Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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der St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wochentlic funfmal: Am Montag, Dienstatg, Donnerstag-Samstag und Sonnutag; 2mal wochentlich mit Unterhauungs⸗ 
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 18 4A. Neclamen 30 4. Bei 4maliger Einrückuna wird nur dreimalige berechnet. 
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—X 27. 
Montag, 8. Februar 1886. 
2 Jahrg. 
Deutsches Reich. 
Muͤnchen, 6. Febr. (Kammer der Abge⸗ 
ardneten.) Bei dem Elat der Münchener Univer⸗ 
jtat stimmten die Klerikalen der Errichtung einer 
hrofefsur für Mathematik bei, nachdem auf An. 
ung des Ministers v. Luß die Abgeordneten 
d. Ritgleer und Stamminger einen An— 
ag auf Cinsetzung eines Betrages von 4200 Mt. 
un das Budget für eine Professur der Kirchenge— 
chichte eingebracht hatten. Beide Professuren werden 
willigt, ebenso die Uebernahme des v. Hauner- 
chen Kinderspitals durch den Staat. Der gesammte 
Flat der Wuürzburger Universität wird nach den 
Anträgen des Ausschusses bewilligt. Fortsetzung 
a Berathung des Kultusetats Montag. 
Der Magistrat von München hat den An⸗ 
rag des Gemeinde⸗Kollegiums angenommen, an die 
Fehsregierung eine Petition zu richten wegen Be- 
seiti gung aller aus der Zollgesetzgebung sich erge⸗ 
enden Schranken, welche bis jezt der Erhebung 
nes lotalen Aufschlags auf Wein durch 
ie Gemeinden entgegenstehen 
Berlin, 5 Febr. Der Stand der kirchen⸗ 
holiuifchen Verhandlungen mit der Kurie vildet 
jortgesetzt einen Hauptpunkt der politischen Erörter⸗ 
ingen in Parlameniskreisen, weil davon unter 
jmstanden eine Verschiebung nuserer Parteiverhält⸗ 
auͤsse zu erwarten ist. Die „Post“ versichert heute 
mj Grund eigener Informationen, daß der Popst 
nit dem ihm vorgelegten tirchenpolitischen Gesetz · 
wurfe zufricden sei. Das Entgegenkommen au 
ie persönlichen Wünsche und Anschauungen des 
dapstes selbst sei ein so weitgehendes, daß die ent ⸗ 
egengesetzten Nachrichten der „Germania“ bald in 
ichis zerfallen würden. Die „Kreuz⸗ Zeitung“ hält 
ie Situation für so ernst, daß sie an leitender 
Zielle eine Art Programm entwickelt, in welchem 
je zunächst betont, daß Fürst Bismarck fest ent 
ne sei, dem Kulturkampf ein Ende zu machen 
ind ihm empfiehlt, sich auf die Konservativen zu 
zützen, indem sie auf Entgegenkommen bei Regel⸗ 
ing der Verhältnisse der ebangel. Kirche hofft. 
Die „Rordd. Ällg. Ztg.“ sagt: „Wie noth— 
wendig die schleunige Eingreifung energischer Maß⸗ 
legeln gegen Pohonisirung unserer Ostpro⸗ 
binzen ist, dafür geht uns die ein reichhaltiges 
Beweismaterial zu. Selbst in Orten. die noch 
Anfangs dieses Jahrhunderts ganz deutsch waren, 
»findet sich heute die deutsche Bevöllerung in der 
dage des Unterdrückten, der Beistand verlangt. Aus 
iner Stadt in Westpreußen theilt man uns mit, 
aß dort tin polnisches Mitglied der Orts Schul⸗ 
dehörde systematisch jede deutsche Schulwirksamkelfl 
hindert und in diesem Bestreben durch polnische 
Agitatoren in dem Magistratskollegium unterstützt 
wird. Die mit größter Mühe deutsch gebildeten 
latholischen Kinder empfangen polnischen Katechu- 
menen· Unterricht, werden in polnischer Sprache ein⸗ 
gesegnet und bdekommen als Glieder der Kirchen⸗ 
gemeinde kein deutsches Wort zu hören, weil die 
beiden katholischen Geistlichen in der vom deutschen 
Ritterorden erbauten Pfarrtirche nur polnisch reden. 
Unter so machtvollem Einfluß verkehren auch Lehrer 
der Jugend im eigenen Hause und in der Schul⸗ 
gemeinde fast nur polnisch. Jeder Geschäftsmann 
ist um Geschäftsvortheils willen bestrebt, sich so 
polnisch als möglich zu zeigen.“ 
Zum Etat der Berg; Hütten- und Salinenver⸗ 
waltung hat der Abg. Vopeläus beantragt, im 
Titel 13 den Betrag von 1,741,172 Mart zu er⸗ 
söhen auf 1,769,814 Mtk. Die Begründung des 
Antrags lautet: „In dem Etat ist eine Summe F Würzburg, 2. Febr. Ein junger Mann 
‚on ründ 71,358 Mt. zu Unterstützungen für die von Rotlendorf hatie in der Deggendorfer Lotierie 
dinterbliebenen der am 18. Marz 1888 inen Gewinn von 1000 Mk. erhalten. Vor Freude 
auf der Grube „Camphausen“ zu Tode gekommenen darüber lud der vom Glüde also Begunstigte auf 
Bergleute vorgesehen. Es erscheint angezeigt, gleiche vergangenen Saountag alle seine Freunde zu einer 
Anterst tzungen auch den Hinterbliehenen der zwischen Festesfeier nach Rimpar ein. Die Gejellschaft be⸗ 
dem bezechneten Tage und dem 1. Oktober 1885 gab sich in eine dortige Weinwirthschaft und zechte 
zu Tode gekommenen Bergleute der übrigen Saar- uuf Kosten des alücklichen Gewinners bis in die 
iere zuuwenden und zu dem Zwecke den Etatss pate Nacht hinein. Auf dem Heimweg fiel ein 
ansatz um 28,642 Mk. zu erhöhen.“ Theilnehmer an dem Zechgelage infolge von Trun⸗ 
enheit zu Boden. Seine „Freunde“ ließen ihn 
Ausland. iegen mit dem Gedanken, ihn Morgens zu holen. 
Paris, 5. Febr. Gestern wurden zwei po⸗ Leider fanden anderen Tages des Weges daher⸗ 
lizeilich überwachte Sozialisten ausgewiesen, ein ommende Arbeiter den Unglücklichen leblos am 
Belgier und ein Deutscher. Boden liegen. Ein Schlagfluß hatte seinem Leben 
ein Ende bereitet. 
Augsburg, 6. Febr. Der Raubmörder 
Ulois Masser (von Karres) wurde heute früh 
mittels der Guillotine durch den Münchener Scharf⸗ 
richter hingerichtet. Der Delinquent starb gebrochen 
und reuig. 
Der höochste Gewinn der Deggendorfer 
Ziehung, 70,000 Mark wurde von einem armen 
Zandwerker in Abenberg bei Schwabach gemacht. 
Run wird aber dem armen Geschirrhändler dieses 
Glück um die Hälfte streitig gemacht. Er hat 
nämlich das Loos im dortigen Wirthshause gekauft 
und sich von dem Wirthe Sch. eine Mark zur 
Bezahlung des Looses geliehen. Der Wirth sagte, 
als er den Manne die Mark lieh, er wolle auch 
ein Theil mithalten, wogegen die Wirthsfrau prote⸗ 
tierte, da er ohnehin schon Geld genug für Loose 
ausgegeben habe. Schließlich schob der Wirth dem 
Manne die Mark zu und sagte, er wolle doch 
nithalten. Der andere, ein schwerhöriger Mann 
nahm ohne Erwiderung das Geld, kaufte das Loos 
und gab noch vor der Ziehung dem Wirthe die 
chuldige Mark zurück, die auch angenommen wurde. 
Und nun will trotzdem der Wirt die Hälfte des 
Bewinnes beauspruchen, während der Gewinner 
ehauptet, er wisse nichts von einem Partner. 
Hoffentlich wird zwischen beiden eine aütliche Einig⸗ 
ang erzielt. 
München, 6. Febr. Eine Petition von 
icht Neugadter Bürgern um Aufhebung der pfälz. 
Finnehmerinstitute wurde in der gestrigen Ausschuß- 
itzung abgelehnt, weil die Bittsteller der Zahl nach 
inbedeutend und die Unterschriften pseudonym sind, 
ilso keine der Geschäftsordnung entsprechende Ve— 
ition vorliegt. 
In der Polendebatte brachte Fürst Bis— 
marck auch in Vorschlag, die deutschen Beamten 
und Militärs sollen keine polnischen Frauen mehr 
heirathen. Dazu wird an eine interessante Ver—⸗ 
fügung Friedrichs des Großen erinnert. Als näm⸗ 
lich bei der ersten Theilung Polens der sogenannte 
Netzedistrikk an Preußen kam, trachtete der König 
darnach, diesen schwach bevölkerten Kreis mit treuen 
Anterthanen zu besetzen. Die großen Ländereien 
des Staates wurden parzelliert und an gediente 
Unteroffiziere als Belohnung gegeben. Den neuen 
HGrundbesitzern trug der Koönig in einer Ordre auf, 
iich schleunigst zu verheirathen und zwar nur mit 
Polinnen. Sie sollten ihren Frauen gute und 
ehrsame Ehemänner sein und blos darauf halten, 
daß in ihrem Hause nie anders als deutsch ge— 
prochen werde; versuche aber die eine oder die 
andere Frau sich dessen zu weigern, so möchten ihre 
Themänner in Gottes Namen nicht vergessen, daf 
ie einst in des Königs Diensten auch den Unter— 
ffiziersstock gehandhabt hätten. 
Vermischtes. 
pMerkwürdiges Klind. In Ehrenfeld 
dei Köln kam kürzlich ein Kind zur Welt, welchem 
die Nägel an Händen uund Füßen fehlten, dagegen 
Jatte es gescheileltes schwarzes Haar, Schnurr- und 
Zackenbart und zwar genau so, wie die Mutter es 
ne gern am Vaser gesehen und sich immer darüber 
zeärgert hatte. Das Kind hat nur 24 Stunden 
aach der Geburt gelebt. 
7 Mainz, 4. Febr. Der zum Tode ver⸗ 
irtheilte Herbst bringt seine Tage im Gefängniß 
n stetem Gleichmaß zu. Er ist mit einer 2 Meter 
angen Kette an die Wand seiner Zelle gefesselt, 
yon welcher er auch Abends, wenn er zu Bette 
zeht, nicht befreit wird. Seine Zelle theilt er mit 
wei Mitgefangenen. Er zeigt sich sehr gesprächig, 
nur über seinen eigenen Fall vermeidet er zu reden 
ind wenn seine Zellengenossen das Gespräch darauf 
ringen, lenkt er auf ein anderes Thema ab. Von 
Zeit zu Zeit läßt sich Herbst aus der Gefängniß⸗ 
dibliothek Lektüre bringen und unterhält sich 
hann nit seiner Umgebung über das Gelesene. 
der Gefängnißgeistliche hat seine Besuche eingestellt, 
veil er von dem Gefangenen doch nur Spott und 
Zohn exrntete. Wann die Rekursverhandlung der 
Zerbst'jchen Sache vor dem Reichsgericht beginnt, 
st noch nicht bestimmt.