Full text: St. Ingberter Anzeiger

x»ͤt. Fugberter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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M 148. 
die Stellung des Nationallibera⸗ 
ismus zur Sozialdemokratie. 
»f. L.O. Das Hauptthema der befreundeten wie 
a gegnerischen Blätter bildet seit letzten Sonntag 
e Alzeyer Candidatenrede des Herrn v. Schauß. 
ss einen wesentlichen Punkt der Trennung von 
in Ansichten seines Widerparts Hrn. Dr. Bam⸗ 
erger bezeichnete Redner u. A. auch seine Stellung 
m Sozialistengesetz. „Ich kann Ihnen 
igen“, lauten seine eigenen Worte, „daß ich da— 
aals, als ich im deutschen Reichstag Mitglied der 
ommission für das Sozialistengesetz war — ich 
ar auch Mitglied der zweiten — es mir sehr 
hwer fiel, diese Maßregel zu ergreifen, aber der 
erlauf der Dinge hat denn doch gezeigt, daß die 
daßregel nicht so ganz thöricht war. Sehen Sie 
mbischen hinüber nach dem Niederwald, wie nahe 
ar es daran, daß dieses Denkmal deutscher Größe 
xttört war; sehen Sie hin nach Wien und ver— 
igen Sie den Prozeß Kammerer und Stellmacher. 
zie werden wenigstens in letzterem Falle zugeben: 
w Ausweisungsgesetz hat seinen Dienst gethan, 
„ wir deutsche Brüder, wie Kammerer und Stell⸗ 
zacher nicht im deutschen Vaterland haben. Wir 
olen uns schützen mit Maß. Es ist richtig, daß 
me Idee nicht mit Zwangsmitteln beseitigt werden 
unn, aber Thatsache ist, unbestreitbare Thatsache, 
ih das Ausheben eines Nestes, das Wegnehmen 
mes Führers lokal diese Bewegung hat vorläufig 
exschwinden lassen.“ Das ist aber nicht nur die 
lnsicht des Reichstagskandidaten von Alzey-Bingen; 
us ist auch konform dem Heidelberger Programm, 
ie feste Ueberzeugung der ganzen nationalliberalen 
zartei. Mögen die Fortschritiler deshalb immer— 
in den Sozialdemokraten die Wege bereiten und 
ie Handlanger machen; diesen Ruhm lassen wir 
nen gern. Sie sind eben Theoretiker und sehen 
ir lauter Bäumen den Wald nicht; das wäre 
uhrlich eine unvernünftige Freiheit, wollten wir 
en Sozialdemokraten den nöthigen Spielraum ge— 
nühren, ihre Ideen rascher auszubreiten und die 
ꝛdolution ungestörter vorzubereiten. Auch der 
nwand, das Gesetz habe die Macht der Sozial— 
mokratie nicht gebrochen, laßt uns kalt. Daß die 
czialdemokratie nicht zurückgegangen ist, ist klar; 
rekrutirt sich allmälig aus sich selbst, denn die 
anwachsenden Söhne don Sozialdemokraten wer—⸗ 
natürlich auch solche. Aber das Sozialisten⸗ 
ech ist ein Hemmschuh und ohne dasselbe wäre, 
aun die Sozialdemokraten so fortgeredet und ge— 
rieben hätten wie 1878, die Revolution schon 
zebrochen. Die Herren behaupten zwar, die 
erungen sehen nichts lieber, als wenn sie los⸗ 
lügen, damit sie mit Gewait vorgehen können. 
enn das der Fall wäre, hätte sie es noch ein 
ur dahre ohne Sozialistengesetz gehen lassen kön— 
; die Sozialdemokraten hätien dann die Ge— 
üther bis zu einem solchen Grade erhitzt, daß es 
sn losgegangen und die Gelegenheit zum Ein— 
riten gekommen wäre. 
Dit vielem größerem Rechte behaupten wir: 
bialdemokratischen Führer wollen die Revolution. 
brauchen die Unzufriedenheit der Abeiter, darum 
n sie Alles zurück, was die Reichsregierung zu 
Vesten thun will. Es ist von vornherein 
und muß vonherein zurückgewiesen werden, 
bon der Regierung kommt. Zum Glücke 
id aber der leitende Staatsmann nicht irre 
en und bringt die Vorlage immer von Neuem! 
er geht von der ganz richtigen Anschauung 
in 
Samstag, 2. August 1884. 
19. Jahrg. 
ius, daß die berechtigten Forderungen der Arbeiter 
»xfüllt werden müssen! Diese aber bekommen es 
nicht besser, wenn man die Regierungsform ändert 
ind aus der Monarchie eine Republik macht. Die 
Franzosen haben eine solche und die Arbeiter haben 
ieselbe Klagen. Der Kernpunkt der Frage ist die 
insichere Stellung der Arbeiter. Diese so viel als 
nöglich zu sichern, das ist die Hauptaufgabe der 
hegenwart. Ueber das Wie? läßt sich im Einzelnen 
eden, aber daß dies der Weg ist und die Richtung, 
n welcher die soziale Frage gelöst werden muß, 
»as ist über allen Zweifel erhaben. In dieser 
stichtung die Reichsregierung zu unterftützen, halten 
vir für eine unabweisliche Pflicht; wer das nicht 
hut, arbeitet einfach der Revolution in die Hände, 
nag er sich nun zu einer Partei bekennen, zu wel⸗ 
hder er will. — Uebrigens müssen wir statt „soziale 
Frage“ — soziale Fragen sagen und dieselben eine 
im die andere zur Lösung bringen. Das geht nicht 
on heute auf morgen und auch nicht in Einer 
seichstagssession. Das erfordert eine lange Reihe 
on Jahren. Der Staat hat die ganz unabweisliche 
zflicht hier helfend einzutreten und die Schwachen 
n Kampfe ums Dasein zu unterstützen. Die sozial— 
emokratischen Führer hätten nimmermehr den Ein⸗ 
luß erlangt, den sie besitzen, wenn sie sich nicht 
tets als die alleinigen Freunde der Arbeiter geberdet 
ätten. Es gilt, darum den Arbeitern zu zeigen, 
aß auch die Liberalen ein Verständniß für ihre 
erechtigten Forderungen haben und den Willen, 
hren Beschwerden abzuhelfen. Zum Glück bricht 
ich diese Ansicht in immer weiteren Kreisen Bahn. 
Bir sagen: Zum Glück! Denn nur dadurch ist es 
nöglich die Arbeiter aus dem sozialdemokratischen 
zann zu befreien, daß wir ihnen etwas Handgreif⸗ 
ches bieten. Sie werden ja schließlich doch auch 
» vernünftig sein, einzusehen, daß ihre sozialdemo— 
ratischen Führer ihnen bis jetzt wohl goldene Berge 
rersprochen haben, aber das Versprochene unmöglich 
rfüllen können, weil es eben nicht ausführbar ist. 
das gelobte Land der Sozialdemokratie liegt eben 
rnirgends anders als in der Phäntasie. 
klärung abgegeben, daß das Zenirum und die kon⸗ 
ervative Partei in seinen Augen die einzigen Rich—⸗ 
ungen seien, für welche man einzutreten habe, 
venn man das Interesse des Handwerks wahr⸗ 
iehmen wolle. Eine Resolution des allgemeinen 
eutschen Handwerkertags begrüßt auch mit beson— 
serer Freude den Antrag Ackermann und erachtet 
ils letztes Ziel die Einführung obligatorischer In— 
rungen. Damit wäre also die zünftlerische Bewe— 
jung aufs Neue in Fluß gebracht und der Hand— 
verkerstand zugunsten des Zentrums und der Kon⸗ 
ervativen für die Wahlkampagne mobil gemacht. 
der große Theil des Gewerbestandes, welcher hier 
n seinen eigensten Interessen bedroht erscheint, 
nöge doch ja auch seinerseits nur sich rühren und 
nergisch gegen das in Frankfurt zu Wort gekom⸗ 
nene Zopfthum Front machen! Laute Proteste 
jegen den Antrag Adermann werden gewiß ihren 
zindruck in Berlin nichr verfehlen, und in zwölfter 
5tfunde kann das Votum des Bundesrathes am 
e nde dennoch ganz anders ausfallen, als es die 
Untragsteller sich träumen ließen. Sehr beherzigens⸗ 
derth ist ein dieses Thema behandelnder Brief des 
ewiß urtheilsfähigen Vorsitzenden im Berliner 
dandwerkerverein an unseren berühmten Rechts- 
ehrer Holtzendorff in München, in dem es heißt: 
„Es ist für Jemand, der wie ich die Entwicklung 
des Handwerks seit einer Reihe von Jahren genau 
nerfolgt, der durch langen, immer wiederholten 
lufenthalt in anderen Ländern die gewerblichen 
Lerhältnisse derselben zu beobachten Gelegenheit 
jatte und hat, schier unmöglich, sich in die Ge— 
anken unterrichteter und gebildeter Männer zu 
inden, welche die Bestrebungen nach Zwangsinnun— 
jen unterstützen. Und merkwürdigerweise sind es 
um Theil dieselben Leute, welche nicht müde 
verden, die gewerblichen Leistungen Deutschlands 
uinter diejenigen Englands und Frankreichs zu 
tellen, welche jetzt das deutsche Handwerk durch 
Wiedereinführung von Einrichtungen beglücken 
vollen, die in jenen Laändern längst der Vergessen- 
Jjeit anheimgefallen sind. Ich habe mich darüber 
erst neulich im Reichstage ausgesprochen, aber leider 
dergebens. Uebrigens lebe ich der Ueberzeugung, 
daß ganz ebenso wie die zünftlerischen Errungen— 
chaften des Jahres 1849 auch die gegenwärtigen 
Experimente in dieser Richtung sehr bald den that— 
räftigen und vorwärtsstrebenden Elementen im 
deutschen Handwerk die Augen darüber öffnen 
verden, daß man sich auf verkehrtem Wege befinde 
ind daß so das freie Vereinswesen im Handwerk 
neuen und frischen Impuls erhalten wird.“ 
Ausland. 
Paris, 29. Juli. Die großen Manoöver des 
6. und 17. Korps werden wahrscheinlich am 5. 
September beginnen und am 13. enden. In Agen 
verden sich die fremden Offiziere versammeln, 
velche diesen Manöpern anwohnen werden. Wie 
8 heißt, wird Deutschland durch General von Heu— 
‚uck, den hiesigen Militär-Attaché Major v. Vil⸗ 
aume und die Majors v. d. Böck und von König 
vertreten sein. Die englische Missioen wird vom 
ßeneral Buller, die österreichische vom Feldmarschall- 
Lieutenant v. Keil und die russische vom General⸗ 
Major Kuropatkin, ehemaligem Stabschef Skobe— 
ews, geführt werden. 
Die jüngst vom Pariser „Figaro“, aber wohl 
chwerlich aus loyalen Beweggründen, lancirte Em— 
fehlung der deutsch-französischen Allianz 
sat zunächst keinen anderen Erfolg aufzuweisen, als 
ine verschärfte Accenftuirmmg der chauvinistischen 
Volitische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 31. Juli. Die Nordd. Allg. Ztig. 
agt über den Verein zur Wahrung der wirthschaft⸗ 
lichen Interessen des Handels und der Gewerbe: 
Wir können nur mit Befriedigung anerkennen, wenn 
endlich von den hervorragendsten Vertretern des 
daufmannsstandes der Anfang gemacht wird, das 
odte Gebiet der Politik zu verlassen und in das 
ebendige und fruchtbare Gebiet der wirthschaftlichen 
zuteressen einzutreten. 
Berlin, 31. Juli. Der Reichsanzeiger pu— 
lizirt das Aktiengesetzund die Ernennung des Ge— 
seimen Ober-Regierungsraths von der Brücken und 
ses Professors Schwenninger zu außerordentlichen 
Mitgliedern des Reichsgesundheitsamts. 
Pf. L.C. In Frankfurt a. M. hat in der 
erflossenen Woche ein allgemeiner deutscher 
dandwerkertag stattgefunden, auf welchem im 
Unhalt an den bekannten Ackermann'schen Antrag 
rnus der letzten Reichstagssession neue Grundlagen 
ür die Operationen der Rüchschrittsparteien ge— 
chaffen wurden. Dem Verständniß für die libe— 
alen Aufgaben der Nation zeigten sich dabei die 
inwesenden Vertreter des Handwerkerstandes bedauer⸗ 
icher Weise gänzlich verschlossen. Ja, vom Zen— 
ralpyorstand murde ĩnhoaar von yornherein die Er—