St. Ingherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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F 100.
Politische Uebersicht.
Von den konservativen Freunden des Hand⸗
verls ist für Mitte Juni ein deutscherzn nung s⸗
ag nach Berlin berufen, der sich u. A. auch mit
den neuen Anträgen Ackermann und —A
Finführung des Befähigungsnachweises der Hand⸗
verker und der weiteren Schritte zur allmäligen
herbeiführung von Zwangsinnungen beschäftigen
oᷣll. Angesichts dieses neuesten Versuchs, die Hand⸗
derker zu konservativen Wahlzwecken zu mißbrauchen,
fues von Interesse, daß die konservative „Schles.
Jeitung“ den Muth hat, gegen den Innungs⸗
swang offen Front zu machen. Zur Er—
eichung der eigentlichen Zwecke der Innungen sei
ʒer Zwang nicht erforderlich; für die Erreichung
der rein wirthschaftlichen Zwecke sei derselbe ein
inderniß.
Mit dem Worte „obligatorische Innungen“,
agt die „Schlesische Ztg.“, wird überhaupt, be⸗
onders dem minder einsichtigen Theile des Hand⸗
verkerstandes gegenüber, großer Mißbrauch ge⸗
trieben. Man erweckt — nicht sehlten zu
Wahlzwecken —- mittels desselben Illusionen,
die nur das trostlose Ergebniß haben, daß die
mit ihrer Lage unzufriedenen Handwerker alles
von der Zukunft erhoffen und die Hand nicht
rühren, um dasjenige energisch auszunutzen, was
hnen die Gesetzgebung heute schon bietet. Wie
nan den Innungszwang verwirklichen will, ist
denen, die dies Wort zu allermeist im Munde
jühren, am allerwenigsten klar. Wie soll eine
scharfe Grenze zwischen Großbetrieb und Klein⸗
belrieb gezogen werden? Und wer will es an⸗
gesichts des sich zu unserer Freude und zu un⸗
erem Stolze täglich höher aufschwingenden Kunst⸗
gewerbes unternehmen, die Grenze zwischen dem
nnungspflichtigen Handwerker und dem freien
ünstler zu ziehen? Man gehe in unser Mu⸗
eum, schaue sich die Wand⸗ und Deckenmalereien
in und versuche dann zu entscheiden, was die
Künstler und was der Kunsthandwerker geschaffen
hat. Wo hört der Steinhauer auf und wo be⸗
zinnt der Bildhauer? In den alten Bauhütten
und in den Malerzünften des Mittelalters fanden
dünstler und Handwerker neben einander ihren
Platz, heute aher kann doch Niemand daran
denken, im Wege des Gesetzes Aehnliches wieder⸗
jerzustellen. Wir behaupten — und sprechen es
vei unserer Vorliebe für berufsgenossenschaftliche
Bestaltungen keineswegs leichten Herzens aus —
daß heute der Innungszwang eine Unmöglichkeit
f. Wir haben mit den gegebenen Verhäitnissen
—V
der blauen Blume die Hände müßia in den
„chooß legen.
Was die „Schlesische Zeitung“, die sich rühmt,
ußerhalb der parlamentarischen Parteien zu stehen,
ind deßhalb auch frei sagen kann, was sie denkt,
diesem Artikel sagt, entspricht der Ueberzeugung
—* die Lage des Handwerks vorurtheilsfrei brü⸗
* Männer. Auch die Konservativen würden
n anders sprechen, wenn sie es nicht bequemer
an zu Wahlzweden in dem minder einsichtigen
des Handwerkerstondes Hoffnungen zu nähren,
An Erfüllung sie selbst nicht aglauben:, denen
We re schmeicheln, um die Getaͤuschten zu ihrem
— zu können. Es ist hart für die
ene hen, daß es getade ein konservatives Blati
se Wor ihnen die handwerkerfreundliche Maske
onungsloser Meise herunterreikt
Samstag, 6. Juni 18883.
Die „Hamb. Nachr.“ erhalten von hier eine
Mitiheilung über den Stand des Nordostsee⸗
Fanalprojekts, welche die „Nordd. Allg. Ztg.“
reproducirt. Danach haben die Vorarbeiten zu dem
auf Reichskoften auszuführenden Projekt bereits vor
drei Jahreu auf Anregung des Reichskanzlers be⸗
jonnen und find auf Grund des von Dahlström
Jesammelten und bearbeiteten Materials, welches
bou der preußischen Regierung für 30,000 Mt.
erworben worden ist, bedeutend gefordert worden.
Das Projelt ist auf eine viel breitere, allen
Interessen des Handels- und der Kriegs⸗
narine entsprechende Grundlage, als diejenige
der Dahlström'schen Arbeiten war, gestellt worden.
Als der Reichskanzler vor Kurzem auf den Nord⸗
stsee⸗ Canal zurückkam, war das Material bereits
oweit vorbereitet, daß alle Details, Baupläne,
Zostenanschlage u. s. w. zur Verfügung gefstellt
verden konnten. Im Augenblicke dürfte die Sache
roch den Kanzler beschäftigen. Ehe sie in den
gundesrath gelangt, muß indeß das preußische
Ziaatsministerim darüber Beschluß fafsen, und es
st nicht zu zweifeln, daß es zustimmend votiren
wird. Man glaubt, die Angelegenheit werde noch
jor der Abreise des Kanzlers nach Kissingen zur
Entscheidung im Staatsministerium kommen. Nach
den „Pol. Rachr.“, welche gleichfalls die Bestätigung
von einer demnächstigen Einbringung einer Nord⸗
stsee ⸗ Canalvorlage im Bundesrath erhalten,
oslen sich die Kosten des Unternehmens auf
156,000,000 Mk. belaufen, wovon etwa
30,000,000 Mk. als Präcipualbeitrag Preußens
vorweg geleistet, die übrigen etwa 106.000,000
Mt. vom Reiche getragen werden sollen.
Die Fehden zwischen den Führern der deut⸗
chen Socialdemokratie dauern fort. Augen ⸗
lictlich liegen sich die Herren Bebel und Frohme
n den Haaren. Jedenfalls hat die Partei in
neuerer Zeit intensiv Einbuße erlitten, die in den
dintergrund getretenen Talente Bebel und Liebknecht
ind auch nicht annäherend durch Hasenclever und
XELXX
In Chemniß wird nun auch der große
„5ozialisenprozeß zur Verhandlung kommen.
nachdem derselbe während der Dauer der Reichs⸗
agsseffion fistirt worden war, da der größere Theil
zer Angeklagten aus Reichstagsabgeordneten besteht.
Die Anklage war erhoben worden, weil die Theil⸗
aehmer an dem Sozialistenkongreß in Kopenhagen
ich der Betheiligung an einer geheimen Verbindung
zu gesetzwidrigen Zwecen verdächtigt haben sollen.
Fẽc war den Angeklagten aufgegeben, eine Klage⸗
eantwortung zu den Akten gelangen zu lassen.
Acht derselben, die Reichstagsabgeordneten Auer,
Bebel, Dietz, Frohme. v. Vollmac und die Herren
Ulrich, Müller Darmstadt und Heinzel⸗Kiel, haben
dieser Aufforderung nicht Folge geleistet, nur der
Abgeordneie Vierec hat derselben jetzt entsprochen.
In dem Schrifistück, das von demselben eingereicht
worden, wird bestritten, daß die Organisation der
ozialdemokratischen Partei den Charakter einer ge⸗
heimen Verbindung trage, und zum Beweis die
eugeneidliche Vernehmung der Minister v. Putt⸗
amer, v. Boeiticher, v. Feilitzsch, v. Nostiz-Wallwitz
owie eine Reihe jetziger und früherer Abgeordneter
»arunter die Abgeordneten Windthorst, Stöcker,
owie die Herren v. Bennigsen und Sonnemann
»orgeschlagen. Als Vertheidiger wird der Leipziger
—echtsanwalt Oito Frehytaa auftreten
20. Jahrg.
Die Pariser Abendbläiter veröffentlichen ein
Schreiben des Kardinal Guibert an den Kultus—
minister, in welchem er gegen das Detret betreffend
die Entkirchlichung des Pantheon protestirt. —
Beneral Courcy ist in Tonkin gelandet und wird
ich demnächst nach Hue begeben, dessen Garnison
»erstärkt werden soll. — Die Kaiserin von China
hat ein neues Dekret erlassen, in welchem sie den
Abmarsch der Führer der schwarzen Flaggen und
zie Räumung von Tonkin innerhalb der festgesetzten
Frist anordnet. — Bei dem großartigen Leichen⸗
zuge Viktor Hugo's ist die Grenze des Erhabenen
zum Lächerlichen vielfach überschritten. So wurde
ein schöner Kranz von weißen Rosen getragen von
wei Damen in großem Trauerschleier. die neben
sich zwei kleine Madchen in Weiß hatten; dieser
dranz trug die Inschrift: „Die Frau und Mutter
Frankreich an Viktor Hugo.“ Eine recht geschmack⸗
ose Allegorie! Der „Intransigeant“ schließt seinen
überschwenglichen Aufruf so: „Nunmehr darf man
agen, daß das Jahrhundert zu Ende ist. Viktor
Zugo nimmt es mit sich ins Grab; er nimmt die
dunst mit (il importe Part); die ganze Bahn ist
zurchlaufen und am Ziel steigt sein Werk empor
— ein unübersteigbarer Berg: Neece plus ultra.
Mit diesem Tode schließt eine Weltjahr ab. Fortan
zibt es nur noch Denker, die auf die Kunst ver⸗
ichten, die er erschöpft hat. und die sich in die
WBissenschaft flüchten und die mit ihr ein neues
Weltjahr eröffnen.“ Dagegen sagt der „Gaulois“
n seinem „La seête des fous“ überschriebenen Artikel:
„Victor Hugo geht aus, wie sein bewundertes
„Notre⸗Dame de Paris“ anfängt: mit einem Feste
der Narten.“.
In Rom wollten sich vorgestern mehrere hundert
Mitglieder demokratischer Vereine im geordneten
Zuge mit Fahnen nach dem Capitol begeben, um
den Todestag Garibaldi's zu begehen. Auf dem
Wege nach dem Capitol wurde. indessen der Zug
vegen aufrührerischer Rufe polizeilich aufgelöst und
nur ein Theil der Demonstranten gelangie auf das
Capitol und legte dort Kränze nieder. In der
Deputirtenlammer wurden wegen der Aufloösung
des Zuges verschiedene Interpellationen eingebrachi.
In einer Unterredung mit dem „Times“ Korre⸗
pondenten in Konstantinopel erklärte der aus Af⸗
shanistan heimkehrende Führer der englischen Grenz⸗
ommission, Sir Peter Lumsden, daß die
Russen, wenn sie auf die Wüstenzone beschränkt
vorden wären, keinen scheinbar triftigen Vorwand
zefunden hätten, sich auszudehnen oder weitere
lebergriffe zu begehen. Sobald diese Grenze aber
iberschritten ist, wird die Angelegenheit verwickelt
yurch Fragen in Betreff der Versorgung mit Wasser,
»er Weiden und anderer Elemente russischer Chi⸗
anen. Aus diesem Grunde glaubt Lumsden, daß
die Schwierigkeit nur zeitweilig beigelegt sei. Die
Russen hätten offenbar die Absicht, die Frage in
ꝛinigen Monaten oder Wochen wieder zu eröffnen,
dumsden ist ferer der Ansicht, daß Rußland den
Zweck verfolgt, dadurch, daß es Indien direkt be⸗
droht, die ganze Aufmerksamkeit Englands dorthin
zu lenken, um so Rusland freieren Spielraum in
der Richtung auf das türlische Gebiet zu verschaffen.
Deutsches Reich.
Regensburg, 2. Juni. Der Fürst von
Thurn und Taxis ist heute Abend gestotben. Mit
dem erst 24 Jabre alten Fürsten erlischt di—