Full text: St. Ingberter Anzeiger

infolge einer Petition von Kirchheimbolanden aus. 
In der hohen Kammer ging man über diese Peti⸗ 
aͤon bekanntlich zur Tagesordnung über und die 
zesetzlichen Bestimmungen hierüber blieben aufrecht 
erhalten. Das igl. Staatsministerium des Innern 
für Kirchens und Schulangelegenheiten hat nun an 
die kgl. Kreisregierung in obiger Angelegenheit eine 
höchste Entschließung erlassen und folgendes verfügt: 
1) Die sonntagsschulpflichtige Jugend ist durch das 
dehrpersonal alljährlich zu bestimmten Zeiten in der 
Schule auf das gesetzliche Verbot des Besuches 
offentlicher Tanzmusik und auf die gesetzliche Strafe 
wegen Uebertretung eindringlich aufmerksam zu 
nachen. 2) Als riegelmäßige Termine werden hier⸗ 
für bestimmt die dem Neujahrsfeste, dem Pfingst⸗ 
'este und dem örtlichen Kirchweihfeste vorhergehenden 
Anterrichtstage. 3) Außerdem ist dieses Verbot den 
Sonntagsschulpflichtigen in Erinnerung zu bringen, 
sobald dies durch die örtlichen Verhältnisse angezeigt 
erscheint. 4) Von dem Lehrerpersonale ist in dem 
ju führenden Tagehuche von dieser Verwarnung 
urze Vormerkung zu machen. 5) Die kgl. Lokal⸗ 
und Distriktsschulinspektoren haben den Vollzug 
dieser Verfügung zu überwachen. — Diese hohe 
RKegierungsverfügung ist im Interesse der Jugend 
und Eltern nur mit Freuden zu begrüßen, weil 
dadurch den Unannehmlichkeiten für beide Theile 
am besten vorgebeugt werden kann und auch den 
Polizeiorganen manche Unannehmlichkeit erspart 
verden wird. 
— Albersweiler. 12. April Gestern 
Abend 6 Uhr verunglückte beim Rangiren des von 
Landau gekommenen Güterzuges der Portier Bibus, 
nndem ihm durch die Räder eines Wagens ein Bein 
abgefahren wurde. 
—8B 
Vermischtes. 
FGroßblittersdorf, 10. April. Gestern 
ꝛreignete sich, wie dem St. Joh. Anz. von hier 
gemeldet wird, vor dem Mühlenetablissement des 
derrn Groß ein bedauernswerthes Unglück. Ein 
Knecht, welcher ein mit 4 Pferden bespanntes, mit 
Mehlsäcken beladenes Fuhrwerk begleitete, kam dicht 
an der Mühle zu Fall und gerieth unter die 
Wagenräder; er erlitt schwere Verletzungen und ist 
zjeute nach der Abnahme eines Beines gestorben. 
F (Mysteriöse Heirathsschwindler.,) 
Beim kaiserlichen Landgericht zu Mezz befindet sich 
eine Persönlichkeit wegen Betrugs in Untersuchungs⸗ 
haft, welche sich Aristides Baron von Schina nennt, 
vährend seine Legitimationspapiere auf den Namen 
Aristides Basileus Skinas lauten. Der Angeschul⸗ 
zigte scheint seit einer Reihe von Jahren davon zu 
leben, daß et unverheiratheten Damen sich nähert, 
obgleich er verheirathet ist, die Ehe verspricht und 
fie zum Theil um namhafte Summen beschwindelt. 
Er lebt auf großem Fuße ohne nachweißbare Ein⸗ 
fünfte. Ausweislich seiner Papiere befand er sich 
im Jahre 1883 in der Schweiz, wo er anscheinend 
nit der russischen Regierung in Verbindung ge⸗ 
standen hat, im vorigen Jahre in Berlin und 
Biesbaden. 
F Bischweiler, 4. April. Man schreibt 
der Colm. Ztg.“: Einige Rekruten, die sich in 
Andolsheim zur Musterung gestellt hatten, machten 
ich, nachdem sie hierher zurückgekehrt waren, ein 
Vergnügen daraus, einem sechsjährigen Kinde so⸗ 
bdiel Branntwein zu trinken zu geben, bis es finn⸗ 
los betrunken war und bald darauf einschlief. Im 
daufe der Nacht stellte sich aber eine Gehirnent⸗ 
zündung ein, welcher das unglückliche Kind gegen 
Morgen erlegen ist. Gegen die Urheber dieses 
trafwürdigen Scherzes ist eine Untersuchung ein⸗ 
geleitet. 
F Deutz, 8. April. Gestern wurde eine 
Koppel Pferde hier über die Straße geführt; als 
ein kleiner Knabe an den Thieren vorbeigehen 
vollte, schlug eines derselben plötzlich aus und traf 
das Kind so unglüdlich an den Kopf. daß es auf 
der Stelle todt blieb. 
fF.Duisburg. In der gestrigen Sitzung 
der Strafkammer des hiefigen Landgerichts vom 7. 
yss. wurde der Gastwirih W. von hier zu 6 Wochen 
Hefängniß und 500 Mk. Geldbuße, seine Ehefrau 
zuu 200 Mk. sowie beide zu den Gerichtskosten 
oerurtheilt wegen Vergehens gegen 8 10 des Nahr⸗ 
ungsmittelgesetzes. Lange Zeit hindurch wurden, 
wie die Verhandlung ergab, in der sehr besuchten 
W'schen Wirihschaft sog. Tröpfelbier sowie die 
Bierneigen in einem besonderen Behälter aufge⸗ 
ammelt. dann beimlich in den Keller geschafft und 
n ein dort stehendes Faß gegossen, um Samstags 
ind Sonntags bei dem starken Besuch mit ver⸗ 
chenkt zu werden. Dabei, wurde die Praxis be⸗ 
olgt, den Stammgästen flets gutes Bier vorzu⸗ 
etzen und das schlechte Getränk an die andern Gäste 
u verabreichen. Dieses schmähliche Verfahren ge 
angte durch Anzeige einer früheren Kellnerin zur 
denntniß der Staatsanwaltschaft, die infolge dessen 
ine polizeiliche Untersuchung vornehmen ließ, wo⸗ 
zurch die gemachten Angaben vollständig bestätigt 
vurden. Der vorliegende Fall erregte im Publi⸗ 
um um so mehr Aufsehen, als der Wirth W. sich 
nn guten Verhältnissen befindet und eine der best⸗ 
zesuchten Wirthschaften der Skadt besitzt. 
Wolmuünster, 5. April. Der Sohn einer 
jiesigen armen Wittwe war gestern, infolge über⸗ 
näßigen Branntweingenusses. so betrunken, daß 
man genöthigt war, ihn nach Hause zu transpor⸗ 
tiren. Heute Morgen war er eine Leiche. 
F Die Stelle eines Leichenbegleiters hat in 
Frankfurta. M. nach öffentlicher Ausschreib⸗ 
ing über 200 Bewerber gefunden. Nach der 
Begräbniß⸗Klasse, welche von den Hinterbliebenen 
zJewählt wird, richtet sich die Zahl der sog. „Flenn⸗ 
nänner“; so nennt sie seit Jahrhunderten der 
Bolksmund. Die Stelle trrägt höchstens 30 bis 40 
Mark monatlich ein. Ein alter Schlosser war der 
zlückliche Sieger im Wettstreit der Bewerber. 
Am Samstag Nachmittag wurde in Mann⸗ 
heim ein Schwindler, angeblich Engländer, ver⸗ 
haftet, der es auf das Waarenlagen des Goldar⸗ 
deiters Schneider abgesehen hatte. Im Amisge⸗ 
sängnisse wurde derselbe einer genauen Visitation 
interzogen, wobei es sich herausstellte, daß er unter 
)en verhäitnißmäßig feinen Oberkleidern einen sehr 
efekten zweiten Anzug trug. Bei einer Visitation 
einer Papiere stellte es sich heraus, daß dieselben 
alsch seien, wie er auch noch eine größere Zahl 
alschen amerikanischen Papiergeldes bei sich trug. 
kin Komplice des Verhafteten ist entkommen. 
FKarlsruhe, 11. April. Der Katafalk 
für die Leiche Scheffel's ist mit Blumen, Palmen 
ind Lorbeer reich geschmückt. Lorbeerkränze sind 
jesandt worden von Studenten, von der badischen 
dammer, dem Verleger Scheffels, der Concordia in 
Wien, dem Gemeinderath in Wien. Der Leichenzug 
erspricht großartig zu werden. 
F J. V. v. Scheffel hat ein, Festgedicht zum 
Jubiläum der Universität Heidelberg“ verferligt, 
velches in den nächsten Tagen bei der Universitäis 
uchhandlung Bangel und Schmitt in Heidelberg 
erscheinen wird. J 
FGür die Bühnenfestspiele in Bay— 
zeuth) find die Daten festgestellt worden, und 
war für die Aufführungen von „Parsifal“ der 23., 
26., 80. Juli, 2. 6.. 9. 13. 16. und 20. 
August; für die Aufführungen von „Tristan und 
Isolde“ der 25., 29. Juli, 1., 5., 8., 12., und 
15. August. Der Eintrittspreis für einen reser⸗ 
zirten Platz ist auf 20 M. festgesetzt. 
FMünchen, 7. April. Wie man dem 
„Nürnb. Anz.“ schreibt, ist die k. Kabinetskasse bis 
etzt von Gewerbsleuten, Fabrikanten u. s. w. auf 
»en Betrag von 1293 Millionen Mark verklagi 
vorden. In den meisten Fällen liegen gerichtliche 
FJälle vor; in einigen ist mündliche Verhandlung 
or dem Landgericht München J. auf Anfang Mai 
mberaumt. Münchener Blatter wollen wissen, es 
verde im Monat ein Ereigniß eintreten, durch 
velches in den Verhältnissen der k. Kabinetskasse 
ine durchgreifende Aenderung herbeigeführt wüade. 
luch die Anwesenheit des Kaisers von Oesterreich 
vurde mit dieser Angelegenheit in Zusammenhang 
u bringen versucht. Den bezüglichen Nachrichten 
ehlt aber jeder Schein der Begruͤndung. 
fRosenheim, 8. April. Am Sonntag hatte 
)er Dienstknecht Balthasar Huber von Schweizerling in 
stott am Inn der Fastenpredigt angewohnt und seine 
sterliche Beichte abgelegt. Auf dem Heimwege kehrte 
zx im Wirthshause zu Dettendorf ein, wo er so 
ange zechte und spielte, bis er zur Polizeistunde 
um Heimmege gemahnt wurde. Darüber wurde 
Rer Mensch so aufgebracht, daß er drohte, dem ersten, 
der ihm begegnete, die Gedärme auszulassen. In 
der Nähe von Lampferding traf er mit dem Schweizer 
hes Posthalters von Ostermünchen zusammen, dem 
er nach wenigen Worten ohne alle Veranlafsung 
ein im Griff feststehendes Messer in die Brust stieß, 
io daß der Tod sofort erfolgte. 
f Aus den Einldufen zum Geburtstage des 
Peichskauzrehers heröffentlicht die Muussa, 
Ztg. folgendes Telegramm des Lesevereins Nen— 
Jausen (Oberbaiern): 
„In dem Lande der Denker und Dichter 
Spricht am meisten Eugenius Richter; 
Weil Sprechen vom Denken das Gegenstück 
Hat er bei der Reichstags⸗Mehrheit Glüuͤd. 
Das Monopol auf den Spiritus 
Bekampft er zu Deutschlands Ueberdruß, 
Damit sich jeder kann überzeugen, 
Daß dies Monopol nur dem Kanzler eigen. 
— Am 1. April waren in Preußen ilg, 
Berichtsassessoren vorhanden, eine bisher nie erreichte 
Zahl. 1880 waren es 438. 
F Berlin. Du, Onkel! Folgende niedliche 
Episode ereignete sich jüngst in einer Privatschu⸗ 
des Südwestens Berlins. Dort sitzt ein kleiuer 
Abc⸗Schütze, der erst seit dem Beginne des letzten 
Schuljahres den kindlichen Spielen hat Valet sagen 
müssen, um den Ernst der Schule kennen zu letunn 
Fines Tages der vergangenen Woche bittet de 
angehende Schriftgelehrte seinen Lehrer, 'mal aus 
reten zu dürfen. Er erhält dazu die Erlaubniß 
entfernt sich und betritt nach kurzer Zeit wieder 
seine Classe. Gravitätisch schreitet er auf seinen 
Lehrer zu und sagt: „Du, Onkel, knüpf' mi 
doch mal die Hosen an, ich kann es nicht!“ 
Der „Onkel“ kam dem Wunsche des kleinen Manne— 
schmunzelnd nach. 
t Bexlhin. Das Zustandekommen der fur 
1888 in Aussicht genommenen deutschen Gewerbe 
Ausstellung ist vollständig gesichert und ein sehr 
ansehnlicher Bürgschaftsgrundstoct vorhanden. 
FeKiel, 7. April. Die Kreuzerfregatte „Eli⸗ 
abeth“ hat von ihrer letzten Reise vier unserer neuen 
Landsleute aus Kamerun mitgebracht und zwars 
Erwachsene, welche als vierjährig Freiwüllige in 
anserer Marine eingetreten sind, und 1 Knaben. 
Sie sind im Ganzen recht anstellig und können sich 
alle schon in deutscher Sprache einigermaßen ver. 
dändlich machen. Einer von ihnen ist im Stande, 
Bedructtes, wenn auch mit Mühe, zusammen zu 
vuchstabiren. 
F Wien, 11. April. Laut Meldungen aus 
Temesdar hätten die Arbeiter des Bergwerkes Ora— 
aitza die Arbeit eingestellt und die Beamtenhäuser 
angezündet. Nach anderen Berichten wären sämmi⸗- 
iche Bahngebäude zu Oravitza und fiebzehn Wag⸗ 
zons durch Brand eingeäschert worden, doch wird 
nicht gesagt, wodurch der Brand entstanden sei. 
Auch in dem Oravitza nahegelegenen Flecken Hatz⸗ 
feld waͤre ein großes Feuer ausgebrochen und 290 
Häuser abgebrannt. Nähere Angaben und Beflätig⸗ 
ung des Streikes zu Oravitza fehlen zur Zeit noqh. 
7Ghrase und Wirklichkeit.) Ein 
französischer Marinesoldat kommt mit einem Stelz- 
uß aus Tonkin zurück. Ein alter Bramarbaß 
degrüßt ihn mit den Worten: „Tapferer Krieger, 
Euch hat es Frankreich zu danken, daß es einen 
Fuß im fernen Orient hat.“ „Glaubs gerne“, 
antwortete der so Apostrophirte. ich habe ihn dort 
gelassen.“ 
F Von dem chauvinistischen Wahne, der fast 
alle Parisser Blatter gefangen hält, so oft es 
sich um deutsche Dinge handelt, ist das Boulevard⸗ 
Blättichen „Gil Blas“ noch am ehesten frei zu er⸗ 
lären. In seiner letzten Nummer liefert es hierfür 
wieder einen launigen Beweis. Die Ankunft von 
40 lustigen deutschen Musensöhnen sieht aus Hei⸗ 
delberg und Bonn bevor und während andere, sonst 
zanz ernsthafte Blätter in einem solchen Falle sich 
nicht scheuen würden, von einer Massenspionage zu 
prechen und tout Paris zu warnen, fordert „Gil 
Blas“ fürsorglich die Brauereibesitzer von Paris 
uuf, ihre Vorräthe an Bier und Schinken 
zu ergänzen, da der Besuch der 40 Heidelberger 
und Bonner Studenten in der Seine - Meiropole 
angekündigt ist. Das Blatit meint, die jungen 
Prussiens befanden sich zwar nicht, wie die spanische 
Estudiantina, auf einer Kunstreise mit der Mando⸗ 
iine, sondern auf einer Studienreise, was fie aber 
keineswegs abhalten wird, als Anhänger des Sauer⸗ 
rauts auch Unmassen von Bier zu vertilgen und 
so das Glück von einigen Variser Bierbrauern zu 
begründen. 
F CDie Spiel ˖ Opfer von Monte Carlo.) 
In Nizza hat sich ein internationaler Verein ge⸗ 
ildet, der in einer Flugschrift, die sämmtlichen 
Regierungen Europas mitgetheilt worden ist, die 
Todesalten und Abschiedsbriefe von 1820 Spielern 
peröffentlicht hat, die sich in Monte Carlo von 1877 
bis 85 in der Verzweiflung entleibt haben. 
FAusg Spansen. Die Nadfahrer von Valencio