Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Iso. 
Donnerstag, den 28. Juli 
1881. 
Deutsches Reich. 
Der Vorsitzende des bayerischen Ministerrathes Staats- 
minister Dr. v. Lutz und der Staatsminister Frhr. v. Crailsheim 
sind von München nach Kissingen gereist, um dem Reichskanzler 
Fürsten Bismarck einen Besuch abzustatten, wie dies im Vorjahr 
zuch der Fall war. Erscheint der Besuch der bayer. Minister bei 
dem Reichskanzler zunächst auch nur als ein Act der Hößflichkeit, so 
vird man immerhin annehmen dürfen, daß sie nicht blos vom 
schönen Wetter und von dem deutschen Bundesschießen sich unter⸗ 
haͤlten, sondern auch Wichtigeres besprechen. Fürst Bismarck wird 
zie Cur in Kissingen bis kommenden Mittwoch beenden und sich 
dann wahrscheinlich nach Gastein begeben. 
Die Zahl der Landwirthe und Gutsbesitzer in der neuen 
bayerischen Kammer ist mindestens 50, wobei die Bürgermeister 
bieler kleinerer Orte und verschiedene Bierbrauer, die wahrscheinlich 
nuch Landwirthschaft treiben, nicht mitgerechnet sind. Ueber numerisch 
angenügende Vertretung wird sich also die Landwirthschaft nicht 
beklagen können. Die Zahl der Staatsbeamten ist 27, einschließ— 
iich der Lehrer an Studienanstalten; dazu kommen noch drei Lehrer. 
Die Zahl der kathol. Geistlichen ist 14 (mit dem Lyzealprofessor 
Dr. Daller 15); von prot. Geistlichen ist nur einer gewählt, der 
zisherige Abg. Lampert aus Mittelfranken, Rechsanwälte finden 
wir 8, Bierbrauer 6, sonstige Gewerbetreibende 12 (soweit Angaben 
vorliegen), Posthalter 4, Fabrikanten 4. Unter den Gewählten 
sind ferner sehr viele Bürgermeister größerer und kleinerer Orte. 
Der deuütsche Kasiser setzt sene Badecur in Gastein 
in regelmäßiger Weise und mit sichtlichem Erfolge fort und nimmt 
außerdem täglich die gewohnten Vorträge des Militair- und Civil— 
cabinets entgegen. 
Ausland. 
Seit einiger Zeit erlauben sich die Czechen Oester reichs 
in ihrem Nationalitätsdünkel die Spielerei, die österreichisch-un— 
zarischen Banknoten, die deutschen und ungarischen Druck tragen, 
mnit einem Werthstempel czechischer Sprache zu überstempeln. Zuerst 
zielt man dies kindliche Verfahren für harmlos, aber nachträglich 
hat es doch · eine recht ernste Seite bekommen, da die ungarische 
Kegierung sich weiget, so überstempelte Noten bei ihren Cassen in 
Zahlung zu nehmen. Da nun auch das Ausland die czechisch 
uͤberstempelten Noten zurückweist, so sind sie in ihrem Umlauf auf's 
Aeußerste beschränkt und dadurch entwerthet. Selbst in Böhmen 
will man sie nicht mehr annehmen und die Czechen werden sich 
daher wohl entschließen müssen, ihre nationalen Einkäufe mittelst 
Noten zu bewerkstelligen, auf denen die heiligen czechischen Buch— 
taben fehlen. 
Der tiefe Gegensatz der Parteien in Frankreich, welcher 
nn allen wichtigeren inneren Fragen hervortritt, tritt auch in der 
ranzösischen Armee, am meisten aber in den Reihen des Officier— 
torpes, hervor. Trotzdem sich die jetzige republikanische Regierung 
in Frankreich bemüht, die antirepublikanischen Elemente unter den 
Offizieren der Armee so viel wie möglich auszumerzen, so ist den— 
noch ein großer Theil der französischen Offizieren entschieden mo— 
narchistisch gesinnt. Auch im militärischen Nachwuchs macht sich 
der monarchistische Geist bemerkbar, wie aus der Maßregel gegen 
27 Zoglinge der Militairschule zu St. Cyr hervorgeht. Dieselben 
hatten in Uniform der Messe zur Feier des Geburtstages des Grafen 
bon Chambord, des französischen Thron-Prätendenten beigewohnt und 
ind zur Strafe auf kriegsministeriellen Befehl in verschiedene 
Regimenter als Soldaten zweiter Classe eingereiht worden. Ob 
diese außerordentliche strenge Maßregel am Plate war, wollen 
wir dahingestellt sein lassen, der ganze Vorgang beweist aber, daß 
die jetzige Regierung in Frankreich noch lange nicht darauf rech— 
ien kaͤnn, ein durchaus republikanisch-gambettistisches Offiziercorps 
zu erhalten. 
In Irland rumorts noch immer. So wurde am 28. Juli 
mn Loughrea (Grafschaft Galway) ein Polizeikonstabler 
uuf öffentlicher Straße erschossen. Die Thäter sind verhaftet. 
Berichien aus Konstantinopel zufolge wurde die Todes— 
trafe sämmtlicher im Sultansmord⸗-Prozesse Verurtheilten 
in Festungshaft umgewandelt. 
Vermischtes. 
* St. Ingbert, 28. Juli. Nach der „Zw. Ztg.“ hat 
Dr. K. Schmidt, k. Rath am obersten Landesgerichte in München, 
zie im Wahlkreise Zweibrücken-Pirmasens auf ihn ge— 
allene Wahl als Landtags-Abgeordneter abgelehnt, hingegen 
zas ihm von dem Wahlkreis Speyer-Frankenthal durch Wahl über— 
ragene Mandat angenommen. Für Zweibrücken-Pirmasens hat 
omit eine Nachwahl statt zu finden. 
R. Kirkel-Neuhäusel, 26. Juli. Der seit 3 Wochen 
auus dem Gefängnisse entlassene Bursche Jakob Schwen der von 
dirkel, welcher eine dreijährige Gefängnißstrafe zu verbüßen 
jatte, weil er auf seine Geliebte, Namens Katharina Fe y von 
zem nahe gelegenen Abstäberhofe 3Schüsse abgefeuert hatte, 
vovon jedoch nur einer dieselbe am Beine verletzt hatte, drohte 
zleich nach seiner Entlassung, das Mädchen nun besser schießen zu 
vollen, wie dies vor 3 Jahren geschehen sei. Diese Drohung soll 
herselbe sowohl den Eltern als auch dem betr. Mädchen, die mit 
deumachen an der Blies beschäftigt waren mit den Worten gemacht 
haben, er sei in Zweibrücken gewesen und habe von dort Etwas 
mitgebracht; was es sei, könnten sie sich leicht denken. — Vorgestern 
wurde nun dieser Drohung wegen gerichtliche Untersuchung hier 
gehalten und soll hiebei der Betreffende sich so roh gegen den Ge— 
ichtsbeamten benommen haben, daß er nicht vernommen werden 
onnte. Die Eltern des Mädchens wurden auch vernommen und 
war später, welche Gelegenheit Schwender benutzte, um seine 
Mordgedanken zur Ausführung zu bringen. Raschen Schrittes ging 
erselde nach dem Abstäberhof, wo das Mädchen vor dem Hause 
dolz zur Küche bringen wollte. Wie ein Tiger stürzte der Un— 
nensch auf dasselbe mit dem Revolver los und feuerte wieder 3 
Schüsse auf es ab, wovon einer demselhen lebensgefährlich in die 
Zeite eindrang. Ein alter Nachbar, der der Sache zusah, ging 
uuf den Mörder los, wurde aber von demselben mit Erschießen be— 
droht, falls er ihn angreifen werde. Ob das Mädchen mit dem 
deben davon kommt, ist eine Frage, indem der es behandelnde Arzt 
die Kugeln nicht herausbringen kann. 
* Zu dem vorstehenden Bericht aus Kirkel-Neuhäusel 
haben wir noch das Folgende nachzutragen. Schwender begab sich 
'ofort nach seiner That auf die Flucht. Am nächsten (Dienstag) 
Morgen erhielt die hiesige Gensdarmerie Nachricht, daß er sich in 
stohrbach bei Bäcker Cunz aufhalte. Sofort begaben sich von hier 
wei Gensdarmen, die Hrn. Löffler und Römmich, zu seiner Ver⸗ 
haftung dahin. Schwender wurde wirklich im Cunz'schen Hause 
ingetroffen und daselbst auch festgenommen. Bei seiner Verhaf— 
ung machte er einen Selbstmordversuch, indem er sich mit 
einem Revolver eine Kugel in die Brust jagte. Die 
»adurch herbeigeführte Verwundung machte seine Verbringung 
n das hiesige Spital nothwendig. Im Anfang hielt man die 
Wunde für nicht lebensgefährlich. Dieselbe hat sich jedoch bis heute 
»a wahrscheinlich edle innere Theile verletzt wurden und auch eine, 
Bauchfellenentzundung hinzutrat, bedenklich verschlimmert, so daß 
in kürzester Zeit der Tod des Schwender zu erwarten steht. 
F Von den seitherigen pfäl zischen Abgeordneten kommen 
die nachstehenden 9 nicht in die neue Kammer: Reiffel,k. 
dandgerichts direktor in Kaiserslautern, Dr. Otto Heuck, prakt. 
Arzt in Mutterstadt, Philipp Tillmann, Gutsbesitzer in Eden⸗ 
'oben (lehnte ab), Jakob Exter, Gutsbesitzer in Neustadt (lehnte 
1b), Karl Wolf, Gutsbesitzer und Bürgermeister in Wachenheim 
lehnte ab), Adolph Tra uth, k. Oberamisrichter in Blieskastel 
lehnte ab), Ludwig Louis, k. Rechtsanwalt in München, Gustav 
„chmitt, k. Bezirksamtmann in Kaiserslautern, und Franz 
Siebert, k. Bezirkßsamtmann in Neustadt. Neu gewählt sind 7: 
Bürgermeister Märcker, Zweibrücken, L. Schleip, Fabrikant 
in Kusel, Brünings, k. Landgerichtsrath in Landau, Dr. 
Deinhardt, Deidesheim, Bürgermeiste Müller, Haardt, 
Dekonom Kaub, Steinweiler, Joh. Adam Mann, Landwirth 
in Lautersheim. 
Dem Vernehmen nach wird die Gerichtsvollzieherprüfung 
beim Landgerichte Zweibrücken am 29. September d. J. statt- 
inden. Es werden daran 18 Bewerber theilnehmen und als Prü—