u vertreten. Neuerdings jedoch glaubt man, daß
r Graf definitiv zum Nachfolger des Herrn
F Alvensleben im Haag bestimmt sei und
* Gesandtenposten, der bekanntlich in der deut⸗
e Diplomatie ein sehr beliebter und sehr gesuchter,
* in den nächsten Tagen erhalten würde. Hier
Graf Bismarck unstreitig eine recht interessante
beriebt und wenn auch nicht, wie einige Blätter
un „die russische Sprache“ erlernt, so doch
Issische Verhältnisse und russisches, oder richtiger
helersburger Leben kennen gelernt. Er hatte es
dieser Beziehung leicht, denn selbstverstündlich
um man ihm, als dem Sohne seines Vaters (dem
udem recht ähnlich sieht) allerorten liebenswürdig
tgegen. Seine feste Körperkonstitution erlaudte
dem Grafen, nach hiesiger Art die Nacht zum Tage
machen und der Unsumme von Einladungen,
an ihn ergingen, zu folgen. Trotzdem aber
hinderten diese gesellschaftlichen Strapozen in keiner
eise die in der Zeit seines Aufenthaltes hierselbst
— recht anstrengende Arbeit, und das imponirte
)en vornehmen Russen gewaltig, die Bequemlichkeit
irt sich selbst, und nur bei Anderen Geschwindigkeit
eben. Sie machten aus ihrer Ansicht kein Hehl.
Iuß ein Sohn des Fürsten Bismarck es doch viel
quemer haben könnte. — Die hiesige Damenwelt
umt diesem Sohne des Fürsten auch noch große
diehenswürdigkeit nach, ob die Männer ebenfalls? —
do'nt know!
Gersuchsstation für Ballons.) Der
hauptmann Buchholtz vom Eisenbahnregiment ist,
ie die Post“ meldet, zum Vorsteher einer Ver⸗
suchsstation für Ballons ernannt. Im beigegeben
sind drei andere Offiziere. Die Station befindet
ich in dem Ostbahnhofsgebäude zu Berlin.
Gchreckenskunde.) Auf dem sogen.
Schitze⸗ Höeichen bei Osterrath, welches von einer
Familie Nybelen, Mann und Frau nebst 7 Kindern
und alter Mutter, und dem Gesinde bewohnt wird,
war abends gegen 10 Uhr in der Schlafstube der
sinder, wahrscheinlich infolge eines Kaminbrandes,
Feuer ausgebrochen. Die 6 jungen Menschenleben,
welche sich in der Schlafstube zur Ruhe hingelegt
vatten, kamen sämmtlich in dem Rauch und in den
Flammen um. Zwei Knaben lagen noch, wie sie
ich zum Schlafen hingelegt hatten, erstickt in dem
Bette, das jüngste Kind, 3 Jahre alt, wurde todt
unter dem Bette gefunden. Nur das jüngste der
ieben Kinder blieb am Leben, da es bei den Eltern
schlief. Die alte kranke Mutter, welche sich vor
Altersschwäche allein nicht mehr bewegen kann,
wurde glücklich aus dem brennenden Hause heraus—
gebracht. Das Haus brannte ganz nieder, Stal⸗
lungen uebst Vieh blieben verschont.
f Pest, 19. Mai. Es ist schwer heutzutage,
iber ein noch nie dagewesenes Vorkommniß zu be—⸗
richten, um so schwerer, als nach des weisen Rabbi
Ben Akiba Ausspruch ja doch „Alles schon dage—
wesen“ ist. Den Vorzug der Seltenheit hat aber
zas Ereigniß jedenfalls, das gegenwärtig hier so
biel Aufsehen erregt. Es handelt sich nämlich um
inen Selbstmordversuch vor der Trauung. Gestern
ollte hier die Trauung des Barons Aurel Staudach
mit Fräulein Adele v. K. stattfinden. Statt des
Zrautigams erschien bei der Familie der Braut der
Nausmeister aus der Wohnung Staudach's mit der
Neldung, der Baron habe einen Selbstmordversuch
xxrübt und sich durch einen Revolverschuß, der
wischen die Rippen drang, berwundet. In der
hat wollten gerade zwei Männer den Verwundeten
n einer Tragbare in die Wohnung der Braut tragen
was auf besonderen Wunsch des Selbstmord⸗Can⸗
didaten geschehen sein soll), als im selben Augen⸗
Nlicke noch ein Polizist die Ausführung dieser Ab⸗
icht vereitelte. Sodann wurde Baron Staudach,
)essen Verwundung keine lebensgefährliche ist, in
»as Rochuspital gebracht. Es ist noch nicht auf⸗
zeklärt, weshalb der Bräutigam vor der Hochzeit
u den Tod gehen wollte.
Pest, 21. Mai. Heute Nachmittag drei
iht erschien ein junger Mann in der hiesigen Wech⸗
elstube des Arnold Brandl und bot daseibst zwei
Tausender · Obligationen der österreichischen Mairente
jum Verkaufe an. Der Buchhalter des Geschäftes
wollte bereits die Auszahlung des entfallenden Be⸗
rages vornehmen, als ein Comptoirist bemerkte, die
beiden Nummern seien in dem Verzeichnisse enhalten,
das von der Polizei allen Wechselstuben übergeben
worden ist und jene Effekten umfazt, die dem Be⸗—
der sogenannten Schweizermühle bei Weiß⸗
duß in Böhmen bekanntlich unter so auffälligen
mständen geraubt wurden. Als man dies dem
Unbekannten mittheilte, nahm derselbe Reißaus.
Der Buchhalter setzte ihm nach und ließ ihn auf
dem Josephsplatz von einem Constabler festnehmen.
Bei der Visitation auf der Polizei fand man
bei dem jungen Menschen noch 21 Coupons voun
1854er und 1860er Loosen die alle als ge⸗
aubt auf dem erwähnten Verzeichnifse figuriren.
derselbe heißt Karl Frank und hat nach allerlei
dusflüchten ein umfassendes Geständniß abgelegt
ind bekannt, daß er mit noch einem Complicen den
stauh in der Weißkirchlitzer Mühle ausgeführt habe.
Außer den schon erwähnten 21 Loos-Coupons fand
nan bei ihm eingenäht die meisten der geraubten
fffekten, sowie 10,100 fl. Bargeld und ein Fläsch—
hen Gift. Frank wird dem kompetenten Gerichte
nusgeliefert werden.
7Meueösterreichische Fünfzig-Gul⸗
den⸗Noten.) In den nächsten Tagen kommen
die neuen Fünkzig; Gulden⸗ Noten in Zukulation,
»on denen das , N. Wr. Tageblatt“ gelegentlich
des Berichtes über einen Besuch im Staatsuoten⸗
Atelier eine detaillirte Beschreibung geliefert hat
Die neuen Noten sehen nicht blos sehr gefällig aus,
ie haben auch den Vorzug — vorläufig wenigstens
— nicht gefälscht werden zu können. Die blaue
Farbe, welche für den Ueberdruck benutzt ist, wider—
feht allen chemischen Reagentien, und dieser Um—
tand, wie noch ein anderer, über den Wissende sehr
gut orientirt sind, verhindert die gefährlichste Nach⸗
ahmung dieser Note, die durch die Pyhotographie.
Man hat es also hier mit der vollendetsten Geld—
note der Welt zu thun, mit Meisterwerken überdies,
don denen jeder Sammler sich Doubletten sehr gerne
gefallen lassen wird.
Gie Ueberwachung der franzöfi—
schen Kronjuwelen.) Die Pariser Polizei
jat besondere Maßregeln ergriffen, um die Ueber—
vachung der Kronjuwelen zu sichern, die auf der
ndustriellen Ausstellung im Louvre zum letztenmale
beisammen figuriren sollen. Dieselben werden in
der sogenannten dalle des Etats im Hintergrund
des Saales auf einer zwei Meter hohen Estrade
aufgestellt. Der Boden, auf dem sich die Estrade
defindet, ist mit einer einen Centimeter dicken stäh—
ernen Platte bedeckt. Der „Käfig“ besteht aus
euerbeständigen Ziegeln, die mit 15 Millimeter
tarkem Stahl bepanzert sind, und ist von einer
tählernen, auf Rollen ruhenden Schublade bedeckt.
jo daß der kostbare Schatz in einem Augenblick in
den Verschlag zurückfallen kann. Um den Käfig
serum wird ein Drahtwerk gespannt, das man nicht
zerühren kann, ohne daß es ein elektrisches System
in Bewegung setzt, und wenn es gelingt, dasselbe
zu durchschneiden, so ertönt in allen Theilen des
Zebäudes ein nicht endendes Glockengeläute. Der
Zicherheitsdienst besteht in der Nacht aus 8 Mann
Pariser Stadtsoldaten, die sich unter dem Saal
)efinden, zwei Finanzbeamten, die im Saale sind,
ind einer größeren Anzahl von Sicherheitsbeamten.
Die Ausstellung ist eine französische. Keine aus—
ändischen Erzeugnisse werden zugelassen. Außer
den Kronjuwelen werden dort noch die Diamanten
der franfösischen Gesellschaft des Caps der guten
Hoffnung (zehn Millionen) und die Fabrikate der
rTanzösischen Hauptjuweliere (20 Millionen) aus⸗
gestellt sein.
London. Lammot du Pont, Chef der
zroßen amerikanischen Atlaspulver- und Nitroglycerin⸗
Fabrik in Thompsons Point, New⸗Jersey, ist durch
ine Explosion in genannter Fabrik getödtet worden.
Der Verstorbene hinterläßt ein Vermögen von etwa
50,000,000 M. Der Dahingeschiedene war der
Held einer merkwürdigen Episode des Krimkrieges.
Während des Krimkrieges mangelte es nämlich der
russischen Regierung an Pulver und sie heauftragte
hderen du Pont, der damals ein ganz junger Mann
war, auf Gefahr seiner Gesellschaft eine Ladung
Schießbedarf in Sebastopol abzuliefern. Das
Anternehmen war ebenso verwegen, wie augenscheinlich
joffnungslos; aber du Pont ließ sich nicht ab—
chrecken. Er entschlüpfte den englischen Fregatten,
veliche die Einfahrt in Chesapeake-Bai bewachten
und langte glücklich im Schwarzen Meere an, wo
wiederum Alles verloren schien. Er wurde von
einem britischen Kriegsschiffe angerufen; aber der
unge Schleichhändler war entschlossen, zu sinken
oder zu siegen, und er brachte sein Schiff bis zur
Finfahrt in den Hafen von Sebastopol. Zwei
Breitseiten aus dem britischen Kriegsschiffe bestrichen
die Verdecke des Schiffes und durchbohrten den
Rumpf desselben, aber du Pont setzte seine Fahr
ort und erreichte glücklich die russischen Linien.
Für die Landung zahlte die Regierung nicht weniger
als 12,000,000 Mw..
FEGEynchjustiz.) Auf der Wettrennbahn in
Salisbury wurde am Freitag ein Taschendieb in
—X
goldene Uhr aus der Tasche zog. Die Volksmenge
dackte den Langfinger, schleppte ihn nach einem
nahegelegenenen Teiche und warf ihn ins Wasser.
Der Mann konnte schwimmen und gewann das
Ufer; allein alsbald wurde die Prozedur wiederholt
und er war dem Ertrinken nahe, als die Polizei
endlich erschien und dem lynchlustigen Publikum sein
Dpfer, das eben wieder in's Wasser geworfen
werden sollte, entriß.
F Petersburg, 26. Mai. In der Nacht
dom 24. auf den 25. Mai um l Uhr enigleiste
»er Moskauer Expreßzug in der Nähe der Station
Bologoe; die Lokomotive, der Bagagewagen und
drei Passagierwagen zweiter Klasse sind vom Damme
Jerabgestürzt. Der Direttor einer Moskauer Fabrik,
Namens Dutel, ist todt, ein Herr und eine Dame
schwer verwundet; vom Zugpersonal sind 5 verletzt.
F (Erdbeben.) Aus Konstantinopel wird
der „Daily News“ gemeldet, daß das Ufer des
Marmara-Meeres während der letzten 14 Tage von
häufigen Erdbeben heimgesucht war. Am Montag
rrat ein heftiger Erdstoß ein, der in den Dörfern
auf der Halbinsel von Cyzicus großen Schaden
mrichtete. Viele Häuser wurden gänzlich zerstört
und etwa 20 Menschen verloren das Leben.
F In dem weltberüchtigten, an der Riviera
zelegenen Spielbade Monte Carlo grassiren
nicht die Pocken, aber die Selbstmorde. Ein Witz⸗
dold hat nun folgenden Vorschlag gemacht: „Um
einem tiefgefühlten Bedürfnisse abzuhelfen, wird in
der nächsten Saison ein großartiges „Hotel des
Zuicides- eröffnet. Zimmer ohme Klingeln. Re—⸗
»olver auf jdem Nachttisch. Ausgesuchte Giftkarte.
Die gebräuchlichsten Gifte stets frisch vom Faß.
Un schönen Tagen Selbstmord im Garten. Leichen⸗
wagen im Hotel. Bei Familienrevolbern zu sechs
Personen Preisermäßigung. Vorausbezahlung er—⸗
forderlich. Menu am Eröffnungstage: Schierling⸗
uppe, Cyaukalischnitze! mit Besladonnenkompot,
Punsch gtacé à la Arsenik, Strychninpudding.
—„cheidewasser siets in Eiskübeln. Fingerhut (für
Damen). Schwefelhölzer à Diskrtetion.
F (GButterfälschung und Kunstbutter
n Newyork.) Von dem mit der Untersuchung
des Vertaufs verfässchter Nahrungsmittel hetrauten
Comué des Newyorker Staats-Senats wurden in
»er Stadt Newyork mehrere Zeugen vernommen.
Dder Chem ker Dr. Martin gab an, er habe Butter⸗
proben aus einer Milchwirthschaft in Orang County
malysirt und gefunden, daß dieselben aus 75 pCt.
Schmalz und 25 pCt. Butter bestanden. Dr.
Edward G. Love hatte dreißig Butterproben, welche
bei verschiedenen Nwyorker und Bropklyner Butter⸗
händleen gekauft worden waren, einer chemischen
Analyse unterworfen, weiche ergab, daß nur zehn
der Proben wirktiche Butter, die übrigen dagegen
künstiiche Vutter waren. In den wenigen der
letzteren war eine Spur von Butter vorhanden und
die meisten bestanden aus Fetten der verschiedensten
Urt. Das gewöhntich gebrauchte Fett war Talg,
Schmalz und ausgelassenes Rinderfett. In keinem
Falle enthielt die Mischung 10 pCt Butterfett.
Zeuge erklärte, er ziehe das „Oleomargarin“ der
Butter schlechter Qualität vor.
F (Ueber die Verbrecher-Anwälte in
Tincinnati.) Wie diese es trieben, darüder
erfolgen noch immer Enthüllungen. Nach einem
der blödsinnigen Gerichtshiäuche war in einem
Mordprozesse Jeder, weicher die Aussagen in der
Toroners Untersuchung gelesen hatte, unfähig, als
Heschworener zu dienen. Um nun einen Vorwand
‚u haben, Jeden, der ihnen nicht beyagte, auszu⸗
chlieken, pflegten die Verbrecher⸗ Anwälte die Be—⸗
iichte über die Coroners Untersuchungen drucken zu
assen und sandten sie daun Jedem, der als Ge⸗
chworener vorgeladen wurde, zul Natürlich blicktten
'ast Alle hinein. Auf diese Weise erhielten die
Anwälte einen Vorwand, so viele Geschworene
urückzuweisen, als sie nur wünschten. Im Berner⸗
Falle, der den mittelbaren Anlaß zu den Unruhen
zab, mußten erst 1200 Vorladungen ausgestellt
werden, ehe die 12 Geschworenen zusammen kamen.
Berurtheilungen waren durch diesen Kniff fast un⸗
nöglich geworden.