Full text: St. Ingberter Anzeiger

S. Ingherter Atzeiger. 
Aumtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert .. 
e St. Aungberter Auzeiger erscheint wbchentlich fünfmalt Am Montag, Dienustag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wochentlich mit Unterhaltungb⸗ 
—88 Eonntagt mit Sseitiger ilustrirter Beilage. Das Blatt toflet vierteliahrlich 1 A 60 4 einichließlich Tragerlohn; durch die Posn bezogen 14 75 , einschließli 
5 Zullellungbgebuhr. Die Einruckuugsgebühr sar die 4gespaltene Sarmondzeile oder deren Raum beträgt dei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei aukerpfälzischen und vlcht 
auf welche die Expedition Augskunst ertheilt, 18 —., Neclamen 30 4. Bei 4maliger Sincickung wird nur dreimalige berechnet. 
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21. Jahrg. 
40. 
Samstag, 27. Februar 1886. 
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Bestellungen 
auf den 
„Zt. Ingberter Anzeiger“ 
für den Monat 
WMärz— 
ehmen foriwährend an: die Postanstalten, die 
hosiboten, die Umträger und 
Die Expedition. 
deunruhigend bezeichnet werden zu dürfen. Das 
Auslaufen der griechischen Flotte aus dem Hafen 
»on Salamis. noch ehe die beabsichtigte Blockade 
derselben zur Thaisache gewotden wäre, und die 
Rede, mit der Herr Delyannis auf die patriotische 
Zundgebung geantwortet hat, zeigen, daß Griechen⸗ 
and dem von allen Mächten getiheilten Wunsche 
jegenüber, es möge den Frieden nicht stören, seine 
inberechtigten selbstischen Zwecke verfolgt; daß es 
zamit zum Ziele gelangen werde, ist nicht anzu⸗ 
rehmen. und der Versuch des Herrn Delyannis, 
ich auf Kosten des Wohls seines Landes noch 
tangere Zeit am Ruder zu erhalten, wird schließlich 
seine Niedrrlage zur Folge haben. Auch an dem 
pulgarischtürkischen Uebereinkommen fehlt es noch 
immer, bei dem versöhnlichen Geiste, der alle dabei 
Interessierten beseeltt, darf man jedoch auf ein 
schließliches Zustandekommen jenes Uebereinkommens 
rechnen. Ein Gleiches kann von dem serbisch- 
bulgarischen Frieden gesagt werden, wenn schon 
hier viel mehr die Ohnmacht, den Krieg fortzu- 
setzen, als der Wunsch, Frieden zu halten. maß- 
zebend sein dürfte. 
Berlin, 24. Febr. Im „Frankfurter Journ.“ 
vird ein „Arbeit und Politik“' überschriebener 
Artikel, der sich mit den Zuständen und jüngsten 
Vorkommnissen in England beschäftigt, folgender⸗ 
maßen geschlossen: „Wir dürfen an diesen Erschei- 
nungen nicht vorübergehen, ohne einige Lehren ent⸗ 
nommen zu haben. Schon um der bedrohlichen 
Rückwirkung der sozialen Gährung in England aus 
unsere eigenen sozialen Verhältnisse vorzubeugen, 
wird es zuvörderst Pflicht sein, mit allem Ernst 
auf die Erhaltung einer starken Regierung und 
zesetzlichen Institutionen bedacht zu sein. Aber 
auch das sei im Auge behalten, daß die Sozial- 
zolitik des Kanzters vorwärts kommt und an der 
Zollgesetzgebung jezt nicht um reiner Schulmeinung 
vislen gerüttelt wird, und andererseits., daß das 
Parteiwesen aus dem Kreise der staatsfreundlichen 
Wählerschaft heraus immer neuen, kräftigen An- 
rieb zu einer nach den naturgemäßen Bedürfnissen 
sich richtenden Vereinfachung empfängt. Ersteres 
erhält dem Volke die Arbeit, letzteres sichert die 
Hrundlagen einer guten Politik“ 
Berlin, 24. Februar. Die dem Reichstage 
ugegangene Begründung der Branntweinmonopol⸗ 
Vorlage ist in zwei Punkten über diejenige, welch 
der Vorlage an den Bundesrath beigegeben war, 
wesentlich hinausgegangen. Der erste betrifft die 
Nachweise über die große Ausdehnung, welche im 
daufe der Jahre die Säufer⸗Krankheit angenommen 
hat; der andere, welcher bei der ganzen Frage 
von entscheidender Wichtigkeit“ ist, versucht den 
Nachweis zu führen, daß keine andere Besteuer— 
ungsart als das Monopol die erwarteten und 
benöthigten Erträge auch nur amnähernd liekerr 
könnte. ⸗ — 
Berlin, 25. Februart. Die großen Kartoffeb 
brennereien in Pommern und Posen haben sich für 
das Monopol erklärt. Die pommerschen Brenner 
herlangen aber statt der staatlichen Verkaufsstellen 
Gemeindeverkaufsstellen/ also nur ein Rohspiritu— 
Monopol. ** 
Berlin, 25. Febr. Eine Sturmszene gab et 
m sächsischen Abgeordnetenhause. Bebel be 
annte sich dort als offenen Gegner der Kirche, abe 
Atheist, und meinte, in 20 Jahren schon' könne di⸗— 
Schlacht zwischen der alten Welt und den neuen 
Ideen stattfinden. Die Aeußerungen riefen allge 
neine Entrüstung hervor. 
Wie aus Berlinu geschrieben wird, geht man 
in den leitenden Kreisen ernstlich mit dem Gedanken 
um, dem Gesetze über den Rauminhalt der Schank⸗ 
gefäße eine Ergänzung dahin zu geben, daß auch 
die verschlossenen Flaschen mit einem Meßstrich 
versehen werden müssen. Die reellen Weinhändler 
önnen damit nur einverstanden sein, denn ihnen 
vird eine „frauduloͤse Konkurrenz“ vom Halse ge— 
schafft, wie die Motive zum Kunstbuttergesege sagen. 
Indeß wird man eine ziemliche Frist bis zur all⸗ 
gemeinen Einführung des Gesetzes stipulieren müssen, 
damit nicht die Millionen von jetzt im Verkehr be⸗ 
indlichen Weinflaschen, die den Vorschriften des 
neuen Gesetzes nicht genügen, nicht mit einem 
Schlage entwerthet würden. Feinere Weine, die 
auf ein älteres Flaschenlager berechnet sind, sowie 
fremde Weine, die in Originalflaschen bezogen 
werden, wird man freilich auch dann noch mit 
besonderen Konlrolmaßregeln lagern lafsen müssen. 
Ausland. 
Wien, 25 Febr. Es bestätigt sich die Nach⸗ 
richt, dak der serbische Kriegsminister die Sistirung 
aller für den Kriegsfall gemachten Bestellungen auf 
Monturen, Munition und Waffen verfügt habe. 
Petersburg. Ein gründlicher diphoma— 
tischer Bruch mit Fran kreich scheint hinter 
der Abberufung des französischen Botschafters Ge« 
neral Appert zu stecken. Der Petersburger Bericht⸗ 
erstaiter des „Standard“ meldet seinem Blatte, er 
erfahre aus guter Quelle. daß der französischen 
Regierung deutlich zu verstehen gegeben wurde, 
daß, wenn man auf der Abberufung des Generals 
Appert bestehe. die Mühe, einen gründlichen Re— 
publikaner zu seinem Nachfolger zu ernennen, nutz⸗ 
los sein würde, da er vom Petersburger Hofe nicht 
empfangen werden würde. Gleichzeitig werde 
Baron Mohrenheim, der russische Botschafter in 
Paris, aller Wahrscheinlichkeit nach Urlaub auf 
unbestimmte Zeit erhallten und die Aufrechthaltung 
der diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich 
und Rußland würde lediglich Geschäftsträgern 
obliegen. 
Paris, 24, Febr. Die Regierung gedenkt 
nicht gegen den Prinzen Napoleon weiter 
einzuschreiten, zumal dessen Brief bei den Repu— 
blikanern allgemein Lachen und Spott, bei den 
Orleanisten Verachtung und selbst dei den Bona- 
vartisten Entrüstung erregte. 
Paris, 25. Febr. Von der 4. Zaschauer- 
tribune der Deputirtenkammersseuerte 
heute der ehemalige Unteroffizier Pros niser aus 
Angers aus einem mit 6 Kugeln geladenen Revolder 
zwei Schüsse ab; die eine Kugel fuhr in die Decke 
des Sitzungssaals.“' die andere traf eine Statue 
neben dem Präsidenten. Prosnier ließ einen Brief 
fallen, worin er Clemencequ um Unterstützung er— 
fucht in dem Prozeß, den er einleiten und in dem 
er die Offiziere nennen wolle, die Mes ver— 
kauft hätter. Die Armee enthalte Spione, 
diee in Deutschlands Disensten ständen. 
Der Mann scheint irrsinnig zu sein. 
London, 23. Febr. Der deutsche Bot— 
schafter hat hier jetzt offiziell angekündigt, daß die 
Marschalls-, Brown- und Providence-Inseln unter 
den deutschen Schutz gestellt seie. Die Brown— 
und Providence-Inselne bilden den nördlichen und 
nordwestlichen Theil der Inselgruppe. 
Koustantinopel, 24. Febr. Der russische 
Geschäftsträger Nelidoff hat die Weisung erhalten, 
der Türkei amtlich eine neue Reihe russischer 
Deutsches Reich. 
Muͤnchen, 25. Febr. Die Abg.Kammer 
mheute in die Berathung des Justizetats einge⸗ 
eten. Abg. Müller Kaiserslautern wünscht u. a. 
itgemäße Abänderung der pfalzischen Hypotheken⸗ 
heschgebung. Abg. Aberamtsrichter Kuby bespricht 
e Katasterverhälinisse der Pfalz. Abg. Herz will 
steformen bei dem juristischen theoretischen ersten 
hzxamen. Abg. Kopp stimmt diesem Wunsche bei. 
zustizminister Dr. v Fäustle verspricht die Berück⸗ 
chtigung der Anregung des Abg. Herz späteslens 
d nachsser Session. Was die Anregung Müller 
hettifft, so freut sich der Minister über die Aner⸗ 
ennung der Pfalz bezüglich der Vorzüge der dies 
itigen und die Reformbedürftigkeit des dortigen 
hypoihekenrechts; er könne jedoch nur eine Abhilfe 
a ähnlicher Art. wie sie in Rheinpreußen und 
euerdings im Elsaß getroffen worden jei, empfeh 
sen. Er wird den Vorschlag beachten und berüch⸗ 
ichtigen. Den Wuünschen Kuby's könne nur im 
zusammenhange mit diesen Reformarbeiten ent 
iprochen werden. 
Berlin, 24. Febr. Der Bundesrath wird 
in seiner morgigen Plenarsitzung den Geseßentwurf 
wegen Auspraͤgung tiner Zwanzigpfennigmünze in 
iner Nickellegierung berathen. 
Berlin, 24. Febr. Die Ansiedelung deut⸗ 
cher Bauern im Osten Deutschlands erhält eine 
eigene Beleuchtung in den neuesten Ergebnissen der 
Auswanderungsstatistik. Man weiß, daß die Pro; 
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jeit vielen Jahren das stärkste Kontingent zur 
deulschen Auswanderung stellen. Auch im Jahre 
1885 betrug die Auswanderung aus diesen drei 
Provinzen 44 Prozent der gesammten preußischen 
luswanderung. Es wanderten in dem genannten 
Jahre. dessen Auswanderungsziffer wegen der in 
Amerika herrschenden Krisis verhältnißmäßig gering 
t, aus Posen 9784, aus Weßpreußen 9822, aus 
bommern 11395 Personen aus. Das Schlimmste 
st aber, daß, wie aus der Statistik hervorgeht, in 
Posen und Westpreußen gerade die Deutschen es 
ind, die deutschen Bauern der olten „Schwaben- 
dörfer“ und ihre Ansiedelungen des vorigen Jahr- 
hunderts, welche zur Anschwellung der Auswander—⸗ 
ungsziffer am meisten beitragen. Wäbhrend die so 
seit vielen Menschenaltern dort angesiedelten ger— 
manischen Elemente dem Lande den Rücken wenden, 
will man neue Ansiedler aus Deutschland heran ⸗ 
vchen, um nicht bloß die von jenen hinterlassene 
kücke auszufüllen, sondern auch dem Deutschthum 
cinen positiven Zuwachs zu verschaffen. Der Er 
folg dieser Bemuͤhungen wird davon abhängen, ob 
Maßregeln getroffen werden, welche dem schweren 
Lampfe zwischen großem und kleinem Besitze seinen 
chärfsten Stachel nehmen. —— 
Berlin, 24. Februar. Die„Köln. Ztg.“ 
neldet: „Die Nachrichten aus dem Orient lauten 
eil gestern weniger erfreulich, ohne deswegen als