Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
Der St. Ingberter Anzeiger“ erscheint woöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal woͤchentlich mit Unterhaltungs
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Montag, 21. Januar 1884. 19. Jahrg.
Politische Uebersicht.
Deuisches Neich.
München, 17. Januar. Bezüglich des An⸗
irages von Walter, Aufhebung des Notariats be—⸗
tressend, welcher bei Berathung des Justizetats vor
das Plenum kommt, wird mitgetheilt, daß auf der
linken Seite des Hauses eine fast durchgängige
Ablehnung des Antrages zu erwarten ist. Die
Fraction der Liberalen wird sich zwar ernstlich mit
dieser Frage beschäfltigen, aber nach den Aeußer—
ungen unter denselben und der vorwiegenden Gegen⸗
trömung läßt sich auf eine vollständige Ablehnung
von dieser Seite schließen.
München, 19. Januar. Bei Berathung des
Justizetats beantragte Abgeordneter Haus, die
Landgerichtsräthe und Oberamitsrichter den Bezirks⸗
amtmännern im Gehalt gleichzustellen. Der Finanz⸗
minister findet die Aufbesserung einzelner Kategorien
unberechtigt wegen der anderen und empfiehlt die
Regierungsvorlage über eine allgemeine Aufbesserung.
Der Antrag Haus wird bei namentlicher Abstim⸗
mung mit 112 gegen 22 Stimmen abgelehnt.
Berlin, 20. Jannar. Die Nordd. Allgem.
Ztg. constatirt, daß Castelar's Angriffe auf die
Person des deutschen Kaisers in der europäischen
Presse mit Entrüstung zurückgewiesen wurden, mit
Ausnahme der französischen Presse; daß diese sich
auf die Seite Castelar's stelle, nehme nicht Wunder,
zumal Castelar bestrebt sei, die Segnungen der
jranzösischen Republik möglichst auf Spanicn zu
bertragen. Castelar's republikanisch⸗ französische
Sympathien erklärten andererseits genügend seine
Feindseligkeit gegen Deutschland, welches der spani⸗
schen Monarchie stets freundlich gewesen und unter
den Großmächten eine der ersten sich bereit erklärte
Alfons als König von Spanien anzuerkennen.
Fine solche Bethätigung der Sympathie für das
spanische Königshaus könne der Expräsident der
spanischen Republik den Deuischen nicht vergeben.
Ob die Zukunft des spanischen Volkes dadurch ge⸗
schaädigt werde, wenn das Land neuerdings der
Spielball ehrgeiziger Republikaner und monacchischer
Pratendenten werde, das sei Castellar von geringem
Interesse im Vergleich zu der rein persönlichen Frage,
vb Castellar nicht etwa in den trüben Wassern der
Republik wieder eine hervorragende Stelle für sich
selbst fischen könnte.
Ausland.
Paris, 19. Januar. Im Senat kritisirte
Buffet die finanziellen Maßnahmen der Regierung
und betrachtet die Behaupiung, daß das Butget
mm Gleichgewicht stehe, als eine Beleidigung des
jesunden Menschenverstandes; die Situmion sei
teine verzweifelle, aber eine schwierige und gefahr⸗
volle. Der Finanzminister wies die Angriffe Budet's
zurück und rechtfertigte das Anwachsen der Ausgaben,
tlannte aber ais unerläßlich an, die Ausgaben hin⸗
sort einzuschränken. Fortfetzung der Berathung
Montaq.
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Lokale und pfaälzische Nachrichten.
kBlieskastel, 19. Januar. Heute Nacht
im 12 Uhr wurden wir durch Feuerläem aus dem
Schlofe gewedt. Es brannte in einem Andbau—
um Körner'schen Hause gehörig. Die Löschmann—
haft war gleich zur Stelle und verhinete darum
ne größere Ausbreitung des verheerenden Elementes
der Schaden ist nicht bedeutend
— Für die projektirte pfälzische Arbeiter—⸗
Colonie empfiehlt die „Pf. Z.“ als ein passendes
Anwesen den Eichelscheiderhof bei Waldmohr. Die
umfangreichen Gebäulichkeiten daselbst stehen auch
nach Errichtung des Kreisfohlenhofes größtentheils
leer und könnten mit verhältnißmäßig geringen
Kosten zu Wohnungen für die Colonisten hergerichtet
werden. Die Strittwiesen, die aus den Landraths⸗
derhandlungen der letzten Jahre bekannt sind. und
iber die man hin und her berathen hat von Jahr
zu Jahr, ob man sie aufforsten oder als Wiesen
zelafsen und verbessern soll, böten für die erste
Zeit gewiß ein Arbeitsfeld, wie man es für eine
Arbeitercolonie nur wünschen mag. Die vielen und
großen Flächen, die als Wiesen jährlich verpachtet
werden, aber diesen Namen längst nicht mehr ver—⸗
dienen, und darum von den Pächtern um geringen
Preis vielfach nur darum deshalb verpachtet werden, weil
die jährliche Ernte, wenn auch meist zum Futter zu
chlecht, doch als Streuwerk verwendet werden kann,
könnten durch eine rationelle Bewirthschaftung mit
dülfe der Colonisten aus sauerem Gebrüch in grüne
Matten umgewandelt werden, die in 6 Jahren mehr
als sechs mal so viel werth wären, als heute. Ist
einmal ein Anfang gemacht und geht die Sach
nach Wunsch, so könnte das jetzt verpachtete große
Hofgut, das gegenwärtig nur 1000 Mt. jährlich
einträgt und allein etwa 90 Morgen noch sehr ver⸗
besserungsbedürftige Wiesen umfaßt, abgesehen von
den anderen Ländereien, für die Ardbeitercolonie
auf Jahrzehnte hinaus ein sehr lohnendes Arbeits⸗
feld bieten.
Vermiĩchtes.
F Frankfuri, 17. Januar. Eskortirt von
den Schutzleuten traf der muthmaßliche Dynamit⸗
attentäter Schriftsetzer Rahlsdorf (oder Reinsdorf)
aus Leipzig gestern Abend hier ein und wurde in
der Konstabler Wache untergebracht. Derselbe iimu⸗
lirte anfangs Irrsinn.
FKöln, 18. Januar. Kaum haben sich die
Bemüther etwas beruhigt, weil es gelungen ist,
den Mörder des Uhrmachers Stockhaufen dingfest
zu machen, da dringt schon wieder die Kunde von
einem neuen vierfachen Morde zu uns, wel—
cher bei dem eine Meile von hier entfernten Op⸗
laden begangen wurde, und dessen Eirzelheiten
alle Gemüther mit Entsetzen erfüllen müssen. Ein
sonst fleißiger Arbeiter Namens Fuchs war durch
die schlechten Zeitverhältnisse, eine Anzahl Kinder
sowie auch durch seine als wenig häuslich geschilderte
Frau derart zurückgekommen, daß er in dem steten
sampf mit Schulden und Sorgen geradezu
»erwilderte und dem Gerede der Leute nich
anders den Mund glaubte stopfen zu können, als
dadurch, daß er jene grauenhafte That beging, welcht
drei harmlosen Leuten das Leben kostele. Die Art
und Weise, wie das Scheusal seine mörderische That
an drei unglücklichen Opfern ausführte, spottet jeder
Beschreibung.
fF Ein ehrlicher Schwindler.) Ein
dausirer „in Regenschirmen“, welcher vorzugs⸗
veise die Provinz Pommern unsicher macht, bietet
ꝛinem dortigen jovialen Gutsbesitzer ein Exemplar
seines Waarenbestandes zu einer Mark fünfzig
Pfennigen: „echter feinster Alpakka — zwölftheilig
— billig, dauerhaft und elegant —“ zum Kauf
an. Der Gutsbesitzer besieht das Regendach mit
drüfenden Blicken, schüttelt bedenklich den Kopf
kauft aber schließlich das Ding als Kuriositätf
Nachdem er seine anderthalb Mark entrichtet, klopft
er dem Händler lachend auf die Schulter und sagt:
„Nanu segg' mal, min Jong, aberst upprichtig:
wie lang' meenst du nu wohl, dat dit Ding da in
Wahrheit hollen wird?!“ Ernsthaft richlet der
Hausirer seinen Blick zu dem klaren Sonnenhimmel
empor und erwidert dann treuherzig: „Wenn wir
so'n Wetter behalten, Herr Baron, garantire ich
für den Schirm mindestens auf 'n Wochener sechse
bis achte!
F Ermittelung der Lotterie⸗Spieler.
Die Preußische General⸗Lotterie-Direktion hat an
die Untereinnehmer, welche namentlich in kleineren
Städten und auf dem Lande eher einen Einblick
in die Verhältnisse ihrer Spieler haben, eine Verfüg—
ung ergehen lassen. Diese Erhebung wird wohl
die völlige Aufhebung der Lotterien vorbereiten, da
nach den jüngsten Verhandlungen des Preußischen
Abgeordnetenhauses alle Parteien darin einverstanden
zu sein scheinen, daß der Deutsche Reichstag die
Aufhebung der Lotterien im ganzen Deutschen Reiche
beschließen sollte.
F Wien. Während Karl Schenk und Schlossa⸗
rek bereits geftanden haben, leugnet Hugo Schenk
jeden thätigen Antheil an den Mordthaten und
schiebt alle Schuld auf den Genannten. — Der
Photograph Hölbling, welcher auch mit der Auf⸗
nahme der Verbrecher im Polizei⸗Gefangenenhause
betraut ist, hat gestern Hugo Schenk in fünf Stel—
lungen porträtiert. Es ist unglaublich, mit welcher
Frivolität der Mörder sich dabei benahm. Er lachte
und scherzte in einem fort, sagte, er wolle sich keinen
Vertheidiger nehmen, denn der Galgen sei ihm
ohnedies gewiß, doch solle man ihm lieber eine
Prämie geben, da er die Welt von so vielen alten
Jungfern befreit habe; er habe noch vier in petto
gehabt, die demnächst darangekommen wären; hätte
die Polizei ihn nicht jetzt erwischt, so wäre es ihr
später sehr schwer geworden, denn in acht Tagen
hätte er wieder von Wien fort wollen, in Ange⸗
egenheit seines „Geschäfts“. Er bat, man solle
jein Porträt dem Er-Vizekönig von Egypten senden
als das Bildnis eines Mannes, der einen Harem
bon abgelagerter Ware zu säubern verstehe. Als
derr Hoölbling ihn vor der Aufnahme ersuchte, eine
etwas heitere Miene zu machen, sagte er, wenn er
nicht immer ein vergnügtes Gesicht mache, so seien
jene Herren — dabei wies er auf die Sicherheits
männer — daran schuld. Er fuhr dann fort zu
scherzen, als wäre er in einem Salon. Seine
Manieren sind ganz elegant und degagiert, und
sein Gesicht ist durchaus unverfänglich.
f Pest, 19. Januar. Der Gerichtshof ver⸗
urtheilte Spanka, Pilely, Berecz, die Mörder Maj⸗
lath's, zum Tode durch den Sirang.
F In Paris verstarb am Hungertod ein alter
Bettler, Namens Moreau, in dessen Nachlaß fich
in einem Strumpf unter dem Bett versteckt 20,800
Francs in lauter blanken Goldstücken vorfanden.
Der Geizhals, welcher wenige Tage vor seinem
Tode dem gewohnten Bettel nicht mehr nachgehen
konnte, hatte, wie es scheint, vorgezogen, lieber
Hungers zu sterben, als seinen verstectten Schatz zu
ieinem eigenen Unterhalte zu gebrauchen.
F Rom, 19. Januar. Der Generalabt Ce⸗
sare des Benediktinerklosters auf dem Monte
Vergine ist in der letzten Nacht in seiner Woh⸗
nung ermordet und seine Wohnung ausgeraubt
vorden. Zwei Bediente des Abtes wurden ver⸗
zaftet.