Hf. Ingberler Anzeiger.
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M 69.
Sonntag, den 1. Mai
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Deutsches Neich.
Der deutsche Reichslag verwies die Vorlage über eine Ab⸗
inderung des Gerichtskostengesetzes an eine Kommission von 14
Mitgliedern. Alle Redner sprachen sich für übet die Vorlage hin⸗
usgehende weitere Ermäßigungen aus. Staatssekretär v. Schel—
ling erklärte, die Bundesregierungen könnten eine Verringerung
er Einnahme aus den Justizgebühren nicht akzeptiren. — Es
olgte hiernächst die erste Berathung der Gewerbeordnungs⸗Novelle.
— DDD Gewerbe⸗Kommission.
Die ESumpelsteuer⸗Kommission des Reichst aas hat die
Zuittungssteuer einstimmig abgelehnt.
Wie Rachrichten aus Berlin besagen, hat der pfälzische
Reichstagsabgeordnete Herr Dr. Buhl vom Ausschuß des deutschen
PWeinbaubereins den Auftrag erhalten, im Reichstage den Antrag
inzubringen, den Reichskanzler zu ersuchen, auf Grund des Ge⸗
etzes, betreffend die Fälschung von Nahrungsmiiteln, eine Verord⸗
zung zu erlassen, wonach der Zusatz von Säuren, säurehaltigen
Zörpern, so von Glycerin zu den Weinen verboten wird. Es
interliegt keinem Zweifel, daß der Antrag vom Reichstage mit
Jroßer Maiorität angenommen werden wird.
Ausland.
Die französischen Truppen rücken mit unaufhaltsamen
Elan“ in Tunis vor; ihren siegreichen Waffen widersteht Nie⸗
nand, denn — auf Befehl des Bey enthalten sich die tunesischen
Trupen jeder Vertheidigung und die Gouverneure der befestigten
Blätze räumen höflich unter dem üblichen Protest die Positionen.
Das wird ein eigenartiger Feldzug, in welchem Niemand Feind
ein will, ausgenommen eine Hand voll fürwitziger herrenloser
Straßenräuber, welche einige Flintenschüsse auf die daherziehenden
Kolonnen abgeben und dann in ihre Schlupfwinkel verschwinden.
Da es fest beschlossene Sache ist, Tunesien unter Frank⸗
ceichs Vormundschaft zu stellen, so wird ein Theil des Expeditions⸗
zorps bis nach Tunis gehen und diese Stadt besetzen. Von einer
igentlichen Annexion ist noch nicht die Rede, doch soll das Land
der Krumirs mit einigen Grenzdistrikten unter dem Vorgeben, daß
Hiese Völkerschaften sonst nicht zu bändigen seien, zuförderst zu
Frankreich geschlagen werden. Eine offene Einverleibung Tunesiens
st noch nicht im Werke, weil man befürchtet, daß England sonst
Ansprüche auf Aegypten machen werde. Frankreich hat seine Zu—
timmung dazu gegeben, daß Italien sich in Tripolis festsetze, und
zieses soll nicht abgeneigt sein, auf die ihm in dieser Beziehung
Jemachten Anträge einzugehen. Ftankreich wird seine Pläne be—
reffs Tunesiens aber jedenfalls mit Vorsicht, doch mit aller Ent⸗
schlossenheit durchführen.
Die erste Kriegs- und Siegesthat der Franzosen im Kriege
zgegen die Tunesen ist mit dem gerade den Angehörigen der
großen Nation“ so überaus empfindlichen Makel der Lächerlichkeit
ʒehaftet. Man bombardirte das Fort der Insel Tabarka und schoß
dasselbe total zusammen, obwohl es auch nicht den geringsten Wi—
derstand unternahm und nicht einmal einen einzigen Schuß erwi—
derie. Als am Morgen des 26. April (letzten Dienstag) die Be⸗
setzung vor sich ging, fand man die Insel leer, die Tunesier wa⸗
den in der Nacht abgezogen, wahrscheinlich über die zwischen der
Insel und dem Festlande liegende Sandbank.
Der Zustand der (erkrankten) Kaiserin von Rußland soll,
wie man aus guter Quelle vernimmt, infolge der beständigen
Angst, die ihr die Drohungen der Nihilisten verursachen, sich ver—
schlͤmmert haben. Die nervöse Ueberreizung, an der sie leidet,
sabe, so verlautet in den letzten Tagen einen beängstigenden Cha⸗
rakter angenommen. Der Kaiser weilt nur ihretwegen in Gat⸗
schina und kam auch deßhalb zu den Osterfeierlichkeiten nicht nach
Petersburg, was sehr bemerkt wurde, da zum ersten Male ein
cussischer Zar dabei fehlte.
Einem Petersburger Briefe an Rochefort's „Intran⸗
sigeant“ entnehmen wir folgende interessante Details über die Art
und Weise wie die Theilnehmerschaft des Großfürsten Nikolaus an
den nihilistischen Umtrieben entdeckt wurde. Der Polizeiminister ließ
eine Auzahl Photographien des Prinzen an seine Agenten vertheilen,
und diese zeigien das Bild den Dworniks —
sller verdächügen Häuser. In dieser Weise wurde konstatiert, daß
der Großfürst häufig mit den Häuptern der Revolutionspartei ver
ehrt habe. Der Hausbesorger in der Gartenstraße, wo von einer
Milchwirthschaft aus die große Mine nach dem Winterpalast führte,
annle das Bild ganz bestimmt als von einer Person herrührend,
velche zu den Inlimen des Hauses zählte. Der Korrespondent
neldet, daß Großfürst Nikolaus auf den bloßen Ausspruch des
daisers, und ohne jede gerichtliche Prodzedur zu lebenslänglicher
gefangenschaft verurtheilt wurde.
Vermischtes.
x Unsere Leser erinnern sich, daß am 14. Nov. v. Is. der
von Zweibrücken fahrplanmäßig Abends 5 Uhr 56 Min. abgehende
zersonenzug, der an jenem Abend sich aber bedeutend verspätet
atte, auf der Station Bierbach in Folge falscher Weichenstellung
heilweise entgleiste. Obwohl zwei aus den Geleisen gesprungene
Vagen 1. u. 2. Classe von etwa 20 Personen besetzt waren, so
satte doch von diesen glücklicherweise Niemand Schaden genommen und
ie Strafkammer des k. Landgerichts Zwei brücken verurtheilte darum
en Weichensteller Ehrmanntraut von Bierbach, der die Entgleisung
verursacht hatte, wegen fahrlässiger Gefährdung eines Eisenbahn⸗
ransportes nur zu einer Gefängnißstrafe von acht Tagen und zu
den Kosten. — In derselben Sitzung wurde wegen eines ähnlichen
seates der Eisenbahnersatzmann Georg Degel von Oberwuͤrzbach,
der am 21. Dez. v. Is. Morgens auf der Haltestelle Hassel in
Folge zu früher Aenderung in der Weichenstellung die Entgleisung
‚er zwei letzten Wagen eines Personenzuges, eines Personenwagens
Z.CGasse und des Postwagens, herbeigeführt hatte, zu einer Gefüng⸗
ußstrafe von drei Tagen und zu den Kosten. *
F Für das Fest der Fahnenweihe des in Zweibrücken
jarnisonirenden 2. Bataillons des 18. Inf.⸗Regts. sind vorerst
II. und 12. Mai nächsthin in Aussicht genommen; definitive
zestimmung über die Zeit, wann das Fest abgehalten werden soll,—
st jedoch seitens der maßgebenden Militärbehörde bis jetzt nicht
etroffen. F
In Pirmasens haben innerhalb zwei Tagen drei Selbst⸗
norde Statt gefunden.
7 In verschiedenen Ställen von D irmstein bei Franken⸗
hal hat fich in Folge von Fütterung mit gekeimten Karto f⸗
Akn bei dem Rindvieh „Solaninvergiftung“ gezeigt. Thierarzt
zunger daselbst fühlt sich nach Konstatirung der Krankheit veron⸗
aßt, öffentlich auf dieses Vorkommniß hinzuweisen und beizufuͤgen,
aß nach schleunigst angeordneter Heufütterung und Verabreichung
nnerlich reizender restaurirender Mittel die betr. Thiere im Ver⸗
auf von 6 Tagen wieder hergestellt waren. Der Landwirth hüte
ich also, geke iemte Kartoffeln füttern zu lassen!
4 Von der meieorologischen Centralstation in München ist
as Minoritenkloster zu Oggersheim als Filialstation (zur
Berichterstattung über Beginn und Verlauf der Gewitter) bestellt
vorden.
F In dem Pfarrdorfe Pölling in, der Oberpfalz wurde
inem sechzehnjährigen Maͤdchen von ihrer fünfjährigen Schwester,
nit der sie spielie, eine Haarnadel auf bisher ungeklaͤrte Weise in
zen Hinterkopf eingedrüdt. Obwohl die Beschädigung keine erheb⸗
iche war, verspürte das Mädchen doch des anderen Tages Schmerzen,
ind es mußte ein Arzt zu Hilfe gerufen werden, welcher Blutver⸗
iftung konstatirte. Die angewendeten Mittel waren vergebens
ind das Maädchen dem Tode unrettbar verfallen.
Gon einem Eber getödtet.) Wie man der „Tr. Z.“
nittheilt wurde dieser Tage im Condelwald die Leiche eines
försters unmittelbar neben einem verendeten Eber gefunden. Da
ie Leiche entsetzlich zugerichtet, eigentlich förmlich ausgeweidet war,
o liegt es nahe, anzunehmen, daß der Förster den Eber ange—
chossen hat, dann von dem wüthenden Thier angegriffen worden
ind dabei erlegen ist.
CMord“und Selbstmord aus Rache.) Ein Waldwãrter in
dobrzyca, der kürzlich wegen Mißhandlung einer Frau infolge
Feldkontravention von dem Amisgericht zu 4 Wochen Gefängniß
jerurtheilt wurde, hat darauf die Denunciantin erschossen, der
dauptzeugin beide Augen ausgeschossen und nachdem er sich ver⸗
olgt sah, sein Leben durch einen Schuß beendet.