Full text: St. Ingberter Anzeiger

ʒt. Iugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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Volitische Uebersicht. 
*»In Berlin sieht man einemhohen 
sürstlich ein Besuche entgegen. König Leo—⸗ 
‚olb U. von Belgien wird anläßlich seiner 
hrollamirung als Souverain des Kongo— Staates 
in Donnerstag, den 21. Mai, in Berlin eintreffen, 
zaselbst auch am 22. verbleiben und sich am folgen⸗ 
)en Tage nach Potsdam begeben, von wo aus der 
velgische Herrscher direkt nach Brüssel zurückreist. 
derselbe wünscht, Kaiser Wilhelm und dessen ersten 
kathgeber persönlich seinen Dank für die Forderung 
ibzusatten, welche den Interessen des Kongostaates 
zurch die Berliner Konferenz zu Theil geworden ist. 
zoͤnig Leopold, welcher Chef des vierzehnten pceuß⸗ 
chen Dragoner ⸗Regimentes ist, hat Berlin seit ge⸗ 
naumer Zeit nicht mehr gesehen. 
*Die momentane Stockung, welche 
n den Ausgleichsverhandlungen 
wischen England und Rußland wegen der 
deuregulirung der afghanischen Grenze eingetreten 
i, laßt pessimistische Gemüther schon wieder an der 
rhaltung des Weltfriedens zweifeln. Indessen kann 
iicht bezweifelt werden, daß diese Verhandlungen 
hließlich doch noch zu einem befriedigenden Resultate 
uühren werden, zumal da die von Gladstone inspi 
titten ,Daily News? in einer ihrer jüngsten Num⸗ 
mern schreiben, daß die vorhandenen Differenzen sich 
sur auf Punkte von untergeordneter Bedeutung be⸗ 
oͤgen. Der Inhalt des zwischen London und Pe⸗ 
ersburg gepflogenen diplomatischen Schriftenwechsels 
wegen ber afghanischen Frage erscheint jetzt bedeu⸗ 
ungslos, da ja inzwischen die friedlichere Wendung 
eingetreten ist. Dem „Standard“ zufolge beziehen 
ich die Schwierigkeiten bei ven Verhandlungen über 
ie afghanische Grenze auf den Besitßz Zulficars. 
der Emir Abdur Rhaman verlangt, Zulficar solle 
uu Afghanisten gehören, während die militairischen 
lutoritäten Rußlands das Verbleiben dieser Position 
xi Rußland wünschen. Es verlautet ferner, Ruß⸗ 
land beanstande die Anwesenheit englischer Offiziere 
in Herat, verlunge dagegen die Zulassung russischer 
yolitischer Agenten in Kabul, der politischen Haupt⸗ 
adt Afghanistans. Diese Forderungen Rußlands 
ind allerdings ziemlich weitgehender Natur; Zul⸗ 
car beherrscht einen der von Westen nach Herat 
führenden Paͤsse und es ist daher begreiflich, daß 
ͤngland diese Position nur ungern in den Handen 
dn Russen sehen würde. Auch das weitere Ver⸗ 
angen Rußlands, daß die englischen Offiziere aus 
Hetat entfernt und russische Ägenten in offizieller 
Aigenschaft in Kabul zugelassen werden sollen, wird 
in London gerade nicht mit besonderem Vergnügen 
aufgenommen werden. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 19. Mai. Fürst Bismard ist 
ute Mittag nach Schönhausen abgereift. — 
beneralfeldmarschal Graf Moltke hat auf seiner 
Iudreise don Jiolien fur kinige Zeu in Biasewitz 
i Dresden bei seinem Neffen, dem Major v. 
—A genommen. Man kann den be⸗ 
üͤhmten Feldherrn täglich an den Ufern des Elb 
romes entlang nach dem benachbarten Tolkewitz 
—XC sehen. — Der „Germania“ wird aus 
X gemeldet, daß alle polnischen Kandidaten für den 
doserer Erzbischofssitz von der preußischen 
degierung abgelehnt wurden; doch sei der Versuch 
semacht, eine neue Kombineion zuftusteden 
Donnerstag, 21. Mai 1885. 
20. Jahrg. 
Berlin, 20. Mai. Dem Bundesrathe ist 
soeben der Antrag Preußens zugegangen, die ver⸗ 
bündeten Regierungen mögen die Ueberzeugung da⸗ 
hin aussprechen. daß die Regierung des Herzogs 
don Cumberland in Braunschweig mit dem inneren 
Frieden und der Sicherheit des Reichs nicht ver— 
räglich sei, und zu beschließen. daß die braun⸗ 
schweigische Landesregierung - hiervon verständigt 
verde. 
Berlin, 20. Mai. Der Kaiser erhielt im 
Laufe des Vormittags den Besuch des Kronprinzen 
und der Großherzogin von Baden, und empfängi 
Nachmittags 4 Uhr den kommandirenden General 
des achten Armeekorps v. Los. 
Eisenach, 20. Mai. Die Versammlung der 
deutschen Privatbahn⸗Direktoren beschloß die Gründ⸗ 
ung einer einzigen Berufsgenossenschaft sämmtlicher 
Privatbahnen. 
zum diesjährigen Protestantentag in Hamburg 
delegirt. 
— Gersbach, 19. Mai. Ein frecher Ein⸗ 
bruchdiebstahl wurde vergangene Nacht, wahrschein⸗ 
lich zwischen 2 und 8 Uhr, bei Wirth Sandt da⸗ 
hier verübt. Der Thäter hat sich dadurch den Ein⸗ 
zang in das Wirthslokal verschafft, daß er eine 
—Scheibe des Fensters neben der Hausthüre vom 
Fitte loslöste und eindrückte. Alsdann leerte der 
Dieb die Kasse der Wirthsschenke, im Nebenzimmer 
hrach er den Sekretär auf und raubte die Geld⸗ 
chublade mit bedeutendem Inhalte, im Ganzen 
zeträgtl, dem „P. A.“ zufolge, der Verlust an 
500 Mark. 
— Pirmasens, 20. Mai. Schon wieder 
ist eine Messeraffaire zu verzeichnen, und wenn fie 
auch einen weniger verhängnißvollen Ausgang ge⸗ 
nommen, als die vom letzten Sonntag Abend, so 
ziebt sie doch sehr viel zu denlen. Zwei Knaben 
im Alter von 9 und 11 Jahren geriethen in 
Streit, innfolge dessen der Jüngere dem Aelteren 
mit einem Schusterkneip einen Stich ins Bein ver⸗ 
setzte. Vielversprechende Jugend! — In letzter 
Nacht wurde eine Anzahl Exemplare der Most'schen 
„Freiheit“ in verschiedene Häuser hiesiger Stadt 
geworfen. (P. A.) 
— Spirkelbach, 18. Mai. Bei Nieder⸗ 
legung seiner Scheuer fand Jakob Schild von hier 
neben dem Eckstein ca. 3000 Gulden, bestehend in 
Kronenthaler und Friedrichsdor. 
-Speyer, 18. Mai. Für das gemeinsame 
Liebeswerk, über welches die diesjährige Hauptver⸗ 
sammlung des Gustav-Adolf⸗Vereins in Eisenach 
zu entscheiden haben wird. hat der Zentral⸗Vorstand 
in Vorschlag gebracht, die Gemeinden Ciele⸗Zielonke 
in Posen, Mittelbexbach (Pfalz) und Nippes in 
Rheinpreußen. 
Aussland. 
London, 18. Mai. Der ruhmlose Feldzug 
im Sudan ist zu Ende und die dritischen Truppen 
kehren so schneli als möglich nach England zurück 
Fast komisch, wenn die Sache nicht so ernst wäre, 
llingen die Enthüllungen Burleigh's und William's 
(der resp. Spezialkorrespondenten des „Daily Tele— 
zraph“ und des „Daily Chronicle“ im Sudan). 
über die mangelhafte Intendantur, wie überhaupt 
über den Zustand des Heeres. Da waren Haufen 
pon Hemden, Leintüchern, Choleragürteln, Arzneien 
und Tragbahren, aber blizwenig Stiefeln, Hosen 
delme und Mehl, und Tabak fehlte sogar ganzlich 
Zei den Henri⸗Martini ⸗Gewehren blieben die Pa— 
ronenhülsen häufig im Lauf stecken. weil fie zu 
zroß waren; die dreilantigen Stichbajonnette wirkten 
wie Pfropfenzieher, die Sabelbajonnettte bogen sich 
wie Reifeisen, die Gewehre versagten häufig; kurz 
all die Mängel, welche durch Dr. Russell schon 
deim Krimfeldzuge bloßgestellt wurden, wiederholten 
ich im Sudan in gesteigertem Maße. Zum Glüd 
hatten die Engländer hier mit keinen disziplinirten 
Truppen zu thun, sonst hätte es ihnen schlecht gehen 
snnen! Ohne Reformen tief eingreifender Natur 
jann die englische Kriegsleitung auf dauernde Er⸗ 
solge in einem großen Kriege kaum rechnen. 
Newyork, 20. Mai. Aus San Salbvador 
vird der Ausbruch einer Revolution gemeldet. Präa—⸗ 
ident Zaldivar überließ die Leitung der Regierungs 
zeschäfte Fuguerosa und verließ das Land. Der 
Zriegsminister proklamirte sich als Präsident und 
jegibt sich nunmehr nach San Salvador, um die 
Ruhe wieder herzustellen. 
Vermischtes. 
fReichsgerichtentscheidung. Ver—⸗ 
spricht sich jenand mit einem Mädchen auf Grund 
des mündlichen Versprechens der Eltern des Mäd⸗ 
hens, so hat der Schwiegersohn nach der Ehe⸗ 
ichließung kein Klagrecht auf Erfüllung resp. Ent⸗ 
schädigung, wenn die Eltern mit seinem Wissen 
bor der Eheschließung über den versprochenen Gegen⸗ 
stand anderweitig derartig verfügt haben, daß fie 
nicht mehr im Stande sind. ihr Versprechen zu 
erfüllen. 
FStraßburg, 18. Mai. Notar und 
Bürgermeister Rosch in Altlirch. Landesausschuß⸗ 
Mitglied, ist im Konkurs und wurde verhaftet. 
F Aus Baden. In Littenweiler (Amt 
Freiburg) starb am 5. d. M. der beliebte und an⸗ 
gesehene Landwirth J. M. in den besten Mannes⸗ 
jahren. Aus Gram darüber schnitt sich dessen 
Wittwe am Himmelfahrtstage mit einem Rafsirmesser 
den Hals durch. 
München, 20. Mai. Der Köͤnig hat dem 
„Verein deutscher Lehrer in England“ ein Geschenk 
von 300 Mark übermimeln lassen. 
FVilshofen, 17. Mai. (Erstochen.) Der 
Schuhmacherssohn Georg Trauwein bedrohte in 
angetrunkenem Zustande seine Eltern mit dem Tode 
und suchte gewaltsam ihr Wohnzimmer zu erbrechen. 
Sein hochbetagter Stiefvater Johann Habermann 
letzte fich mit einem Schusterkneip zur Wehre 
Trautwein erhielt damit einen Stich in die Brust, 
jaumelte nur mehr einige Schritte nund stürzte dann 
Odt zu Boden 
— 
Lokale und pfaälzische Nachrichten. 
— Zweibrücken, 18. Mai. Freiherr Max 
von Hofenfels hat unserer Stadt eine Schenkung 
von 2000 Mk. zum Andenken an seine verlebte 
Frau vermacht, welche der Unterstützung von in 
unverschuldete Not gerathenen Vurgern zu dienen hat. 
— Zweibrücken, 20. Mai. Am leßten 
Jahrmaritstage wurden aus dem hiefigen Bahnhof 
äner Frau vom Lande 1242 Mark, die sie bei 
»inem hiesigen Banquier geholt hatte, aus der 
Tasche gestohlen. ˖ Von dem Thaͤter hat man noch 
keine Spur. (3. 3.) 
— Der Ausschuß des pfälzischen 
Protestantenvereins hat die Herren Pfarrer 
Zutters von Zweibrücken, Jalob Exter von 
Neustadt und Oberamisrichter Kuby von Edenkoben 
alz Verireter des pfälzischen Vrotestantenverein?