Full text: St. Ingberter Anzeiger

Hl. Ingberker Anzeiger. 
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M 83. — 
Donnerstag, den 26. Mai 
1881. 
Deutsches Reich. 
Die Kommission des Reichstags hat beschlossen, es seien 
zei Bereitung des Bieres alle Malzsurrogate auszuschließen, und 
zugleich hat sie den Begriff Bier dahin definirt: „Vier ist ein durch 
Haͤhrung gewonnenes Getränk, welches aus Malz, Hopfen, Hefe 
ind Wasser gewonnen wird.“ (Von der deutschen Brausteuer 
pürde Bayern bekanntlich nicht berührt werden.) 
Die Reichsstaägscommission über den Antrag Buhl 
„etreffs der Bestrafung der Weinfälschung erweiterte dessen Gesetz 
zahin, daß die Strafe auch eintriit für Herstellung weinähnlicher 
getränke durch ätherische Essenzen oder für Verwendung von Farb⸗ 
toffen, um Weißwein in Rothwein umzuwandeln; ferner soll die 
Fonfiscation dieser Getränke in allen Fällen vorgeschrieben werden. 
Die Kommission des Reichssstags für das Gesetz betreffend 
ie Bestrafung der Weinfälschung hat sich über die Fassung des 
sntwurfs schlüssig gemacht. Danach lautet 8 1: Mit Gefängniß 
is zu drei Monaten und mit Geldstrafe bis zu 1000 Mark oder 
nit einer dieser Strafen wird bestraft: 1) wer zum Zwecke des 
herkaufs weinähnliche Getränke unter Verwendung von Säuren 
dder säurehaltigen Substanzen, insbesondere Weinstein, Weinsäure 
der Tamarinden oder Glycerin oder ätherischen Substanzen herstellt, 
owie wer zum gleichen Zwecke Weinmost oder Wein mit einer der 
orbezeichneten Substanzen mischt oder durch Verwendung von Farb⸗ 
toffen Weißwein in Rothwein umwandelt. 2) Wer Getränke, von 
enen er weiß, daß dieselben den Bestimmungen unter Nr. 1 zu⸗ 
dider hergestellt, gemischt oder umgewandelt sind, berkauft oder 
eilhält. 
Am 23. Mai wurde der deutsch-österreichische 
MNeistbegünstigungsvertrag abgeschlossen. Derselbe enthält keine Be— 
timmung über den Appreturzoll und den Rohleinenverkehr. — 
der Handelsvertrag Deutschlands mit der Schweiz wurde am 
Abend vorher abgeschlossen. 
Ausland. 
Der Gedanke Napoleons III., daß für Frankreich nur eine 
Allianz mit Deutschland heilsam sein könne, findet jetzt in Frank⸗ 
reich wie es scheint, vielfachen Anklang. Die Haltung Deutschlands 
n der tunesischen Angelegenheit hat dieses Wunder zu Stande ge— 
racht. Nur die clerikalen Blätter jammern darüber, daß man 
zelsaß⸗Lothringen bereits vergessen habe. Eine ehrliche Allianz mit 
deutschland, die beiden Ländern gestattete, ihre drückenden Rüst— 
ingen abzulegen, wäre allerdings eine schöne Sache, doch wird ihre 
zerwirklichung noch lange auf sich warten lassen. 
Es scheint, als ob im russischen Officiercorps die Pest des 
dihilismus weit um sich gegriffen habe. Es sind kürzlich aber— 
nals zwei Officiere verhaftet worden, die der Theilnahme an 
rihilistischen Bestrebungen verdächtig waren. Sie heißen v. Strom— 
erg und Gustad Glasgoff. Wie wenig der Kaiser sich auf seine 
mgebung verlassen kann, beweist fernerhin die Thatsache, daß der 
chef der Sicherheitswache von Gatschina, Oberst Antonoff, Knall 
nd Fall entlassen werden mußte, weil durch eine vor einigen 
cagen in Gatschina, eingetroffene hohe Persönlichteit, die Antonoff's 
jergangenheit zufällig kannte, festgestellt wurde, daß dieser Oberst 
1s Polizeimeister von Odessa sehr unsaubere Geschichten getrieben 
atte. Man hatte Woronzoff Daschkoff, der ebenso wie der Kaiser 
elbst von der Vergangenheit Antonoffs nichts wußte, zu bewegen 
ermocht, diesem Mann den Posten zu übertragen. Als die Sache 
nekannt wurde, befahl der Kaiser, Antonoff sofort zu entlassen. 
Die zwischen den europäischen Mächten und der 
ürkischen Regierung vereinbarte Konvention bestimmt im 
Besentlichen die Abtretung der bereits gemeldeten Gebietstheile an 
zriechenland, die Abrüstung von Punta und Prevesa innerhalb dreier 
NRonate nach der Genehmigung des Vertrages sowie die Freiheit 
er Schifffahrt im Golfe von Arta. Das Eigenthum und die 
teligion der Einwohner in den abzutretenden Gebieten soll geachtet 
verden, ebenso die Rechte der Vakuf- (kirchlichen) Güter. Der 
Sultan verfügt nach wie vor über die kaiserlichen Besitzthümer. 
Ztreitigkeiten werden durch eine besondere Kommission eventuell 
urch die europäischen Mächte entschieden. Eine türkisch-griechische 
Kommission wird zwei Jahre lang die staats⸗ und privatrechtlichen 
Fragen regeln, wobei der Rekurs an die vermitielnden Mächte 
gestattet ist. Griechenland übernimmt einen noch zu vereinbarenden 
Theil der türkischen Staatsschuld. Eine dreijährige Frist ist fest⸗ 
jesetzt für die Abgabe einer Erklärung der Einwohner, welche olto— 
nanische Staatsangehörige bleiben wollen. Die erwähnte Kom⸗— 
nission wird die rückständigen Steuern regeln. Die Mächte haben 
as Recht, die Kommission zur Ueberwachung der Räumung und 
lebergabe der Gebietstheile zu erneuern. Eine vollständige gegen⸗ 
eitige Amnestie ist gewährt. Der gegenwätigen Konvention folgt 
nmittelbar eine die gleichen Bestimmungen enthaltene Konbention 
wischen der Türkei und Griechenland. Die Genehmigung der 
konvention erfolgt innerhalb drei Wochen. Die Uebergabe erfolgt 
ektionsweise innerhalbe 5 Monaten. 
Vermischtes. 
x Ueber die Reise Sr. kgl. Hoheit des Prinzen Ludwig von 
Baiern durch die Pfalz wurde folgendes Programm officiell kund- 
Jegeben. Hochstderselbe trifft Sonntag 29. Mai mit Zug 101 in 
vermersheim ein. Von dort geht derselbe 83,14 Nachmittags nach 
Speier weiter, wo er 3,44 anlangt. Am Dienstag reist derselbe 
»er Extrazug um 3 Uhr Nachmittags von Speier weg und trifft 
um 3,89 in Neustadt ein. Die Rückfahrt wird 10 ühr Abends 
ingetreten. Ankunft in Speier 10,89. Am Mittwoch fährt der 
ßrinz in Speier ab 8,52, um sich nach Kaiserslautern zu begeben, 
vo er 10,40 anlangt. Von hier setzt derselbe seine Reise Mittags 
5 Uhr mit Extrazug nach Zweibruͤcken fort, wo er 7,6 eintrifft. 
Am Donnerstag besucht der Prinz St. Ingbert, indem er um'8 
Uhr in Zweibrücken abfährt, um 8,30 in St. Ingbert eintrifft, 
im 12 Uhr von da wegfährt und 12,43 in Zweibrücken ankommt. 
bon hier reist derselbe 12,54 ab, trifft 1,25 in Biebermühle ein, 
»enutzt von dort einen Extrazug, mit dem er 2,48 in Annweiler 
inlangt. Die Abreise von da erfolgt 7,20 Abends, in Landau 
ährt der Zug 7,47, in Germersheim 8,25 ab, und langt in 
Speier 8,44 an. Am Freitag 3 Juni verläßt Se. k. Hoheit um 
3.42 Speier, um aus der Pfalz zu scheiden. Officieller Empfang 
st verbeten, die Beamten haben in Civilkleidung zu erscheinen. 
F Der Oberstaatsanwalt beim Oberlandesgerichte Zwe i⸗ 
brücken hat an die ihm untergebenen Staatsanwaltschaften die 
trengste Weisung ergehen lassen, gegen die Weinverfälscher und 
vesonders die Fabrikanten und Händler von sogenannten Kunst⸗ 
veinen auf Grund des Reichsgesetzes vom 14. Mai 1879, be— 
reffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Ge— 
rauchsgegenständen, energisch vorzugehen. Die kgl. Regierung 
der Pfalz hat mittelst Entschließung vom 3. Mai von diesem Er— 
asse des Oberstaatsanwaltes den Districtspolizeibehörden Kenntniß 
zegeben und dieselben beauftragt, die Staatsanwalischaft beim 
kinschreiten gegen Weinfälscher thatkräftigst zu unterstützen und 
nsbesondere auch die Namen der wegen Weinfälschung Bestraften 
uur weiteren Verwerthung bei der kql. Regierung zur Anzeige zu 
»ringen. (Pf. Post.) 
F In Kaiserslautern wurde am Sonntag Morgen 
m Hausgang eines Geschäftsmannes ein drei Wochen altes Kind 
n einem Kästchen wohlerhalten lebend aufgefunden. Die Mutter, 
zine arme ledige Taglöhnerin, wurde, wie es scheint, in ihrer sehr 
»edrüngten Lage zu diesem Schritte veranlaßt. Die Mutter wurde 
von der Gendarmerie festgenommen, von der kgl. Staatsanwalt- 
chaft aber wieder freigegeben. 
F Neustadt. Eaalbau-Aktiengesellschaft. Die Gesammt- 
innahme pro 1880 beträgt 21,089 M. 86 Pf., die Gefammt— 
ausgabe 20,925 M. 53 Pf. sonach der Ueberschuß 931 M. 31Ppf. 
— Die Jahresmiethe des Restaurateurs beträgt 000 M. 
F In der Nacht vom 22. Mai wurde in der Actienbrauerei 
u Frankent hal ein frecher Diebstahl verübt. Aus einer im 
Somptoir stehenden Geldkiste wurden 754 Mk. 50 Pf. entwendet 
uind außerdem die in dem Wirthschaftslocat aufgestellte Sammel⸗ 
züchse für das Waisenhaus ihres Inhalts beraubt. 
F In Baalborn feierte am 28. Mai Lehrer Schäfer 
von dort zu gleicher Zeit sein fünfzigjähriges Dienstiubiläum und 
eine goldene Hochzeit.