Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
ot. Jugberter Anzeiger“ erscheint vdchentlich fünfmalz Im rontag, Dienstag, Donunerstag, Samstag und Sonutag; 2mal wöochentlich mit Unterhauungs 
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243. 
Samstag, 12. Dezember 1885. 20. Jahrg. 
— 
Deutsches Reich. 
Muünchen, 98. Dez. Schels tadelt die Nach⸗ 
der Gendarmerie gegen Duelle, von denen nur 
minimaler Bruchtheil zur Anzeige gelange. Der 
ind sei, daß die Anzeigen ungern gesehen wür—⸗ 
Minister v. Feilitzsch meint, Schels urtheile 
zart über das Duellunwesen. Herz findet den 
a Grund desselben in den militärischen Ein⸗ 
Agen, die den Offizier zwingen, gegen das 
«atgesetz zu handeln. Schauß findet, daß die 
hte bei dem Etat des Ministeriums des Innern 
xxall die Polizei auf die Bürger hetze. — Der 
A Boshart bleibt unerwähnt. — Der Antrag, 
Ha Mk. als außerordentlichen Zuschuß zu einer 
rotechnischen Versuchsstation München zu be— 
uqen, wird mit 70 gegen 67 (Daller, Walter, 
mminger ⁊c.) angenommen. Gunzenhäuser 
cht gegen das Landes⸗Versicherungsamt, Minister 
deilitzsch dafür wegen der Geöße der bayerischen 
isgenossenschaften. Die Position wird mit 
Majorität bewilligt. 
Rerlin, 10. Dez. (Reichstag.) Zum Ini- 
antrag betreffs Verlängerung der Legislatur⸗ 
rode greift Rickert die Regierung und die 
nervativen auf das heftigste an und spricht von 
Bildung der Mittelpartei, zu der die National⸗ 
ralen die Hand geboten haben. Die Mittelpartei 
die Kämpfe gegen das Zentrum bis auf's 
ver führen, indessen sei der wahre Angriffspunkt 
eelben das kleine Häuflein deutsch, freisinniger 
nner. 
Berlin, 10. Dez. Wiener Meldungen be— 
m, Fürst Alexander werde sich behufs Versöhnung 
dem Zaren nach Gatschina begeben. Dann 
rde die Union Ostrumeliens mit Bulgarien derart 
gesprochen werden, daß der Fürst Generalgou⸗ 
venr yon Ostrumelien wird 
der Besprechung in allen juristischen und sonstigen 
gebildeten Kreisen Deutschlands gerückt. Wir 
halten es für sehr wünschenswerth, daß die Ange— 
legenheit der Berufung nicht von der Tagesordnung 
»erschwindet, bis dem ziemlich allgemeinen und sehr 
ebhaften Wunsche nach Wiedereinführung dieses 
stechtsmittels entsprochen sein wird. Die Sache 
st bei weitem nicht so schwierig und verwickelt, 
vie man sie oft darzustellen beliebt. 
Gegen die Wiedereinführung der Berufung 
verden im Grunde genommen nur zwei ernsthafte 
xinwendungen gemacht, nämlich: 1) das Rechts- 
nittel vertrage sich nicht mit den Grundsätzen der 
Mäündlichkeit und Unmittelbarkeit des Verfahrens, 
ind 2) es liege kein Bedürfniß für dasselbe vor. 
Dder erste Grund ist leicht zu wiederlegen, weil er 
zurch die beste Lehrmeisterin der Dinge. durch die 
Erfahrung, bereits wiederlegt ist. Mündlichkeit 
ind Unmittelbarkeit gelten auch bei den Schöffen⸗ 
erichten, und dennoch ist gegen die Urtheile der— 
elben die Berufung gestattet. Die schöffengericht- 
iche Strafrechtspflege ist im allgemeinen eine be⸗ 
riedigende, und dennoch — wer könnte leugnen, 
daß im Jahr so und so viele schöffengerichtliche 
Artheile von den Strafkammern auf, theils von 
den Verurtheilten, theils von der Staatsanwalt⸗ 
chaft, ergriffene Berufung bald nach der Wieder⸗ 
holung der Beweisaufnahme, bald ohne solche auf⸗ 
Jehoben oder abgeändert werden? So gut das 
bei den Schöffengerichten möglich ist, ebenso gut 
kann es auch bei den Strafkammern möglich sein. 
Es sei ferne von uns, die Rechtsprechung der letz 
feren anzugreifen; es ist vielmehr zu hoffen, daß 
bon der wiedereingeführten Berufung gegen ihre 
Urtheile nur verhältnißmätßig selten Gebrauch ge— 
macht wird, und daß eben deßhalb die Kosten der 
neuen Einrichtung sich bei weitem nicht so belang⸗ 
reich herausstellen werden, als manche befürchten. 
Wir kommen jetzt zu dem zweiten der oben 
dezeichneten Einwände. Es läft sich allerdings 
nicht mit Recht behaupten, daß die Verfahrungs⸗ 
veise und die Urtheile der Strafkammern zu schweren 
der allgemeinen Klagen Anlaß geben, wenigstens 
zei uns in Süddeutschland ist dies wohl nicht der 
Fall. Am wenigsten lassen sich die Vorwürfe 
Windthorsts gegen die Rechtsprechung überhaupt 
ils begründet anerkennen, Vorwürfe des Streber— 
hums und der Abhängigkeit von der politischen 
Hewalt, welche der Cenirumsredner, indem er sie 
russprach, selbst am besten wiederlegte. Ging er 
»och aus von den Diätenklagen des preußischen 
Fiskus, welche bisher von den preußischen Land- 
serichten sammilich abgewiesen wurden. Allein 
inseres“ Erachtens sollte, selbst wenn die Rechtspflege 
er Strafkammer noch viel vollendeter wäre als sie 
st, selbst wenn sie ganz und gar tadelfrei wäre, 
zründsätzlich gegen jedes Strafurtheil erster Instanz 
in materielles Rechtsmittel gegeben sein. Oder 
zibt es etwa keine Fälle, in welchen der Angeklagte 
ich um seine Freisprechung ganz entschieden wehrt, 
n welchen auch ein Mitglied der Strafkammer sich 
yon der Schuld desselben nicht zu überzeugen ver—⸗ 
nag, aber die Verurtheilung durch vier Stimmen 
zleichwohl erfolgt? Sollte in solchen Fällen die 
Möglichkeit eines Irrtbums wirklich ausgeschlossen 
ein? 
Man behauptet, die Juristen seien in ihrer 
großen Mehrheit gegen die Berufung. Hinfichtlich 
des Anwaltstandes ist dies selbstverständlich nicht 
der Fall, und zwar keineswegs blos wegen mate— 
iesser oder einseitiger Standesinteressen. sondern 
auch deshalb, weil der Vertheidiger in der Regel 
den wahren Stand der Dinge, die pensées intimes 
der Angeklagten besser kennen lernt, als der Richter, 
dem der Angeklagte nur selten sein Herz erschließt. 
Allein auch viele Richter sind von der Nothwendig- 
eit der Berufung lebhaft überzeugt. Dem Schreiber 
zieser Zeilen, welcher die eben erwähnte Ueberzeug⸗ 
ung ganz entschieden theilt. hat vor einer langen 
steihe von Jahren kein geringerer als der damalige 
zadische Justizminister Stabel, ein wahrer Jurist 
yon Gottes Gnaden, gesagt: „In einem Lande, 
vo ich als Dieb verurtheilt werden könnte, ohne 
in Rechtsmittel der Berufung zu haben, möchte 
ch gar nicht leben“. NRun wohl! Wer 50 Jahre 
ang sich ehrlich durchgebracht hat, der kann bei 
ins wegen eines kleinen, einfachen Diebstahls vom 
-„chöffengericht verurtheilt werden und dann hat er 
zie Berufung. Ist dagegen der in Frage stehende 
diebstahl ein großer oder ein gesetzlich schwerer, 
jann ist die Strafkammer zuständig, und der näm— 
iche 50 Jahre lang ehrlich gebliebene Mensch kann 
vegen des viel schwereren Vergehens oder Verbrechens 
zerurtheilt werden, ohne daß izm irgend ein Rechts— 
nittel gegen die totale Vernichtung seiner Ehre 
zusteht. Wir wollen ja hoffen, daß dieses furcht⸗ 
zare Beispiel noch niemals vorgekommen sei; aber 
andere, nicht minder furchtbare Dinge sind ja be— 
tanntlich in einzelnen Fällen vorgekommen. Es 
zibt Richter, welchen der Mangel eines Rechts⸗ 
nittels gegen ihre Urtheile unheimlich und höchst 
merwünscht ist. 
Die Vergleichung mit den Schwurgerichten 
nöchte ich am allerwenigsten gelten lassen, weil 
hdei diesen nach der Natur der Sache, nach der Er⸗ 
iahrung und nach den besonderen für sie bestehenden 
gesetzlichen Einrichtungen und Cautelen viel weniger 
das irrthümliche Schuldig, als das irrthümliche 
Begentheil zu befürchten ist. Gerade diejenigen, 
velche für die unverkümmerte Erhaltung des Ge—⸗ 
chworenengerichts eintreten, sollten sich hüten, gegen 
zie Berufung in Strafkammersachen sich auszu—⸗ 
prechen; denn nur die wesentliche Zufriedenheit 
der Bevölkerung mit allen Ocganen der Rechts— 
yflege vermag den ganzen Organismus zu schützen 
uind zu erhalten, und diesem Organismus fehlt 
nach unserer festen Ueberzeugung so lange ein 
vesentliches Glied als nicht die Berufung gegen 
edes Schuldig eines aus Berufsrichtern bestehenden 
ẽrstinstanzaerichts zugelgssen wird 
ew— 
Ausland. 
Belgrad, 10. Dez. Bulgarien lehnte die 
ischen Waffenstillstandsvorschlage ab und machte 
envorschläge, auf welche die Antwort bis zum 
ds. Mittags verlangt wird. Es heißt, Bul⸗ 
ien weise jede Bedingung zurücd, welche den 
fritt von der Union verlangt. 
Belgrad, 10. Dez. Die serbische Antwort 
die letzten Gegenvorschläge Bulgariens ist heute 
hPirot abgegangen. Der neuernannte Kriegs⸗ 
ister, Franassovic, trifft morgen Nacht ein; der⸗ 
itellte die Bedingung, daß wesentlich umfassen⸗ 
und reichlichere Fonds für die Truppenver⸗ 
qung wie zur Beschaffung von Munition zur 
gung gestellt werden. 
Konstantinopel, 10. Dez. Der türkische 
amissar für Ostrumelien, Djevdet Pascha, wird 
dem Sekretär der deutschen Botschaft, Lindenau, 
äösterreichischen Konsul, Piombazzi, und dem 
ischen Konsul, Sorokin, nach Philppopel be⸗ 
et. — Der englische Botschafter, White, läßt 
Behauptung einer auswärtigen Zeitung, er 
he in der letzten Konferenzsitzung geaußert, daß 
qland den Berliner Vertrag nicht mehr aner—⸗ 
mne. als vollständig unbegründet erklären; er habe 
Me derartige Aeußkerung gethan. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 11. Dez. „Kauft am 
Platze!“ Trotz aller Warnung und trotz aller 
Belehrung — das Vorurtheil, daß auswärtige Waare 
jesser sei als die einheimische, ist immer noch nicht 
geschwunden und auch bei einem großen Theile 
inserer hiesigen Bevölkerung, wie häufig zu bemerken, 
ebendi geblieben. Zu keiner anderen Zeit ist diese 
Zucht nach auswärts so auffallend als gerade jetzt 
im die Weih nachts zeit, die in althergebrachter 
Zitte ja beträchtlich mehr Anlaß zu Einkäufen 
zibt, als andere Feste. Es ist nur Einbildung, 
daß man auswäris besser und billiger kauft als 
haheim, und dann ist es ja auch Pflicht jedes 
kinzelnen des Gemeinwesens, das Geld den an—⸗ 
ässigen Gewerbetreibenden zukommen zu lassen, die 
die Lasten des Ganzen tragen helfen, statt dasselbe 
rach auswärts, vielleicht gar an weit entfernte Orte 
zu schicken. Warum auch auswärts kaufen, was 
nan hier — ohne Auslagen für Reise oder Porto 
— ebenso vreiswürdia haben kann? Thahächlich 
Frage der Berufung gegen die 
Urtheile der Strafkammern 
der „Str. Post“ von einem Richter geschrieben: 
Die jüngsten Reichstagsverhandlungen haben 
Frage der Berufung gegen die Urtheile der 
asfammer wieder einmal in den Vorderagarund