St. Iugherter Amzige'
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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M 172.
Sonntag, 23. Oktober 1881. 16. Jahrg.
R—
Herr Oskar Kraemer, Hüttenwerksbesitzer in St. Ingbert,
Reichsstagskandidat des Wahlbezirks Zweibrüchen-Pirmalens.
Politische Uebersicht. —
Deutsches Reich.
* In Nr. 169 des „Anz.“ brachten wir ein
tzerzeichniß der pfälzischen Reichstagskandidaten
jon den verschiedenen Parteien. Demselben haben
wir nachzufügen, daß von der Centrumspartei
aufgestellt ist: für den Wahlkreis Speyer-Franken⸗
hal: Dr. Eugen Jäger, Redakteur in Speyer;
iür Bergzabern-⸗Germersheim: Georg Freiherr zu
Frankenstein, Guätsbesitzer in Ullstadt (Mittel⸗
ranken), Reichsrath der Krone Bahern ꝛ⁊c.; für
daiserslautern⸗-Kirchheimbolandeu: Joseph Dahl,
Domkapitular in Speyer; für Homburg-⸗Kusel:
David Graf, k. Oberamtsrichter in Rockenhausen.
dr. Dr. Eugen Jäg er ist bekanntlich auch im Wahl⸗
bezirk Zweibrücken-Pirmasens Candidat, also doppelt
aufgestellt. Ebenso kandidirt der Centrums-Can⸗
didat für Neustadt-Landau, Dr. Julius Siben,
Butsbesitzer in Forst, auch im Badischen. — Als
deutsch-konservativer Candidat für den
Wahlkreis Kaiserslautern⸗Kirchheimbolanden ist Karl
Freiherr von Gienanth in Hochstein proklamirt.
Andere konservative Candidaten für die Pfalz sind
noch nicht bekannt.
Die nächste Plenarsitzung der bayer. Abge⸗
ordnetenkammer fsindet nächsten Dienstag siatt.
Das neueste Gesetze und Verordnungsblatt bringt
me mit dem 1. Nov. 1881 in Wirksamkeit tretende
gl. Verordnung über die Pension der Mann—
chaft des Gendarmeriekorps, durch
welche die über diesen Gegenstand bestandene Ver—⸗
»rdnung vom 27. Juni 1869 aufgehoben wird.
Nach dem seitherigen Regulativ erhielt ein ganz
invalider Gendarm nach 25jähriger Dienstzeit eine
Pension von manatlich 32 M. 40 Pf., während
er nach dem neuen Regulativ eine Pension von
36 M. und eine Pensionszulage von 10 M. 80 Pf.
erhält. Nach einer Dienstzeit von 33 Jahren be⸗
iieht der zum Ganzinvaliden gewordene Gendarm
nach den bisherigen Normen 82 M. 40 Pf. Pen⸗
ion und 10 M. 80 Pf. Zulage, künftig dagegen
36 M. Pension und 22 M. 50 Pf. Zulage. Nach
einer Dienstzeit von 40 Jahren endlich hatte er
zisher eine Pension von 32 M. 40 Pf. und eine
Zulage von 18 M. anzusprechen, während ihm
nach dem neuen Regulativ eine Pension von 36
M. und eine Pensionszulage von 33 M. gebührt.
Diese Steigerung der Pensionsbezüge bei höherem
Dienstalter wird vielleicht bewirken, daß die durch
dienstliche Erfahrung und Ausbildung erprobten
Mannschafien für den Gendarmeriedienst möalichst
ange erhalten bleiben.
Breslau, 20. Olt. Fürstbischof Förster
st heute Nachmittag 4 Uhr auf Schloß Johannis-
derg (Oesterreichisch-Schlesien) gestorben.
Ausland.
*Es muß doch Verschiedenes faul sein im Staate
Rußlaud, von dem man in anderen Ländern
eine Ahnung hat. Die Enthebung des Präsidenten
des russischen Minister-Comitee's, des Grafen
Walujeff, von seinem Posten, beweist, wenn
sie auch in denkbar mildester Form erfolgte, daß
die gegen den Grafen Walujeff erhobenen Anklagen
der Veruntreunng nicht ohne Grund waren und
daß somit selbst die höchsten russischen Beamten—
keeise von der allgemeinen ECorrupiion erariffen sind
Dem Grafen Walujeff sind zwar verschiedene an⸗
dere Aemter belassen worden, doch wahrscheinlich
aur pro forma, um ihn nicht mit einem Male in
der Petersburger Gesellschaft zu desavouiren.
London, 20. Okt. Erzbischoff Croke in
Tashel veröffentlicht ein Schreiben, wodurch er die
Aufforderung der Landliga, keine Pacht zu zahlen
— das No⸗Rent-Manifest, wie es kurz genannt
vird — verurtheilt. Er sagte u. A.: „Ich habe
tets sowohl in öffentlichen als Privatäußerungen,
owohl innerhalb als außerhalb Irlands, vor Laien
ind Priestern, Hoch und Niedrig erklärt, daß ich
zach einem gerechten Pachtzins, nach sicherem Fuß⸗
assen unserer Ackerbevölkerung auf ihrem Grund
ind Boden, nach gesunder Nahrung und passender
dleidung und Wohnung strebte und nach Nichts
nehr, und daß völlige Pachtverweigerung bei mir
einen Beifall finden werde. Das war die gesunde
irsprüngliche staatsmännische, hinreichend elastische,
jerechte Politik der Landliga, und ich glaube, daß
zie jetzt so heftig dem Lande empfohlene neue Politik
zrundsätzlich zu verdammen ist und zu Nichts als
Nuflösung und Niederlage führt.“ Dieser Brief ist
ein harter Schlag für Parnell und Genossen.
In Dublin haben trotz der Hetzerei der Land⸗
iga bereits 340 Pächter die Feststellung ihres
dachtzinses bei dem Landgerichtshof be antragt. —
die letzten Berichte aus Irland melden eine Wieder⸗
vrstossung der Rube
—L
*St. Ingbert. (Dauer der Schul⸗
»flicht.) Durcheine unter dem 30. September
»s. Is. ergangene Entscheidung des Ministeriums
ür Kirchen⸗ und Schulangelegenheiten wurde fest⸗
jesetzt, daß die Schulpflicht im Ganzen 10 Jahre
»auere, daß also bei 8jährigem oder 7 jährigem
Werktagsschulbesuch von 2 resp. von 21)3 Jahren
genüge. In Folge dieser Entscheidung werden nun
ofort alle jene Sonntagsschüler und Sonntags⸗
chülerinnen, welche einen zehnjährigen Gesammt⸗
qulbesuch hinter sich haben und bei denen hinsicht⸗
ich ihrer Schulkenninisse für ihre Entlassung kein
dinderniß besteht, aus der Sonntags⸗ und Fort⸗
zildungsschule entlassen.
*St. Ingbert, 22. Ott. Heute Morgen
vurde, wie uns mitgetheilt wird, in dem benachbarten
sohrbach auf einem Holzplatze die Leiche eines
aeugeborenen Kindes gefunden. Natürlich nimmt
nan an, daß ein Verbrechen vorliegt, doch konnten
vir Näheres bis jetzt noch nicht erfahren.
— Vom unteren Gebirg wird der ,Pf.
Pr.“ berichtet: Noch ist die Weinlese bei uns
erst zum Theile beendet, da nicht, wie am oberen
Hebirge, gleichzeitig, sondern erst von der arbei⸗—
enden Classe und von denen gelesen wird, welche
zleich verkaufen wollen. Die Nachfrage war sehr
tark und ist so ziemlich fast alles in festen Händen.
Wer keltert und einkellert, will speculiren. Da der
Breis des 1880er sich zwischen 205830 M. und
der des offenbar bessern Sler blos zwischen 144522
M. bewegt, wird vorerst zurückgehalten. In
Mußbach wurde von 14217 M. per Logel
30 Liter, das Fuder 1200 Liter) verkauft. In
Zdonigsbach wurde bei ganz festen Preisen nur
zu 18 M. die Logel Weißer und zu 40 M. der
dothe verkauft. Ein solcher gleichmäßige Preis
uij sonst nirgends ühlich der erste Nerkauf bestimmé
den Preis, wornach sich Alle richten. In Konigs⸗
dach ist Alles verkauft, was vom Stocke weg zu
derkaufen war. Von der Kelter weg wurde Most
in Konigsbach zu 595 M. per 1000 Liter ver⸗
kauft und ist ziemlich viel Geld unter die kleinen
ind mittleren Weinbauern gekommen. In Wachen⸗
heim wurden 16—18 M., in Deidesheim 20 -22
MN. per Logel Most bezahlt. Noch drei oder vier
olcher Jahre, sagen die Winzer, und wir sind ge⸗
jeilte Leute.
— Von der mittleren Haardt wird
demselben Blatte geschrieben: Der Herbst ist bei
ins allgemein beendet und das Ergebniß durchweg
suantitativ und qualitativ besser als man erwartet
)atte. Verlauft ist bereits sehr viel; anfangs,
da die Wirthe immer etwas „Neuen“ brauchen,
varen die Preise höher. Dieselben sind auf 3200 - 250
M. zurückgegangen. In Weyher wurde gestern
u 300 M. verkauft. In Edenkoben wird der
Schoppen guter „Federweißer“ schon zu 26 Pfg.
erzapft. Die Bierbrauer werden unter der Herrschaft
)»es „Neuen“ sehr zu leiden haben, denn dieser
ibertrifft den 8SOer, der um 38 Proc. höher im
Preise war. Ein solcher Wein zu 20 Pfg. (O Kr.)
her Schoppen ist schon lange nicht mehr dagewesen.
— In Speyer wurde am 19. d. unter sehr
tarker Theilnahme von Lehrern und Geistlichen aus
illen Theilen der Pfalz das Denkmal eingeweiht,
velches dem verstorbenen Seminarmusillehrer und
Domorganisten Dr. Joh. Bapt. Benz dessen ehe⸗
nalige Schüler aus dankbarer Verehrung errichtet
jaben.
— In Ludwigs hafen erschoß sich am Don⸗
nerstag ein Arbeiter; er soll Heinrich Wormser
jeißen und aus Godramstein sein. Unglückliche
Liebe ist das Motiv der That, wie aus einem bei
hm vorgefundenen Brief zu ersehen war.
Vermi! Htes.
F Frankfurt, 20. Oklt. Wie vorgestern in
der Gläubiger⸗Versammlung der Patent⸗Ausstellung
durch ein Komite-Mitglied verlautet, beirägt das
Defizit nicht 460,000 Mt. sondern 700,000 Mk.!
fRegensburg, 18. Okt. Die von Koͤnig
dudwig J. zum Gedähtniß an die Völkerschlacht
zei Leipzig gestiftete Armenausspeisung fand heute
dahier im Bergmüller'schen Saal statt. Es wurden
221 Arme gespeist. Vor Beginn der Ausspeisung
zielt Bürgerme ister v. Stobäus, welcher mit dem
Regierungspräsidenten im Saal erschienen war,
ber die Bedeutung und den Zweck der Stiftung
eine Ansprache.
7 Kiel, 18. Okt. Bei der Sturmfluth am
Samstag sind bei der Insel Sylt sechs Schiffe
gestrandet und vierzehn Personen erttunken.
F Der „Reichs⸗Anzeiger“ schreibt: „An den in
dem Garten des Kunst- und Handelsgärtners Dreesen
zu Bonn befindlichen Reben ist das Vorhandensein
der Reblaus entdeckt worden. Es sind die geeigneten
Naßregeln eingeleitet, um einer Verbreitung der
ran kheit vorzubeugen.“
fFCEin trauriges Zeichen moralischer
Verworfenheith). Bei dem gegenwärtigen Hoch⸗
berrathsproceß in Leipzig follte der Kaufmann Preuß,
in Unter suchung wegen Unterschlagung, als Zeuge
bernommen werden. Er hatte brieflich erklärt,
daß er ein so großer Verbrecher sei, daß er nicht
vieder aus dem Nuchthaus beraustkommen wolle