Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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sJ. 
M 53. 
Sonntag, 15. März 1885. 
20 Jahrg. 
z 
Politische Uebersicht. 
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Deutsches Reich. 
München, 18. März. In der gestrigen 
Bismarck⸗Feier von Korpsstudenten u. s. w. wurde 
olgendes Telegramm an den Kanzler gesandt: 
Dem großen Kanzler des deutschen Reiches bringen 
Tausend Korpsstudenten und Korpsphilister zur 
Vorfeier seines 70. Geburtsfestes vereinigt ein be— 
jeistertes Hoch. Lange leuchte noch sein Stern dem 
ʒeutschen Vaterland. Im Namen des präsidirenden 
dotps „Frankonia“ Rudel, stud. jur.“ 
Darauf ist im Laufe des Abends folgende Ant⸗ 
vort eingetroffen: „Mit verbindlichem Dank für 
reundliche Begrüßung wünsche jedem der tausend 
dommilitonen seiner Zeit einen fröhlichen 70. Ge⸗ 
burtstag. v. Bismarck.“ 
nach entwickeln. Bei dem hier in Frage kommenden 
Anternehmen nun, ist hauptfächlich zu berücksichtigen, 
daß dasselbe seine Kundjschaft mitbringt, folglich 
ür seine Produkte vollen AÄbsatz hat, umsomehr als 
Rie Herren Schuler — Schmid nur jene feineren 
Barnnummern erzeugen, die bisher in Deutschland 
nicht angefertigt wurden, woraus mit Sicherheit 
ibzusehen ist, daß die hier zur Arbeit gelangenden 
deute dauernde Beschäftigung finden. 
Ueber die spätere Ausdehnung des Werkes läßt 
ich heute ein Urtheil nicht wohl fällen. Wenn 
nan aber von anderen Orten, wo Spinnereien 
nntstunden auf St. Ingbert rüchschließen darf, so 
ann wohl angenommen werden, daß in absehbarer 
Zeit außer der Vergrößerung der Spinnerei selbst, 
uuch Weberei und Zwirnerei eutslehen werden. 
Ddurch die Bedürfnisse neu entstehender Werke et— 
olgt sicher eine Ausdehnung der Vorhandenen und 
ine dementsprechende größere Beschäftigung und 
Nachfrage nach Arbeitskräften. Mit der Nachfrage 
vächst auch der Preis der Waare, in vorliegendem 
Falle also der Verdienst der Arbeiter. 
Vorzugsweise werden in der Spinnerei Frauen 
und Mädchen zur Beschäftigung gelangen und wird 
allerdings der Anfangslohn kein sehr großer sein, 
)a ein längeres Anlernen, besonders für die feineren 
Barne noͤthig ist und der Fabrikant in erster Zeit 
iicher ein größeres Quantum nicht gut abzusetzender 
Waare erhält. Die Fabrik kann also selbst bei 
iesen niederen Anfangslöhnen einen Vortheil nicht 
jaben und wird in Folge dessen von selbst ge⸗ 
wungen, tüchtige angelernte Kräfte zu erhalien 
und entsprechend zu bezahlen um eine Waare liefern 
zu können, deren Qualität jener des Auslandes 
entspricht. 
Gerade das Anlernen schließt die von dem 
Forrespondenten des pfälzischen Volksblattes ge⸗ 
ürchtete gegenseitige Concurrenz decr vielen hundert 
Jungfrauen von St. Ingbert aus und wird sich 
ein Arbeitslohn von selbsi entwickeln, welcher der 
nöthigen größeren Fertigkeit der Arbeiterinnen 
entspricht. 
Die weitere Befürchtung, daß durch Beschäftig⸗ 
ung von Frauen und Madchen der Lohn der männñ⸗ 
lichen Arbeiter, ja sogar die Summe der von einer 
Familie verdienten Löhne, kleiner sein soll, als jener, 
den der Mann bisher für sich allein bezog, ist, ge⸗ 
inde ausgedrückt, unverständlich, da es keinem 
Arbeitgeber einfallen kann, die Lohnhöhe seiner 
deute je nach der Beschäftigung ihrer Familienan⸗ 
jehörigen zu normiren, weil sich eben die Höhe des 
dohnsatzes nur nach der Nachfrage nach Arbeit 
cichtet und von sonst überhaupt KHichts abhängig 
st. Als Beweis gegen vorstehende Befürchtung 
ann angeführt werden, daß Fabriken in Pirmasens. 
ebenso in Forbach ꝛc. Familien beschäftigen, welche 
ein monatliches Cinkommen von weit über 300 
Mark beziehen. 
Bezüglich der Arbeitszeit in der geplanten Fabrik 
hat Herr Schuler mit Bestimmtheit versichert, daß 
Nachtarbeit nicht stattfünde, schon aus Rücksicht auf 
die Schwierigkeit, welche die Herstellung der feinen 
Barnnummer mit sich bringe, und wird daher die 
Befürchtung, daß durch die Nachtarbeit die Moral 
zeschädigt werde — wenn dies überhaupt der Fall 
— vorweg hinfällig. Aber auch wenn die Nacht⸗ 
arbeit stattfande, wird das Standesregister später 
ꝛein Sinken der Moral nicht nachweisen, wenn man 
don anderen Orten wo Frauenarbeit stattfindet auf 
S„t. Ingbert Rückschlüsse machen darf. 
In sänitärer Beziehung wird die Spinnerei 
auf unsere weiblichen Arbeiier nicht ohne günstigen 
Finfluß bleiben, da die darin beschäftigten Leute 
in gut ventilirten Räumen Aufenthalt finden, der 
jedenfalls der Gesundheit derselben zuträglicher sein 
wird, als jener in den engen Wohnungen. Außer⸗ 
dem werden diese Mädchen an Ordnung und Ar—⸗ 
heitsamkeit gewöhnt, tauglicher in ihren späteren 
Beruf als Hausfrau eintreten. 
Die von dem Gemeinderathe genehmigte Maxi⸗ 
nalsumme zum Ankauf von Ländereien beträgt nicht 
wie der Artikel sagt, 15 bis 20,000 Mark, sondern 
nach Aussage des Herrn Bürgermeisters Mi. 12,000 
und hat somit der Correspondent aus falscher Quell⸗ 
neschöpft. 
Auch wir wünschen mit ihm, daß es der Stadt⸗ 
derwaltung möglich würde, größere Unternehmungen 
für Beschäftigung männlicher Arbeiter hierherzu⸗ 
bringen, aber ohne dabei die jetzt günstige Ge⸗ 
legenheit für Frauenarbeit außer Acht zu lassen. 
Was nun die in den drei letzten Jahren hier 
entstandenen kleineren Fabriken betrifft, ist es selbst⸗ 
zerständlich, daß dieselben nicht in der Lage waren 
»en Wohlstand dvon St. Ingbert zu heben und 
öonnen dies auch größere, hinzukommenden Werke 
merklich so lange nicht, bis hinteichende Beschäftig⸗ 
ung für Alle gefunden. 
Es muß deshalb Jeder, auch der kleinste Unter⸗ 
iehmer, der Arbeit bietet, mit Freuden begrüßt 
verden, damit wir endlich dahin kommen, Al⸗ zu 
peschäftigen. Erst dann, wenn ziemlich Alle Arbeit 
jefunden, wird der Lohn der Arbeit steigen, dann 
erst der Wohlstand anfangen sich merklich zu heben 
und wir werden schließlich dort angelangt sein, wo 
jetzt jeder ehrlich und aufrichtig Denkende hinstrebt, 
nämlich: 
Verkehr und Umschlag durch die Industrie 
zu schaffen, da der Äckerbau dies hier nicht 
vermag. 
Wir geben uns der Hoffnung hin, daß die Unter⸗ 
handlungen mit der Firma Schu ler⸗2Schmid 
zu einem günstigen Abschluß führen werden und 
daß alle, denen das Wohl St. Ingberts und dessen 
Arbeiterbevölkerung am Herzen liegt, dazu beitragen, 
die vorhandenen Schwierigkeiten zu beseitigen um 
as Unternehmen St. Ingbert zu sichern. 
— Zweibrücken, 12. März. In den 
Schwurgerichts · Sitzungen des 1. Quartals 1888 
ommen folgende Fälle zur Verhandlung: 1) 
AUm 16. März, Vormittags 8 Uhr? Peter Dick, 
24 Jahre alt, Steinabrichter von Föckelberg, wegen 
Münzverbrechen. 2) Am' 16. März, Nachmittags 
3 Uhr: Ludwig Cornicius, 19 Jahre alt, Kellner 
bon Speyer, wegen Brandstiftung. 8) Am 17. 
März, Vormittags 8 Uhr: Ludwig Werling J., 
59 Jahre alt, Ackerer aus Hatzenbühl, wegen 
Todtschlagss. 4) Am 18. Maärz, Vormittags 8 
Uhr: Michael Bläite, 23 Jahre alt, Ackerer von 
Rödersheim, wegen Nothzuchtsversuchs. 5) Am 
19. Marz, Vormittags 8 ühr: 1) Gustav Wolf, 
13 Jahre alt, Tapezier; 2) Salomea Sicius, 39 
Jahre alt, Ehefrau von Gust. Wolf, beide in Kai— 
erslautern, wegen betrügerischen Bankerults. 
—. Die Bismarckspende im ganzen Kanton 
Frankenthal mit Ausnahme der Gemeinde 
dambsheim hat 1367 Mtk. 62 Pf. ergeben, da⸗ 
cunter 992 Mk. 10 Pf. aus der Stadt Frankenthal. 
—7 Speyer, 12. März. Der Siadtrath hat 
das Projelt, einen Saalbau oberhalb der Frucht⸗ 
jalle zu errichten, mit allen gegen drei Suͤmmen 
jenehmigt. — Die Sammlung für die Bismatd. 
Auslaud. 
Paris, 18. Maärz. In den hiesigen diplo— 
natischen Kreisen wird, authentischen Informationen 
aus London und Petersburg zufolge, an der Ueber⸗ 
zeugung festgehalten, daß der russisch-englische Con⸗ 
ltt eine friedliche Löosung finden wird. Bei dem 
gestrigen diplomatischen Empfange im Auswärtigen 
Amte hat Ferry mehreren Botschaftern bezügliche 
sehr beruhigend lautende Depeschen des franzoͤsischen 
botschafters in Petersburg mitgetheilt. 
London, 12. März. Die Börse war gestern 
und heute panikartig bewegt. Es herrscht absolute 
heschäftsflaue, weil man annimmt, daß England, 
venn der Krieg mit Rußland einmal erklärt würde, 
enschlossen sei, denselben nicht in Afghanistan zu 
olalisiren, sondern die Flotte nach Kronstadt sen⸗ 
den, bezw. mit dem Sultan einen Vertrag wegen 
des Schwarzen Meeres abschließen würde. 
kokale und pfalzische Nachrichten. 
P, St. Ingbert, 15. Marz. Im pfälzischen 
bollsblatte Ne. 84 vom 6. März erschien ein Ar⸗ 
iilel aus hiesiger Stadt über die bon einer schweizer 
deselschafi am hiesigen Orle zu errichtenden Spinnerei, 
yer den Zweck haben soll, dem Unternehmen ent⸗ 
egen zu arbeiten, weichem von fast sämmtlichen 
siesigen Einwohnern das größte Interesse entgegen 
Jebracht wird. 
Thatsächlich fehlt es, wie der Artikel zugibt, 
einem Theil der arbeitenden Bevölkerung St. Ing⸗ 
derts an lohnendem Verdienst und hat unser Stadt⸗ 
ath in richuiger Würdigung dieser Verhältnisse, die 
ich bietende Gelegenheit ergriffen, der gedachten 
Spinnerei den Bauplatz unentgeldlich zur Verfügung 
u stelen, damit das detreffende Etablissement Si. 
dagbert gesichert und dadurch wenigstens einem 
deiteren Theii der Bevölkerung neuer Verdienst zu⸗ 
eführt werbe. Die Herren Schuler — Schmid 
ben dem Stadtrath gegenüber die bestimmte Er⸗ 
lrung abgegeben, sogleich die Einrichtung für 
D. Ood Spindeln zu treffen und somit Veschäftig- 
ng für circa 70 Arbeiler dorerst zu schaffen. So— 
iald aber die Montage der ersten 5000 Spindeln 
ndet ist, beginm der Vetrieb derselben mit circa 
Mbis 35 Arbeiter, wahrend die Montage der 
brigen 5000 Spindeln ununterbrochen fortgesetzi 
nd die zuerst angegebene Zahl von 70 zu Thätig⸗ 
leit gelangt. 
IEs ist selbstperständlich auch einer Spinnerei 
wdensowenig wie jedem anderen industriellen Unter- 
whmen, möguch sofort mit hunderten von Arbeitern 
au beginnen“ und muß sich dieselbe erst nach und