Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Justherter Imzeuge) 
Amtliches Organ des koͤnigl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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M 1599. Dienstag, 4. Oktober 1881. 
16. Ja 
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ie Borgwirthschaft und ihre Zekümpfung. 
Unter obigem Titel bringt die „Frankfurter 
zresse“ nachstehenden beachtenswerthen Artikel: 
Schon längst ist es die feststehende Ueberzeugung aller 
Finsichtigen, daß die im deutschen Kleinhandel übliche 
Borgwirthschaft einer der groͤßten Schäden unseres 
ranzen wirthschaftlichen Lebens ist. Ein großer 
kheil der Consumenten kauft alle seine Bedürfnisse 
auf Buch“, d. h. bezahlt dieselben nicht sogleich, 
ondern läßt die Summe aufschreiben, und nach 
inem Viertel⸗ oder Halbjahr, oder gar nach einem 
Jahre und mehr wird die Rechnung endlich bezahlt. 
Welchen Schaden dieses lange Creditnehmen sliftet, 
äßt sich der einzelne Borger nicht träumen. Der Klein⸗ 
jändler oder Handwerker könnte bessere und dennoch 
illigere Waare einkaufen, wenn er baar Geld in 
er Hand hätte. So aber muß er bei dem Groß—⸗ 
ändler oder Fabrikanten auf Borg kaufen und 
„eshalb schlechtere Waare zu theueren Preisen bei 
Demjenigen nehmen, der ihm überhaupt borgen 
vill. Das ist aber noch nicht Alles. Die Buch⸗ 
chulden werden bei Weitem nicht alle bezahlt; die 
Schuldner sterben oder fie ziehen fort oder ver⸗ 
armen und der Verkäufer kommt ganz um sein 
Geld; oder der Schuldner hat so viel gekauft (denn 
„es geht ja auf Buch“), daß er am Ende des 
Jahres nur einen Theil all' der Rechnungen 
bezahlen kann. Den Verlust aber muß der Händler 
wieder einbringen, und das kann er nicht anders, 
als indem er die Waare oder Arbeit theurer be⸗ 
rechnet. Es kommt aber auch sehr häufig vor, daß 
der Händler oder Handwerker so diel an seinen 
Buchschuldnern verliert, daß er ruinirt wird und 
die bei dem Fabrikanten gemachten Schulden nicht 
bezahlen kann, weil seine Abnehmer ihn nicht be— 
zahlt haben. Diese Verluste nun muß der Fabri⸗ 
sant auch wieder auf die Waare schlagen, und so 
kommt es, daß die Waare durch den Zinsverlust 
und die Capitalverluste in all' den Händen, durch 
welche sie geht, vertheuert wird. Und wer bezahlt 
diese Vertheuerungen? Der Consument. 
Die Vertheuerung der Waare, welche wegfiele, 
venn der Baarverkehr an Stelle der Vorg⸗ 
virthschaft träte, hat man sachverständigerseits auf 
nindestens 18 pCt. berechnet, sie kann aber auch 
bis zu 80 und 40 pCt. steigen, das heißt: Das— 
enige, was der Consument jetzt mit einer Mark 
bezahlt, köͤnnte er — wenn man allgemein baar 
kaufte — für 50 bis 85 Pf. bekommen, wobei der 
Händler und Fabrikant dasselbe verdienten wie jetzt 
und obendrein noch ein solides Geschäft in der 
Hand hätten. Oder aufs Jahr berechnet: statt der 
tausend Mark, die eine Familie das Jahr über für 
die durch das Borgen vertheuerten Waaren etwa 
ausgiebt, brauchte sie dann nur durchschnittlich 750 
bis 800 Mark zu bezahlen. 
Und welchen Einfluß hat die Borgwirthschaft 
außer der dargelegten Vertheuerung der meisten 
Lebensbedürfnisse auf viele Familien? Da wird 
so manche unnütze Aus abe gemacht, die man ver⸗ 
vieden hötte. enun wman nicet ceborgt betärie 
Finmal aber müssen die Rechnungen doch bezahlt 
verden, und da kommt man so allmählich in Schul⸗ 
den und in immer größere Schulden, bis der frühere 
cleine Wohlstand dahin ist und mit ihem oft auch 
die Ehre und der bürgerliche Bestand der ganzen Familie. 
Der Erkenntniß der Uebelstände der Borgwirth⸗ 
schaft, die so klar zu Tage liegen, verschließt sich 
vohl Niemand mehr; trotzdem ist zut Bekämfung 
derselben bisher nichts Durchgreifendes geschehen. 
Es hat sich zwar so ziemlich überall die Sitte ein⸗ 
jebürgert, Baarzahlungen mit einem besonderen 
stabatte zu begünstigen, dem Cassasconto oder Baar⸗ 
rabatte, der durchschnittlich fünf vom Hundert be—⸗ 
rägt. Bei kleinen Summen des täglichen Verkehrs 
ann jedoch der Baarrabatt gar nicht ausbezahlt 
verden. Wenn man etwas für 850 Pf. kauft, kann 
er Händler doch den Rabatt welcher 29 Pf. be⸗ 
rüge, nicht auszahlen. Und selbst wenn die Summe 
rrößer ist, 10 Mark etwa, und der Händler den 
sabatt von 50 Pf. auszahlte, was nützte das in 
rheblicher Weise dem Consumenten? Er würde 
iesen kleinen Betrag nicht sonderlich achten und 
jei der nächsten Gelegenheit mit ausgeben, also 
inen sofort zu Tage tretenden größeren Vortheil 
avon nicht haben. Nun giebt man aber sein 
neistes Geld in kleinen Beträgen aus, die am 
ende des Jahres den größten Theil des ganzen 
berbrauchs ausmachen; dafür kann man also bei 
er baaren Auszahlung des Rabattes überhaupt 
einen solchen bekommen, und mit dem Reste kann 
nan nichts anfangen, weil er zu klein ist. Der 
gaarrabatt kommt sonach der ungeheuren Anzahl 
»et sogenannten kleinen Leute, die ihn am meisten 
rauchen könnten, gar nicht zu Gute und hat auch 
ür den Mittelstand keinen bedeutenden Nutzen, 
veil er einzeln nicht hinreichend verwerthet werden kann. 
Ein vor Kurzem ins Leben gerufenes Institut, 
zie Rabatt⸗Spar-Anstalt in Berlin, hat es sich zur 
Aufgabe gestellt, den soeben dargelegten Uebelständen 
ibzuhelfen. Die Grundzüge der Einrichtung dieser 
Anstalt wollen wir nachstehend stizziren: Diejenigen 
hewerbetreibenden aller Art, welche jeden Baarkauf 
abattiren wollen, treten der Anstalt als „Handels⸗ 
nitglieder“ bei. Kauft nun irgend Jemand etwas 
ei dem Handelsmitgliede gegen Baar und sei 
s auch nur für 5 Pfennige, so giebt das Handels⸗ 
nitglied dem Käufer einen Rabattschein für den 
etreffenden Betrag, welcher spätestens bis zum 31. 
FJanuar des folgenden Jahres bei irgend einer Zahl⸗ 
telle der Anstalt zur Verwerthung einzureichen ist. 
Nit diesem Rabaitschein hat der Käufer den ihm 
ukommenden Rabatt erhalten, denn das Handels⸗ 
nitglied hat für diesen Schein, wenn derselbe z. B. 
nuf 5 Pf. lautet, 4 Pf. (5 pCt. von 5 Pf.) an 
die Anstalt bezahlt und die Anstalt hat diesen 
iertel Pfennig für den Käufer bereits zinstragend 
ingelegt. Der Anstalt ist dies deshalb möglich, 
veil sie nicht den viertel Pfennig allein, sondern 
nit größeren Summen zusammen bekommen hat. 
der Consument sammelt die Rabatischeine nach 
Maßgabe seiner Einkäufe bei allen Handelsmit⸗ 
liedern der Anstalt (denn alle von der Anstalt 
usgegebenen Scheine haben denselben Werth, gleich⸗ 
iel von welchem Handelsmitgliede oder in welcher 
Ztadt der Consument sie erhäli), bis er Scheine 
m Beirage von 100 Mark beisammen hat, d. h. 
nit anderen Worten: Der Consument hat während 
der Zeit in verschiedenen Beträgen bei sämmtlichen 
Zandelsmitgliedern 100 Mark verausgabt und somit 
das Anrecht auf den Baar-Rabatt derselben Summe 
sich erworben. Diese 100 Mark Rabattscheine nun 
Jatkt der Fonsument der ihm z3unächst liegenden 
Zahlstelle der Anstalt und erhält sodar F 
ostenfrei einen Sparschein im Nenwerthev 
ꝛbenfalls 100 Mark. Vieser Sparschein wird v 
der Rabattsparanstalt nach Maßgabe ihrer Statu 
wmortisirt und innerhalb von höchstens 180 ha. 
ährlichen Verloosungen mit 100 Mark baar au 
ezahlt. Die Auszahlung erfolgt sofort nach der Vi 
oosung an den betreffenden Consumenten oder dess 
Rechtsnachfolger. Der Sparschein ist durch Indosj 
nent übertragbar. Die Anstalt belehni jeden Sparsche 
zis zur vollen Höhe seines inneren Werthes, geg 
5pCt. jährlicher Zinsen für die entliehene Summ 
dieser sogenannte innere Werth, welcher der B 
ehnung oder im Falle einer Liquidation die Au 
ahlung zu Grunde gelegt wird, beträgt für ein 
Sparschein von 100 Mark, von dem Jahre d 
lusgabe an gerechnet, bei Vollendung des dritt 
Jahres 4 Mark, bei Vollendung des zehnten Jahr 
35,40 Mark und steigt so allmaͤhlich um kleine B 
xäge, bis bei Vollendung des neunzigsten Jahr 
der Vollbetrag von 100 Mark erreicht ist. 
Es wird natürlich die Frage aufgeworfen werde 
vie es möglich sei, daß dieselben Sparscheine, fi 
velche die Anstalt nur den Baar-Rabatt, 5 Mar 
rhalten hat, mit 100 Mark voll ausbezahlt werde 
die Anstalt selbst beantwortet diese Frage folge 
ermaßen: „Nachdem die Anstalt einen kleinen The 
ꝛes Rabattes (der laut Statut ein Fünftel desselbe 
nicht übersteigen darf) für Verwaltungskosten u. 
v. in Abzug gebracht hat, legt sie den Rest vr 
nindestens 4 Mark in sicheren Hypotheken, Papiere 
c. an, worüber sie allmonatlich einen behördli 
mtestirten Nachweis veröffentlicht, so daß diest 
Beld keinerlei Gefahren unterliegt; die Zinsen sir 
iur mit 5 pCt p. a. berechnet, zu welchem Zin 
atze es gewiß nicht schwer hält, Gelder sicher cn 
ulegen, — und so werden durch die ersparte 
zinseszinsen aus den ursprünglichen 4 Mark sche 
n 83 Jahren über hundert Mark; die Anstalti 
iber, um ganz sicher zu gehen, nur zur Auszahlun 
des Sparscheines innerhalb von 90 Jahren ve 
yflichtet, also im Stande, dieser Verpflichtung jede 
eit nachzukommen. Die Auszahlung geschiel 
nittelst halbjährlicher öffentlicher Ausloosungen ur 
harf wohl früher, aber nicht später als innerha 
)es genannten Zeitraums beendet sein.“ 
Die Statuten der Rabattsparanstalt enthalt 
erner noch detaillirie Bestimmungen für den Fal 
daß der Sparscheinbesitzer keine Erben hat und nm 
Alter lieber den ganzen Werth der Scheine für fi 
yerbrauchen will, sowie auch für anderweitige Arli 
der Verwerthung des Rabatts. Hinsichtlich dieser ur 
inderer Details müssen wir auf die Statuten selb 
»erweisen und auf eine vor Kurzem unter der 
Titel,Das Wesen und Wirken der Rabatt⸗Spa 
Anstalt“erschienene Broschüre, welche den ganze 
Mechanismus des Instituts genau auseinandersetz 
Auch das Verhältniß der Handesmitglieder zu di 
Rabatisparanstalt ist in einer besondern Broschüre spec 
eller erörtert. Jederernstliche Versuch zur Lösung ein 
zrennenden Frage des täglichen Verkehrs verdier 
jewiß die Beachtung der Interessenten, und in un 
so höherem Grade, je ausgedehnter der Kreis da 
detzteren ist. Die Mißstände der Borgwirthscha 
verden aber unzweifelhaft in allen Schichten de 
Besellschaft empfunden, denn ein Jeder ist dabe 
venn nicht schon als Producent, so doch unbedingt al 
Fonsument in Mitleidenschaft gezogen. Die specieller 
Prüfung der geschäftlichen Organisation, und namem 
ich der finanziellen Grundlagen der von uns i 
hren wesentlichen Einrichtungen vorgeführten Anstal 
vnnß patürsich den T αν“