzt noch im Kabinet befindlicher Staalsmännet 
verlassen und die Rüstungen vorbereitet, die Griechenland jetzt an 
den Rand des Ruins geführt. England möge nuͤn Griechenland 
aus dieser Situation herausführen und wirksame Maßregeln zur 
Ausführung der Beschlüsse der Berliner Konferenz ergreifen. 
Meldung der Polit. Korresp.“ aus Konstantinnovel 
vom 25. d. Mis.: Die Pforte ist zu einer Vereinbarung geneigt, 
wonach der Einmarsch der Montenegriner in Dulcigno gleichzeitig 
mit dem Abmarsch der türkischen Truppen erfolgen würde. Die 
türkischen Bewohner, welche in Dulcigno nicht bleiben wollen, 
werden auf den vor Dulcigno kreuzenden drei türkischen Schiffen 
eingeschifft. 
Aus Konstantinopel, 26. Oktober, wird gemeldet: Die 
Sanction der Konvention betr. die Uebergabe von Dulcigno soll 
morgen zu erwarten sein. 
Vermischtes. 
— St. Ingbert, 28. Otit. Am Dienstag fand dahier 
im Lehrsaale der obern prot. Schule unter Leitung des kgl. Di⸗ 
triktsschulinspektors, Herrn Pf. Krieger, eine Konferenz der 
Lehrer des prot. Distriktsschulinspektionsbezirks St. In gbert— 
Blieskastel-Hornbasch statt. Als Berathungsgegenstand 
beschäftigte die Konferenz das Thema: „Der Religionsunterricht für 
das 1. und 2. Schuljahr auf Grund der Instruktion vom J. 1878.“ 
Das Referat hierüber war den Lehrern Günther-St. Ingbert und 
Becker⸗-Walsheim übertragen. Die beiden Herren entledigten sich 
der ihnen gestellten Aufgabe in sehr befriedigender Weise. Nach 
Schluß der Konferenz vereinigte die Besucher derselben noch auj 
einige Zeit ein gemeinschaftliches Mittagessci im Hotel Lehnert. 
F In dem preußischen Pensionsgesetzentwurf für e m e⸗ 
ritirte Schullehrer soll die Summe von jährlich 800 M. 
als das geringste Alterss und Ruhegehalt ausgeworfen sein. Man 
erfährt zugleich, daß zur Zeit etwa 2000 solcher ausgedienter 
Lehrer die genannte Summe noch nicht als Jahrgehalt, einige noch 
nicht einmal 400 M. jährlich beziehen. Die dauernde Mehrfor⸗ 
derung wird zu dem im Etat des laufenden Jahres als wider⸗ 
cufliche Staatsbeihilfe ausgesetzten Beträge von 661,000 noch 
800,000 Mark betragen. 
Der provisorische Ausschuß der Dick-Stiftung (pfälz. 
Verein für Geisteskranke) berufi für den 14. November eine Ge. 
neralversammlung nach Neustadt a. H. ein, um zur Wahl eines 
definitiven Ausschusses zu schreiten. 
FIn Zweibrücken hat sich am Dienstag ein gräßlicher 
Unglücksfall ereignet: in einem noch im Bau begriffenen einstöckigen 
Hause in der Nähe der frühern Leinenzwirnere stürzte ein Giebel 
ein und begrub unter seinen Trümmern drei Maurer, von denen 
einer als Leiche unter den Steinen hervorgeholt wurde; die beiden 
andern sind erheblich verletzt. Ein gleichfalls an dem eingestürzten 
Giehel beschäftigter Bruder des Getoͤdteien hatte die Geistesgegen⸗ 
wart, sich beim Zusammensturz an das Gebälk anzuklammern, don 
dem er dann glücklich auf den Boden gelangte. Die Verunglückten 
sind aus Mehlbach, Kanton Otterberg. Der Getödtete binterläß 
eine Frau und zwei Kinder. 
F Die für die Pferdezuchtgenofsenschaft des Bezirks 
Zweibrücken bestimmten 4 Zuchtstuten des schweren Schlages 
aus dem Remontedepot Fürstenfeldbruck wurden dieser Tage unter 
die dermaligen Eigenthümer Jacob von Rohrbach, Henn von 
Hütschenhausen, Schneider Ludwig von Langwieden und Nafziger 
von Eichelscheiderhof verloost. Die Thiere stammen sämmtlich aus 
Oldenburg, stehen im Alter von 410 bis 512 Jahren, sind zwi⸗ 
chen 1,66 bis 1,74 Meter hoch und sehr stark und kräftig gebaut, 
Sie sind sich nahezu vollständig gleich und wurden von Sachkennern 
als die schönsten Pferde bezeichnet, die bis jetzt von der Milikär⸗ 
verwaltung an die Genossenschaft abgegeben woͤrden sind. In dej 
Grundliste ist der Ankaufpreis für jedes Stück auf 1200 Mart 
angegeben, während die Militärverwaltung sie an die Genossen⸗ 
schaft um 640 Mark per Stück abläßt. 
x Ein 8 jähriges Mädchen aus Steinbach zog sich beim 
Kartoffelbraten so schwere Brandwunden zu, daß es siarb. 
fKKaiserslautern, 26. Ott. Bei der heute Vormittag 
begonnenen Ziehung der Gewerbe⸗-Museums⸗Lotterie sind, außer 
Gewinnen zu 4und 7 M. folgende größere Gewinne gezogen worden: 
Nr. 24,457: 100 M.; Nr. 36.826. 91,912, 95, 8377 je 50 M. 
Nr. 84,690 5000 M. 
fKaiserslautern. Die von der Pfaff'schen Näh— 
maschinenfabrik zur Gratisverloosung gebrachte 390. O00ste Nähmaschin—