Full text: St. Ingberter Anzeiger

Bei den Angehörigen der Knappschaft wird dieser 
Zeweis von Fursorge feitens ihres Vorgesetzten ge⸗ 
wiß den aufrichtigsten Dank finden. 
Von der Stadt Kaiserslautern ging 
an die bayer. Abgeordnetenkammer eine Petition 
um entsprechende Herabsetzung der Kohlen⸗ 
tdarife für die innere Pfalz. Der Petition sind 
1Tabellen beigegeben, welche darthun, daß durch 
die bestehenden ungünstigen Kohlentarife, welche den 
zeinzigen Zweck haben, die Kohlen aus dem Saar⸗ 
zebieie den Ruhrkohlen gegenüber konkurrenzfähig 
zu machen, die Bewohner der Westpfalz gegen ihre 
borderpfälzischen Landsleute bedeutend zurückgesetzt 
ind, indem sie in Folge der hohen Frachten geradezu 
eine Extrasteuer, eine „Kohlensteuer,“ zu Gunsten 
der reicheren Vorderpfalz an die pfälzischen Bahnen 
zu entrichten haben. 
— Zweibräcken, 7. Novb. In der heutigen 
Sitzung der Straffammer des k. Landgerichts fand 
die Verhandluug gegen Alb. Rud. Görke, 29 J. 
I. lediger Schuͤster aus Wilkendorf, Kreis Weblau 
n Ostpreußen, wegen mehrfacher Diebstähle unter 
erschwerenden Umständen Statt. Urtheil: Gesammt⸗ 
trafe 15 Jahre Zuchthaus. 
— In Kaiserslautern tritt dieser Tage 
eine Einrichtung ins Leben, welche berufen ist, 
ꝛpochemachend in die Verhältnisse unserer Landwirth⸗ 
chaft einzugreifen! Es dies die Molkerei⸗Genossen⸗ 
chaft Kaiferslautern. Dieselbe arbeitet auf folgenden 
Brundlagen: 1. Die Konsumenten erhalten die 
Milch unter Garantie für vollständige Reinheit und 
normalen Gehalt derselben. Es ist dadurch der 
Verkauf von sehr wässeriger reiner Kuhmilch ebenso 
nusgeschlossen, wie der von verfälscherter mehr oder 
ninder abgerahmter. 2. Die einzelnen Mitglieder 
exhalten fuür die Milch einen Preis, welcher der 
Qualität derselben entspricht: z. B. erhält derjenige, 
velcher eine Milch mit 31,7 pCt. spezifisches Ge⸗ 
vichi und 3,3 pCt. Fett liefert, 14 — per Liter, 
»erjenige, dessen Milch 82,2 spezifisches Gewicht 
ind 4 pCt. Fett aufweist, 15,8 Z. Dadurch sind 
die Miiglieder zur Lieferung von möglichst guter 
Milch angespornt. 3. Etwa übrig bleibende Voll⸗ 
nilch wird mittelst Zentrifuge entrahmt und zu 
Butler verarbeitet. Die resultirende Magermilch 
vird als solche, soweit möglich, verkauft und der 
Rest zu Kase verarbeitet. Wir wünschen den Ge— 
aossenschaften, diesen Pionieren der Milchwirthschaft 
m der Pfalz, den besten Erfolg. 
— Reuüstadt, 7. Nov. Heute Morgen er⸗ 
schoß sich in seinem Hause (Karlsberg) der Wein⸗ 
zutsbesitzer Seb. Böckler, nachdem er sich mittelst 
ines Messers eine schwere Wunde am Hals beige— 
racht haiie. Die Gründe zu diesem bedauerlichen 
Schritt sind in den zerrütteten Vermögens: und 
Gejundheitsverhältnissen des Verstorbenen zu suchen. 
Kandel. Ein hiesiger Feuerwehrmann, 
welcher diesen Sommer bei einer Uebung mit einem 
nit Grünspan überzogenen Helm erschienen war 
ind deshalb mit einer gerichtlichen Geldstrafe von 
2 Mark bedacht wurde, erlaubie sich, wie der „L. 
Anz.“ meldet, bei einer jüngst abgehaltenen Uebung 
nit Holzschuhen bekleidet in voller Ausrüstung bei⸗ 
uwohnen, um seine Vorgesetzten resp. Kameraden 
hamit zu ärgern. Auf Grund nochmaliger Anzeige 
wurde demseiben für solchen Unfug eine Geldstrafe 
bon 9 Mark ev. 3 Tage Haft zu Theil. 
— Speyer, 6. Nov. Der hiesige Vorort 
uind Sitßz des „Bundes-Ausschusses des „Pfälzischen 
Sangerbundes“ hat seinen 22. Jahresbericht 
(1882/83) ausgegeben und eninehmen wir demselben, 
daß derfeibe aus 146 Vereine mit 4098 Sängern 
besieht, und sein Gesammtvermögen ohne Verlags- 
werke fich auf 10,482 Mtk. 69 Pfg. beziffert. — 
Die diesjahrige Haupwersammlung wird am 18. 
Rov., Vorm. 11 Uhr, in der Bauer'schen Wirth⸗ 
ichaft zu Haardt abgehalten werden. 
— Am Montag trat in Speyer zu seiner dies⸗ 
jährigen Session der Landrath der Pfalz zu— 
jammen. Herr Regierungspräsident v. Braun er⸗ 
Iffnete mit einer langeren Ansprache, in der er die 
einzelnen Positionen des Kreisbudgets aufführte und 
erlaͤuterte die Verhandlungen. Als Landraths⸗ 
Präsident wurde Herr Dr. A. Buhl und als Se⸗ 
retaͤr Herr Banlier Schnei der gewählt 
— Ludwigshafen, 8. Novemhber. Gestern 
Mittag gegen 1Uhr stürzte sich ein gie iger verhei⸗ 
ratheter Arbeiter unterhalb der Brücke in den Rhein, 
um den Tod in den Wellen zu suchen. Der un⸗ 
zlückliche wurde noch rechtzeitig aus dem Wasser 
Jezogen und mit Muhe zum Leben zurückgerufen. 
Er gab dann an. daß Mangel an Arbeit und in— 
olge dessen bititere Noth ihn zu dem traurigen Ent⸗ 
chluß, sich zu ertranken, getrieben habr. (Pf. K.) 
Bermijchtes. 
München, 7. Nob. Das Liebig⸗Denk 
nal ist durch tuchlose Hände geschändet! Die 
janze linke Seite der Statue ist mit einer in den 
Matmor eindringenden dunklen Flüssigkeit bespritzt 
ind große Flecken derselben bedecken das Haupt, die 
Schuiter. das Gewand, die Hände. Bis auf den 
Zockel herunter ist die Masse in langen Streifen 
jerabgelaufen. Allem Anschein nach wird es un⸗ 
nöglich sein, die Spuren zu vertilgen. Die Ent⸗ 
cüstung über dieses Bubenstück eines Elenden ist 
illgemein. 
München, 7. Rov. Ein Stiefgroßvater 
der seine Stiefenkelin heirathen will. Der pens. 
Zartschier Andreas Geiseibrecht in Bamberg, will 
eine AÄdoptibtochter Therese Schlüßeleder heirathen, 
ine Tochter des außerehelichen Sohnes seiner ersten 
zrau, Magd Fleischmann, Johann Fleischmann. 
Begen zu naher Verwandischaft verweigerte der 
Magistrat Bamberg auf Ansuchen das Verehelich- 
ingszeugniß. Hiergegen ergriff Geiselbrecht die Be⸗ 
chwerde zum k. Verwaltungsgerichtshofe, welcher 
ie gleiche Ansicht hegt, daß Stiefeltern nnd Stief⸗ 
inder jeden Grades keine Ehe eingehen dürfen. 
Zonach wurde die Beschwerde kostenfällig verworfen 
ind 10 Mt. Gebühr in Ansatz gebracht. 
(Auch eint Mutter) Vor dem Land⸗ 
jericht München J stand vor einigen Tagen die 
3jährige wiederholt wegen Diebstahls bestrafte 
Taglöhnerin Marie Matheis, angeklagt, der Krämers 
rau Kleiber eine Uhr entwendet zu haben. Sie 
jatte anfänglich die Frechheit, ihr eigenes dreijäh⸗ 
iges Kind des Diebstahls zu beschuldigen, mußte 
edoch, auf das Frevelhafte ihrer Angabe aufmerk⸗ 
am gemacht, zugeben, daß sie selbst den Diebstahl 
erübt hat. Urtheil sechs Monate Gefängniß. 
Dillingen, Anfang November. Hiefige 
Zoldaten des 2. Chev. Reg. haben einen Mälzer, 
stamens Link, kürzlich auf grauenhafte Weise er⸗ 
nordet. Fünf Soldaten der 4. Esc. sind verhaftet. 
F Landshut, 6. Nov. Wie der „Kur. f. 
st.“ schreibt, gebar gestern eine Frauensperson wäh⸗ 
end der Eisenbahnfahrt auf der Strecke zwischen 
hier und Landau. Die Mutter nahm das Kind 
ind warf es einfach zum Fenster hinaus. 
Den Reisenden, welche nach Eisenbahn⸗ 
tationen fahren, für welche auf der Zugangsstation 
Zillete nicht aufliegen und nach welchen Reisegepäck 
nicht direkt abgeferligt werden kann, die Fortsetzung 
er Reise ohne Aufenthalt und Weitwendigkeiten zu 
rmöglichen, hat nun die Generaldirektion der kgl. 
ayer. Verkehrsaustalten die Einrichtung getroffen 
ind die näheren Bestimmungen hiezu erlassen, daß 
ie Billete telegraphisch vorausbestellt oder die Um⸗ 
rxpedition des Gepäckes veranlaßt werden kann. 
4 Die „Sir. P.“ schreibt vom 7. November: 
Bie es heißt, soll der mit der Untersuchung wegen 
der Mordthaten betraute Untersuchungsrichter auch 
zach einem Buchbinder fahnden lassen, welcher seit 
dem der Mordnacht vorhergehenden Sonntag von 
ier verschwunden ist. Derselbe soll am Montag 
on einem Ort des Elsaß aus zwar an seine hier 
vohnende Mutter einen Brief geschrieben haben, 
slein es wird angenommen, daß das absichtlich zur 
derbeiführung eines Alibibeweises geschehen sei. 
das Buchbindermesser, dessen er sich bei der Arbeit 
ediente, soll dem bei der Leiche des Soldaten Adels 
ufgefundenen Buchbindermesser ähnlich sehen. In⸗ 
vieweit fich diese Vermuthungen bestätigen werden, 
oird hoffentlich die nächste Schwurgerichtssession er- 
eben. Das „E. J.“ meldet: Von verschiedenen 
ʒeiten bringt man den auf Veranlassung des Karten⸗ 
nädchens verhafteten Schuhmacher mit der im Jahre 
878 geschehenen, disher noch nicht aufgeklärten 
zrmordung des Herrn Acker in Verbindung. Er—⸗ 
lerer soll in dem Hause des Herrn Ader zur Zeit 
er Ermordung desselben gewohnt haben. 
FIn Frankfurt ging vorgestern ein junger 
Nann eine Unsinnige Wette ein. Er behaup⸗ 
ete, wie die Fr. N. mittheilen, in einer Stunde 
34 Cigarren rauchen zu können. Als man ihm 
bidersprach, wettete er 20 Mk. gegen eine, daß er 
rees fertig bringen werde. Der junge „Held“ 
heilte nun die 24 Cigarren in Padchen zusammen, 
hhnitt die Spitzen der Cigarren ab, zündete sie an 
ind fing zu qualmen an. Drei der Päckchen rauchte 
r nacheinander auf, beim vierten Pädchen aber 
vurde dem Raucher dermaßen unwohl, daß er nicht 
nehr stehen und gehen konnte und nach Hause ge— 
rahren werden mußte, woselbst er heute noch zu 
Bette liegt und über stechende Kopfschmerzen klagt 
fAus Sachsen, 6. Nov. Wenn man, 
vie jüngsthin geschah, die Zahl. der. Nachkommen 
duther's auf 500 schätzte, so könnie dies leicht zu 
aiedrig gegriffen sein. Wie vor Jahrzehnten der 
RKektor des Rikolaighmnasiums zu Leipzig, Dr. 
Nobbe, der selbst zu Luther's Nachkommenschaft ge— 
örte, Quellenstudien darüber veröffentlichte, so hat 
zeuerdings der Kirchner Kühn in Pegau ein kleines 
SZchrifichen herausgegeben, in welchem er die Re⸗ 
uliate seiner Forschungen bekannt macht. Gemuß 
)er Kühn'schen Publikation gehören von der ge— 
ammten Bevölkerung der Stadt Pegau nicht weni⸗ 
zer wie 2 Prozent ca. 100 Personen, zu Luthers 
Geschlecht, namlich zu den Nachkommen des Sohnes 
haul und des Enkels Johann. 
Emersleben, 6. Nov. Die Trichinose 
ordert noch fast täglich ihre Opfer. Bis jetzt sind 
10 Personen von 750 Einwohnern dieser schrec— 
ichen Krankheit erlegen, und noch sind mehrere 
Zatienten vorhanden, die wenig Hoffnung auf Ge⸗ 
iesung machen. Gestern ist wieder ein Haus leer 
eworden; die Tochter ist ihren Eltern und der 
Froßmutter in die Ewigkeit nachgefolgt. Um den 
dranken die Aufregung zu ersparen, werden die 
zeichen ohne das sonst ortsübliche Geläute der 
Mutter Erde übergeben. 
p Der Piano⸗-Fabrikant Weidenslaufer 
gerlin, machte in diesen Tagen seiner über ganz 
Ddeutschland verbreiteten Kundschaft ein reizendes 
leines Geschenk, er versandte gratis 5000 Exemplare 
nes geflügelten Liedes: „So wie Du“ von Wald- 
nann, welches in jeder Musikalienhandlung käuflich 
ür 75 Pfg. zu haben ist. — F 
4 Ein merkwürdiger Erkrankungsfall ist 
or einiger Zeit in der königlichen Klinik zu Berlin 
ur Behandlung gekommen. Eine ziemlich bejahrte 
gauersfrau aus der Gothaer Gegend war hier bei 
hren Kindern zum Besuch. Schon als sie hier ein⸗ 
raf, litt sie an einer hartnäckigen Verstopfung der 
stase, so daß ihr unmöglich war, durch dieselbe zu 
ithmen. Sie meldete sich in der Klinik zur Con⸗ 
ultation und hier entdeckte man unter der Nasen⸗ 
chleimhaut eine ganze Anzahl von Fliegenlarven, 
die sich bequem mit dem Pinzette entfernen ließen. 
diese sonderbare Erscheinung wird dadurch aufge⸗ 
lärt, daß die Frau, wie sie selbst eingestand, die 
hewohnheit hatte, in ihrer Heimath im Freien zu 
chlafen. Die Larven wurden bei näherer Unter⸗ 
uchung als von der Fliegenart der sogenannten 
Zargophagina herrührend erkannt. 
Als einer der größten Jagdmerkwürdig— 
keiten wird erzählt, daß der Oberförster Wallot 
u Meschede ein im Frühjahr dieses Jahres ge—⸗ 
angenes junges Wildschwein (Frischling) aufgezogen 
ind gezähmt hat, so daß es seinen Herrn bei den 
Spaziergängen jetzt wie ein Hund begleitet. Mit 
em Hühnerhunde seines Herrn hat es ganz intime 
Freundschaft geschlossen, da derselbe es bei den Aus⸗ 
jängen, als es noch ganz klein war, sorgfaͤltig 
ütete und gegen jeden Angriff zu schützen pflegte. 
Zeide weichen einander auf den Wegen nicht von der 
Seite. 
fGOrill oder Erziehung.) Im Mili⸗ 
arkasino zu Wien hielt am vergangen Sonntag 
rer Feldmarschalllieutenant und Commandant der 
25. vsterreichischen Division Erzherzog Johann vor 
inem zahlreichen militärischen Auditorium einen 
hortrag über die Frage, ob Drill oder Erziehung 
röthig sei. Er trat als warmer Anwalt der Et⸗ 
iehung und Heranbildung der Soldaten auf, wäh⸗ 
endec den Drill. die Maͤschinisirung des Menschen, 
die er es nannte, bekampfte; er richiete an die Offi⸗ 
iere die Aufforderung, dem Soldaten nicht immet 
ur den kalten, fordernden Vorgesetzten zu zeigen, 
ondern demselben auch menschlich näher zu treten, 
mif dessen Gemüthsleben und Ideenkreis einzuwir 
en, weil bei den heute die Monarchie unterwuͤhlen⸗ 
en Sonderbestrebunng der Parteien, die Armee den 
dort der Reichseinheit bilde und der Soldat bei 
Ruͤdtehr von der Trupre in die Heimath ein 
lwideltes Staatsbewewußisein mit sich nehmen 
ue Der aus dem Volte kommende Mann sole 
nicht durch den Ballast eines hohlen verdummenden 
Formalismus in seinem natürlichen Denken beirrtt 
Zeden Der Dril breche den Willen, während 
wilitärische Gehorsam keineswegs einen willen⸗ 
ind gedankenlosen Menschen zur Voraussetzung habe. 
der Vortrag schloß mit den Worten: .Man drile 
Asd nicht, man erziehe!“