Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
St. Jugberter Anzeiger. erscheint wbchentlich fünufmalr Am Montag, Dieustag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wochentlich mit Unterhaltungt 
—8 Eonntagßt mit Sceitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1 A 60 A einschlieklich Tragerlohn; durch die Post bezogen 14 76 4, einschließli; 
tZuslellungẽgebuhe. Die Einrũckunugsgebühr fur die Agespaltene Sarmondzeile oder deren Kaum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 0, bei auberpfälzischen und solche 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, Iß , Reclamen 80 . Bei 4maliger Einredung wird mer dreimalige berechnet. 
V Is. 
DeuttnHes Reich 
muünchen, 15. Juni. Die Seltion der 
che Seiner Majestät des Königs Ludwig II. 
hochgradige Veränderungen degenerativer Natur 
Schaͤdel sowie am Gehirn und seinen Hauten 
geben. Dieselben sind theils auf abnorme Ent⸗ 
elung, theils auf chronische Entzündungsvor⸗ 
ange älteren und jüngeren Datums zurückzuführen. 
Die Sektion wurde von Professor Dr. Rüd⸗ 
ger im Beisein von Dr. Grashey und Hofstabs⸗ 
Dr. Halm und mit Zuziehung des Ober⸗ 
dizinalrathes Dt. v. Kerschensteiner vollzogen. 
Mmuünchen, 15. Juni. Die Truppen sind 
n gestern in den Kasernen konsignirt. Gestern 
urden mehrfache Verhaftungen wegen unvorsich⸗ 
ger Aeußerungen in Wirthschaften vorgenommen. 
auf der Post wurde eine (offenbar gefälschte) Pro⸗ 
smation Ludwig's II. „An mein Volk“, d. d. 
henschwangau den 9. Juni, aus der Schweiz 
2406 Exemplaren zur Verbreitung eingetroffen, 
onfiszirt. — Die Abgeordnetenkammer hält erst 
onnerstag eine Plenarsizung ab. — Die Stim⸗ 
ung im Gebirge ist noch immer erregt und miß⸗ 
auisch, hier tief erusfh. 
biñnuchen, 15. Juni. Die Aufregung, die 
nern in München herrschte, wurde durch zwei 
ruchte vergroͤßert. Ein Lokalblatt brachte die 
altheilung, der Oberstallmeister Graf Holnstein, 
in der verunglückten Expedition nach Hohen⸗ 
wangau die Hauptrolle spielte, sei erschossen 
orden, und ferner hieß es, die Königin⸗Mutter 
plötßlich gestorben. Beide Gerüchte sind voll⸗ 
undig grundlos; die Königin⸗Mutter ist allerdings 
iranit, aber es ist wahrscheinlich, daß man ihr 
e Nachricht vom Tode ihres Sohnes, die ja 
lerdings von den schlimmsten Folgen für-«das 
eben der Unglücklichen sein konnte, bis jetzt vor⸗ 
walten hatt. —J 
München, 15. Juni. Aus Abgeordneten⸗ 
en verlautet, es sei nicht ausgeschlossen, daß 
Landtag Anlaß haben werde, sich mit der 
rage einer Verfassungsänderung zu beschäftigen, 
insichtlich des Verbotes, während der Regentschaft 
rue Aemter zu errichten, und der Bestimmung, 
m erledigte Aemter nur provisorisch besetzt werden 
irken. —F che 
VBie aus Wien mitgetheilt wird, hatten bereits 
J. Juni sämmtliche deutsche Fürsten und 
erreichs Kaisserr eine vertrauliche Mittheilung 
Prinzen Luitpold über die Nothwendigkeit einer 
egentschaft in Bayern erhalten. Früher schon 
uten nach dem „Wiener Fremdenblatt“ eidliche 
rnehmungen von Dienern und früheren Sekre⸗ 
vn des Königs stattgefunden. 
Berlin, 15. Juni. Der „Reichsanzeiger“ 
weibt: „Die erschütternden Nachrichten aus Bayern 
cen die Pfingstfreude in Trauer verwandelt. Ist 
schon an und für sich ergreifend, wenn ein 
ettlich veranlagtes Menschenleben in geistiger Um⸗ 
chtung endet, so erweckt das tragische Geschick 
5 Königs Ludwig II. um so innigere Theilnahme, 
derselbe zu unserem Königshause in verwandt⸗ 
naftlichen Beziehungen stand und in ganz Deutsch⸗ 
d die Verdienste unvergessen sind, die er sich um 
Finheit des Reichs erworben halt 
München, 15. Juni. Die Leiche des Königs 
n der alten Hofkapelle aufgebahrt. Von morgen 
wird dem Publikum in den Stunden von 8 
hr früh bis 6 Uhr Abends der Zutritt gruppen⸗ 
reise geftattet. Die Mufbahrunag dauert vhoraus⸗ 
Donnerstag, 17. Juni 1888. 21. Jahrg. 
ächtlich bis Samstag Nachmittags, das Leichenbe⸗kapelle begann heute acht Uhr früh. Die Anord⸗ 
zjaͤngniß findet wahrscheinlich am Sonntag statt. nungen der Behorden gegenüber dem kolossalen 
Das „Fremdenblatt“ erfährt, die Bestattung der Undrange des Publikums aus Stadt und Provinzen 
deiche Dr. v. Guddens werde auf Staatskosten er- ind gänzlich unzureichend. Sämmtliche Thore des 
folgen. Der Wittwe Guddens ging ein Beileids- Kesidenzschlosses sind fest verschlossen. Jede Viertel⸗ 
ichreiben des Prinzen Luitpold zu. unde nur werden durch Oeffnung zweier gegen⸗ 
Muünchen, 15. Juni. Auf der Tagesord⸗ iberliegender Schloßthore ungefähr je zweihundert 
nung der stattfindenden Sitzung der zweiten Kam⸗ Jersonen eingelassen, wodurch unter der nach 
mer steht formelle Behandlung der in Aussicht ausenden zählenden, harrenden Volksmenge unbe⸗ 
stehenden Regierungsvorlagen. Die „N. N.“ er⸗ chreibliches Gedränge, Schreien und Jammerrufe 
„ählen, daß man eine Kommission von 28 Mit- dalb Erdrückter stattfindet, was die jzahlreichen, 
gliedern, darunter 183 Liberale, wählen und dann Ordnung haltenden Soldaten mit aufgepflanztem 
in öffentlicher Plenarsitzung Bericht erstattet werden Bajonnet nur noch vermehren. Wahrscheinlich 
pird. —. Das Leichenbegängniß des Konigs verden, sofern die Behörde eine nicht ungehinderte 
dudwig findet vorausfichtlich Sonntag statt. Defsilierkour schleunigst einführt, Unglücksfälle statt⸗ 
Der Verlauf wird ungefähr folgender sein: inden. 
Anter dem Geläute aller Glocken und unter dem Das Begräbniß des Kö nigs findet 
donner von 101, Kanonenschüssen setzt sich r am Sonntag Nachmittag 2 Uhr statt. Der Zug 
zeichenzug in Bewegung. Denselben erdffnen rei- geht von der Residenz über den Marienplatz durch 
ende Gendarmen, das Kadettenkorps, die Kriegs⸗ die Kaufingerstraße zur Michaelskirche, wo vorerst 
chule und Abtheilungen aller Waffengattungen. die Beisetzung erfolgt, da die Königsgruft in der 
Aierauf folgen: Die sämmtliche Livredienerschaft Theatinerlirche überfüllt ist. — Graf Dürchheim ist 
des Adels, die Schulen und Erziehungsinstitute, zgestern aus der Haft entlassen worden. 
die Bruderschaften, die Hofbeamten und Bedienste⸗ Nach der „Fr. Ztig.“ wird in München eine 
en, die Geistlichkeit mit dem Erzbischof, Zeremo⸗ eußerung des verstorbenen Königs kolportirt, da⸗ 
nienmeister und dann der achtspännige Leichen- hin lautend: „Daß man mir die Regierung 
vagen, begleitet von den General- und Flügel- nimmt, das ertrage ich, aber daß man mich für 
idjutanten, Kaämmerern, Edelknaben und der Hart- rrsinnig erklärt, das überlebe ich nicht.“ 
hiergarde. Hinter dem Leichenwagen wird ein Muünchen, 16. Juni. Heute Nachmittag 
Trauerpferd geführt. Dann folgen die Mitgliedrr and auf dem Kirchhofe der Vorstadt Au das 
)es Königshauses, die Kronbeamten, die Häupter Leichenbegängniß Dr. Guddens unter Theil- 
der standesherrlichen Familien, die Reichsräthe, iahme der Minister Lutz, Crailsheim, Feilitzsch 
Beneräle, die Minister, hohe Beamten, der Magistrat. ind zahlreicher staatlicher und städiischer Beamien, 
Den Zug schließt Militär aller Waffengattungen. Iffiziere, Armeeürzte, Civilärzte, ärzilicher Vereine. 
Im Laufe des Tages liefen zahlreichen Bei⸗ Studenten und Buͤrger siatt. Namens der insge- 
eidstelegramme von der Kaiserin Augusta, ammt erschienenen Universitätsprofessoren legte 
»em Kaiser von Oesterreich, den Königen von Bßeheimrath Rothmund, der Dekan der medizinischen 
Württemberg und Sachsen, dem Großherzog von Falultät, und Namens der Prinzregenten der Ad⸗ 
zaden u. a. Fürstlichkeiten beim Prinzen Luitpold utant Baron Wolfskehl einen Kranz aufs Grab; 
in. Das des Kaisers Wil hehim war besonders »s folgten zahllose weitere Kranzspenden. 
varm und herzlich gehalten. Dr. Bernhard v. Gud den, Obermedizinal⸗ 
— München, 15. Juni. In der heutigen dath, Universitätsprofessor, Direktor und erster 
yffentlichen Plenarsitzung der Kammer der Reichs⸗ Oberarzt der Kreis-Irrenanstalt Oberbahern, wel ⸗ 
aͤthe waren anwesend: Sämmiliche Prinzen, Statt⸗ her in pflichttreuer Ausübung seines Verufes ein 
jalier Furst Hohenlohe, die beiden Erzbischöfe, Gtaf so tragisches Ende gefunden, hat noch am Montag, 
holnstein und alle Minister, mit Ausnahme des den 7. Juni, im Kreise seiner Familie seinen 62. 
Fzrhrn. v. Crailsheim, welcher der Sektion bei- Beburtstag gefeiert. Gudden ist geboren zu Cleve 
bohnte. Präsident v. Franckenstein hielt eine tief, a. Rh. im Jahre 1824. Im Jahre 1872 wurde 
mpfundene Trauerrede üͤber den plötzlichen Hntrin hmedie Direktion der Kreis⸗Irrenanstalt Munchen 
des Königs, welche das Haus in ernstester Stim⸗ übertragen, unter dessen Führung dieselbe manche 
nung stehend anhörte. Minister v. Lutz. spricht berbesserung erfuhr und überhaupt erfreulich blühte 
Mleichfalls die kiefsten Trauerempfindungen aus, und gedieh. Das tragische Geschick des als Fach⸗ 
erliest die Aufträge des Prinzregenten, dessen Bote nann und Gelehrten hochgeachteten Mannes findet 
chaft, wonoch der Reichsverweser nach Anhörung überall die tiefste Theilnahme. 
»es Staatsrathes beantragt, der Regentschaft zuu- Darmstadt, 15. Juni. Wegen des Ab⸗ 
——XDD 
ille wünschenswerthen Aufschlüsse in geheimer Kome ꝰon Bayern ist eine Hoftrauer bis zum 4. Juli 
nissionsberathung geben zu dürfen, andernfalls aber einschließlich angeordnet worden. — 
ntschieden nur einer geheimen Plenarberathiunng Berlin, 16. Juni. Der Kronprinz reist 
der der Kommission überlafsen bleiben solle, zu be- donnerstag Abend, nach Muünchen zum Leichen ⸗ 
timmen, ob die nachfolgende Plenarberathung eine degängniß ab. — Der Kaiser hat infolge des 
eheime oder öffentliche sein soll. Präsident von Todes König Ludwigs sein Erscheinen auf dem 
Franckenstein empfiehlt die Wahl eines 12gliederigen Berliner Künstlerfest absagen lassen. 
lusschusses, dessen Verhandlungen alle Reichsräthe Der bevorstehende Wiederzusammentritt des 
inwohnen können, selbsiverständlich unter strengster Reichstages gibt der „N. Allg. Z.“ Veran⸗ 
Diskretion. Dieser Vorschlag wurde einstimmig assung zu folgender Mahnung: „Das Geringste, 
zenehmigt. Auch die Art der Abfassung des Aus- vas vom Reichstag verlangt werden kann, ist, daß 
chußberichtes und des Vortrages des Referenten r zu Regierungsvorlagen Stellung nehme, daß er 
vird ausschließlich dem Präsidium überlassen. ieselben mit Ja oder Nein beantworte. Ein ne—⸗ 
Müunchen, 16. Juni. Die öffentliche Schau- jatives Votum der Kommission kann eine gewissen⸗ 
dellung der Leiche des Hönias in der olten Schloß⸗ dafte Regierung nicht als definitive Entscheidung